Druckmittel Handelsabkommen gegen Bolsonaro?
Die Energie und Klimawochenschau: Von Freihandel und Waldschutz, neuen Vorschlägen zur CO2-Steuer und den Folgekosten des Straßenverkehrs
Über die verheerenden Waldbrände und die weltweiten Proteste, mit denen die brasilianische Regierung zu einer effektiven Brandbekämpfung und Waldschutzmaßnahmen aufgefordert wird, haben wir an dieser Stelle berichtet. In den Fokus rückt dabei auch das Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten, das Ende Juni ausgehandelt wurde, aber noch von den Mitgliedsstaaten, dem Europäischen Rat und dem EU-Parlament verabschiedet werden müsste, bevor es in Kraft tritt.
Einige EU-Staaten wie Frankreich, Irland und Finnland erwägen nun, über eine Nichtratifizierung des Abkommens Druck auf die brasilianische Regierung auszuüben. Spanien, Großbritannien und Deutschland sprechen sich weiterhin für das Freihandelsabkommen aus und berufen sich auf das im Abkommen enthaltene Nachhaltigkeitskapitel. "In einem eigenen Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung werden Themen wie die nachhaltige Bewirtschaftung und Erhaltung der Wälder, die Achtung der Arbeitnehmerrechte und die Förderung eines verantwortungsvollen unternehmerischen Handelns behandelt", schreibt die Europäische Kommission zu diesem Kapitel.
Im Falle des Verstoßes könnten Vergünstigungen für den Import bestimmter Produkte in die EU temporär ausgesetzt werden, erklärt Christian Russau, Vorstandsmitglied des Dachverbands Kritische Aktionäre. Von Sanktionen nicht betroffen wäre allerdings der (für die europäischen Tierfabriken so wichtige) Import von Sojaschrot, da dieses im EU-Mercosur-Abkommen nicht erwähnt wird und derzeit ohnehin nur mit 4,5 Prozent Importzoll belegt wird. Dabei hat die Ausweitung der Sojaproduktion in Südamerika einen entscheidenden Anteil an der Waldvernichtung und der Vertreibung indigener Waldbewohner, auch ohne Freihandelsabkommen mit Europa. "Es muss dringend ein Boykott gegen das brasilianische Agrarbusiness her. Wenn es um den Klimaschutz geht, müsste dieser konsequenterweise mit einem Boykott gegen die deutsche Kohleverstromung gekoppelt werden, alles andere wäre verlogen", kommentiert Christian Russau die aktuelle Diskussion.
Doch auch wenn es in Deutschland um die Umsetzung des Kohleausstiegs geht, ist längst nicht alles dem Klimaschutz dienlich. So hat das Bundeswirtschaftsministerium einen Referentenentwurf für ein "Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen" vorgelegt. Darin geht es unter anderem um Hilfen und Investitionen in die Kohleregionen als Ausgleich für den Kohleausstieg bis zum Jahr 2038. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) kritisiert viele der in dem Gesetzentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen als klimaschädlich.
Zu den angedachten Förderungen zählten etwa der Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle und der Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen. "Es ist absurd: Statt in die Kohle sollen jetzt Millionen in eine andere klimaschädliche Branche fließen. Der Straßen- und Flugverkehr werden gefördert, obwohl Anwohner und Natur schon jetzt zu stark belastet sind. Dem Bundeswirtschaftsministerium geht es mit dem Gesetz offensichtlich nicht um einen nachhaltigen, klimafreundlichen Strukturwandel in den Kohleregionen", so NABU-Präsident Olaf Tschimpke.
Ein positives Signal sehen der Solarenergieförderverein (SFV) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bei ihrer Klimaklage gegen die Bundesregierung. Das Bundesverfassungsgericht hat nun Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat die Gelegenheit gegeben, bis Mitte November Stellung zu nehmen. "Dies erfolgt normalerweise dann, wenn das Gericht sich mit einer Klage vertieft auseinandersetzen will. Für Menschenrechtsklagen auf einen besseren Umweltschutz ist das eine Premiere und ein großer Erfolg", heißt es in einer Pressemitteilung des BUND.
Die Kläger - ein Bündnis der beiden Verbände und zahlreicher Einzelkläger - berufen sich auf die Grundrechte auf Leben, Gesundheit und Eigentum, die durch den Klimawandel bedroht seien. Die Bundesregierung soll auf juristischem Weg zu ausreichenden Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet werden, um die im Pariser Abkommen vereinbarten Ziele einzuhalten. Bis jetzt reichen die klimapolitischen Maßnahmen in Deutschland nicht aus, um die Erwärmung auf das vereinbarte Maß zu begrenzen.
CO2-Steuer könnte untere Einkommensgruppen entlasten
Dabei fehlt es nicht an wissenschaftlich fundierten Ratschlägen, wie die Regierung ihre Klimapolitik in den Griff bekommen könnte. Einer davon ist die Einführung einer CO2-Steuer, die nicht nur von Umweltverbänden, sondern auch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung oder dem Bundesverband der Deutschen Industrie befürwortet wird. Ob das Klimakabinett eine solche am 20. September in seinen Maßnahmenkatalog aufnehmen wird, ist noch fraglich.
Argumente für eine CO2-Steuer liefert eine neue gemeinsame Studie des Öko-Instituts, der Think-Tanks Agora-Energiewende und Agora-Verkehrswende und der Freien Universität Berlin. Eine CO2-Steuer hätte gegenüber dem jetzigen europäischen Emissionshandelssystem den Vorteil, dass auch die Sektoren Wärme und Verkehr erfasst würden.
Setzt man hingegen auf eine Ausweitung des Emissionshandelssystems auf diese Sektoren, macht die Agora-Energiewende an anderer Stelle deutlich, würde dies zu erheblichen Verzögerungen beim Klimaschutz führen. Es würde mindestens bis zum Jahr 2023 dauern, bis diese Bereiche entweder ins bestehende System integriert werden könnten oder für sie ein neues Emissionshandelssystem aufgebaut werden könnte. "Viel einfacher ist es, das bestehende Energiesteuersystem so zu ändern, dass CO2-Emissionen im Wärme- und Verkehrssektor einen Preis bekommen. Das kann man in drei Monaten schaffen, wie die Ökosteuerreform 1999 gezeigt hat", erklärt der Direktor von Agora-Energiewende, Patrick Graichen.
In erstgenannter Studie zur CO2-Besteuerung geht es aber auch darum, wie zusätzliche Belastungen von Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen vermieden werden könnten. Würde die CO2-Steuer anfänglich 50 Euro pro Tonne betragen, entstünden zwar zunächst Mehrbelastungen, aber:
Durch eine Rückverteilung der Einnahmen mittels einer "Klimaprämie" von 100 Euro pro Kopf und Jahr sowie einer Stromsteuersenkung von rund 2 Cent je Kilowattstunde lassen sich sozial unausgewogene Verteilungswirkungen weitgehend vermeiden. Haushalte mit niedrigem Energieverbrauch werden durch eine solche Reform unterm Strich entlastet, während Haushalte mit hohem Energieverbrauch und Treibhausgasausstoß höhere Kosten zu tragen haben. Untere und mittlere Einkommensgruppen erhalten im Durchschnitt mehr Geld zurück als sie für ihren - vergleichsweise geringen - CO 2 -Ausstoß zahlen.
Die bisherige "Pendlerpauschale" sollte nicht mehr an das zu versteuernde Einkommen gekoppelt werden und damit Besserverdienende stärker entlasten, sondern durch eine einkommensneutrales Mobilitätsgeld von 10 Cent pro Kilometer ersetzt werden. Zudem sollte für weitere Härten ein Ausgleichsfond in Höhe von 300 Millionen Euro aufgesetzt werden.
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Autoverkehr belastet die Allgemeinheit
Der Straßenverkehr belastet jedoch nicht nur über die Maßen das Klima, sondern verursacht auch weitere Folgekosten in Milliardenhöhe. Dies ist das Ergebnis einer von der Allianz pro Schiene in Auftrag gegebenen Studie.
Nach den Berechnungen der Autoren Cuno Bieler und Daniel Sutter vom schweizerischen Infras-Institut verursachte der Verkehr in Deutschland im Jahr 2017 149 Milliarden Euro an externen Kosten, rund 95 Prozent davon entfielen auf den Straßenverkehr. Unter externen Kosten sind solche zu verstehen, die auf die Allgemeinheit oder auf künftige Generationen entfallen und nicht von den Verkehrsteilnehmern selbst getragen werden.
Die externen Kosten sind dabei in den letzten Jahren deutlich gestiegen, in einer Studie aus dem Jahr 2007 wurden sie auf 69 Milliarden Euro weniger beziffert. Allerdings hat sich die Methodik der Berechnung seither verändert.
Aktuell wird die Allgemeinheit am stärksten durch Unfälle belastet (41% der Kosten), Herstellung und Stromproduktion schlagen mit 21 Prozent zu Buche, Klimakosten mit 18 Prozent und Kosten für Natur und Landschaft mit 9 Prozent. Legt man die Kosten auf gefahrene Kilometer um, dann fallen für jeden Autokilometer 10,8 Cent an, bei Bahnfahrten 3,2 Cent. Die Allianz pro Schiene sieht in der Erhebung ein deutliches Argument für die Verkehrsverlagerung auf die Schiene, was allerdings Investitionen in die Verkehrswende erfordern würde.