Druck auf die WTO
Amerikanische Unternehmensverbände preisen den E-Commerce als Wachstumsmaschine für alle an und fordern ein Verbot von Steuern und Zöllen
In ihrem Kampf gegen eine Besteuerung des E-Commerce haben die amerikanischen Unternehmensverbände Business Software Alliance (BSA) und Information Technology Industry Council (ITI) die WTO dazu aufgerufen, dem E-Commerce keine Einschränkungen aufzuerlegen und die mit diesem verbundenen "unbegrenzten Möglichkeiten" zu wahren.
Beim nächsten Treffen der WTO - der sogenannten Millenniumrunde - in Seattle am Ende des Monats stehen Themen des E-Commerce an prominenter Stelle. Unter anderem geht es darum, ob das zeitlich begrenzte Verbot für die Besteuerung des E-Commerce verlängert werden soll. In Aufregung ist man vor allem in den USA geraten, nachdem in einem UN-Bericht von den Autoren der Vorschlag gemacht wurde, eine Email-Steuer zu erheben, um die Entwicklungsländer beim Eintritt in die Informationsgesellschaft zu unterstützen. Ein Beschluss des amerikanischen Kongresses soll die Vertreter des US-Handelsministeriums dazu verpflichten, sich für eine Verlängerung oder ein Verbot von Internetsteuern einzusetzen. Allerdings ist auch in den USA selbst dieses Thema weiter umstritten, denn die Staaten wollen nicht gerne auf mögliche Einkünfte verzichten und kritisieren, dass dadurch die lokalen Anbieter benachteiligt würden. Das Handelsministerium hat bereits mehrfach signalisiert, dass für es bei den WTO-Verhandlungen die Verlängerung des Moratoriums und die Diskussion über eine Unterscheidung elektronisch gelieferter Waren und Dienste oberste Priorität haben. Zur Diskussion steht dabei, ob beispielsweise die Lieferung von Software über das Internet als "Dienstleistung" oder als "Ware" betrachtet wird. Bislang gelten elektronische Übertragungen als Dienstleistungen, was den WTO-Mitgliedsländern mehr Möglichkeiten zur Regulierung gibt.
BSA und ITI sprechen diesen Punkt in ihrem "Weißpapier" nicht direkt an, fordern aber, dass die Minister sich dazu verpflichten sollen, keine Maßnahmen zu ergreifen, die "das Wachstum des globalen E-Commerce begrenzen oder behindern würden." Man müsse erkennen, dass das Internet "einen neuen und einzigen Markt im Cyberspace" geschaffen habe, dass es die "vielversprechendste internationale Handelsentwicklung seit dem Ende der Uruguay-Runde 1992" gewesen sei und "Möglichkeiten großer Verbesserungen für den Lebensstandard, das Wirtschaftswachstum und die Chancen für diejenigen Entwicklungsländer eröffnet, die Handelsbarrieren heruntergesetzt haben." Weil alle, besonders auch die Entwicklungsländer, nur vom globalen Marktplatz auf dem Internet profitieren können, in dem es viel leichter als in der "Offline-Welt" sei, kleine Firmen in einer virtuellen Umgebung zu starten, müssten die Handelsregeln dafür sorgen, dass dieser "unterbrechungslose freie Handel" gewahrt wird. Die USA hätten gezeigt, dass durch freien Wettbewerb und Selbstregulation die IT-Industrie gedeihe, die wiederum zu einer allgemeinen höheren Produktivität und sinkenden Preisen beitrage.
Nach dem Vorbild der USA also wäre eine globale Freihandelszone gewissermaßen eine Garantie für das Wirtschaftswachstum, weswegen es an der Zeit sei, während der Millenniumsrunde eine Grundlage für den Handel in der "neuen digitalen Welt" zu schaffen. Auch wenn die amerikanischen Unternehmensverbände für ihren Verstoß, jede Begrenzung des E-Commerce zu unterlassen, immer wieder darauf hinweisen, dass durch die "E-Commerce Explosion" besonders die Entwicklungsländer profitieren würden, geht es natürlich vor allem darum, durch Liberalisierung die Vormachtstellung der US-amerikanischen Firmen im E-Commerce zu erhalten. Über die Hälfte der Verkäufe der BSA-Mitglieder gehen schließlich ins Ausland.
Ein anderer Punkt ist, dass pünktlich zum Jahrtausendwechsel die Frist für die Entwicklungsländer in der WTO abläuft, das 1995 beschlossene TRIPS-Abkommen über die Sicherung der Rechte am geistigen Eigentum umzusetzen. Die Entwicklungsländer, denen damals eine längere Frist als den anderen Staaten eingeräumt wurde, müssen bis zum 1.1.2000 Gesetze verabschiedet haben, um das geistige Eigentum zu schützen, und Mechanismen eingerichtet haben, um Verstöße strafrechtlich zu verfolgen. Man kann davon ausgehen, dass in Seattle auch über eine Verlängerung der Frist verhandelt wird.