Dschihadisten: Rückschläge in Syrien
... eine neue Eroberung im Irak, eine unübersichtliche Lage in Afrika und Anschläge in Afghanistan und Pakistan
Medienberichten zufolge hat die syrische Armee eine wichtige Zufahrtsstraße im Norden der ehemaligen Millionenstadt Aleppo unter ihre Kontrolle gebracht. Aleppo wird im Westen von der Regierung und im Osten von der al-Nusra-Front und anderen Rebellengruppen kontrolliert, die zum Großteil dschihadistisch orientiert sind. Mit der Provinz verhält es sich umgekehrt: Hier kontrolliert die Regierung den Osten, während Dschihadisten im Westen herrschen. Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat nun angekündigt, er sei für einen vom UN-Sondergesandten Staffan de Mistura vorgeschlagenen sechswöchigen Probewaffenstillstand offen, während dessen in Aleppo sowohl der Luftwaffen- als auch der Artilleriebeschuss ruhen soll.
150 Kilometer nordöstlich von Aleppo eroberte die kurdische YPG-Miliz nach eigenen Angaben Hunderte von Dörfern in der Umgebung der im Januar befreiten Stadt Kobanê zurück. Nun wird ein Vorstoß in Richtung Tall Abyad erwartet, der größten Stadt in einem Grenzstreifen zur Türkei, den bislang die dschihadistische Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) kontrolliert. Dieser Gebietsstreifen trennt Kobanê vom größten syrischen Kurdenkanton Cizîrê (Qamischli), der an die irakische Kurdenregion grenzt.
Westlich von Kobanê kontrollieren Kalifatskämpfer und andere Dschihadisten einen Grenzgebietsabschnitt zur Türkei, der die befreite Stadt vom dritten syrischen Kurdenkanton Efrîn (Afrin) trennt. Erobern die Kurden beide Gebietsabschnitte, dann könnten sie an der Nordgrenze des Kalifats den Zustrom von ausländischen Dschihadisten stoppen, was der Türkei bislang nicht gelingt. Deshalb wäre solch ein Gebietsgewinn der erste Schritt zu einer effektiven Abriegelung des Kernkalifats, die Voraussetzung für dessen ökonomische und militärische Austrocknung ist.
In anderen Gegenden sind dagegen die Dschihadisten auf dem Vormarsch: Im Irak eroberte der IS die Ortschaft al-Baghdadi, die nur acht Kilometer von der US-amerikanischen Ausbildungsbasis Ain al-Asad entfernt ist. Die Terrorgruppe hatte am Freitag auch diese in der Provinz al-Anbar gelegene Basis mit Selbstmordattentätern angegriffen, war aber zurückgeschlagen worden. Nach der Einnahme von al-Baghdadi sollen 45 Iraker, die von der Terrorgruppe beschuldigt wurden, den Verteidigern der Ortschaft angehört oder mit ihnen zusammengearbeitet zu haben, bei lebendigem Leibe verbrannt worden sein. Um diese (eigentlich vom Koran verbotene) Hinrichtungsmethode zu erlauben, mussten dschihadistische Theologen den wahabitischen Pfad der wörtlichen Auslegung verlassen.
In Libyen beherrscht der IS mittlerweile ganze Küstenabschnitte und kontrolliert den Menschenhandel. In einem neuen Propagandavideo, in dem 21 Christen der Kopf abgeschnitten wird, kündigt die Terrorgruppe Angriffe auf Rom an, das etwa 1.000 Kilometer Luftlinie von der libyschen Küste entfernt liegt. Nach Sizilien sind es nur knapp 500 Kilometer freie Wasserfläche.
Mehr als zweitausend Kilometer südlich verwüstete die salafistische Anti-Bildungs-Sekte Boko Haram in den letzten Tagen nicht nur erstmals eine Ortschaft auf dem Staatsgebiet des Tschad, sondern griff auch Gombe an - die Hauptstadt des gleichnamigen nigerianischen Bundesstaates. Am Dienstag töteten zwei Boko-Haram-Attentäter in der mehrheitlich christlichen Stadt Biu mit Schusswaffen und Sprengsätzen mindestens 36 Menschen, die meisten davon Kinder und Bettler. In der 200.000-Einwohner-Stadt Potiskum im Bundesstaat Yobe sprengte ein Selbstmordattentäter ein Restaurant in die Luft - dabei starben zwei Menschen, 13 weitere wurden verletzt. Auch hier gilt die Terrorgruppe als Urheber, deren Chef Abubakar Shekau in einem erstmals via Twitter verbreiteten neuen Video verlautbart, die auf den 28. März verschobenen Wahlen in Nigeria dauerhaft verhindern zu wollen.
An anderen Orten meldeten die Gegner von Boko Haram Erfolge: Die nigerianische Armee will nach eigenen Angaben am Montag die 100.000-Einwohner-Stadt Monguno zurückerobert haben, Kamerun meldet, dass nach Gefechten in Gnam-Gnam bei Waza auf einen toten Soldaten mehr als zwanzig tote Terroristen kommen, und der Polizeisprecher der Republik Niger berichtet von 160 Festnahmen in der umkämpften Region Diffa.
In Afghanistan töteten dschihadistische Taliban in Polizeiuniformen gestern bei einem Angriff auf eine Polizeikantine in Pul-e-Alam mindestens 20 Menschen, in Kandahar kamen bei einem ähnlichen Anschlag mindestens sechs Menschen ums Leben und in Pakistan starben mindestens fünf Unschuldige, als sich ein Selbstmordattentäter in die Luft sprengte.
Letzte Woche waren dort mindestens 24 Menschen ums Leben gekommen, als dschihadistische Taliban eine schiitische Moschee mit Schusswaffen, Granaten und Selbstmordattentätern überfielen. Außerdem fand man am Dienstag die Leichen von vier am Wochenende ermordeten Impfhelfern, die im Westen des Landes die Kinderlähmung bekämpfen wollen.
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