Du musst sie dazu bringen, den Raum zu verlassen
Über David Finchers Film "Panic Room"
Am 11. September bezweifelten die Sicherheitsexperten, ob der "Ultimate Panic Room" im Weißen Haus genügend Schutz bieten würde. Sie flogen George W. Bush auf einen Luftwaffenstützpunkt. Vor zehn Jahren wurden in den USA im Jahr durchschnittlich zehn "Panic Rooms" gebaut, heute sind es 60 Stück pro Jahr. Diese Schutzräume sind für alle Eventualitäten ausgerüstet: mit Duschen, Toiletten, mitunter einer Kücheneinrichtung.
Meg Altman (Jodie Foster) ist frisch geschieden, verunsichert, verstört, ihre Tochter (Kristen Stewart) schwer zuckerkrank. Wenn David Fincher im Vorspann zu Panic Room die Namen der Hauptdarsteller und Crew auf die Gebäudezeilen von Manhattan projiziert, so entsteht in diesem Gewirr von unterschiedlichen Kamerawinkeln eine Unüberschaubarkeit und Unordnung, die Megs Verfassung wieder spiegelt: Diese junge steinreiche Frau sucht mit ihrer Tochter nur Ruhe und Sicherheit.
Das luxuriöse Stadthaus an der Westseite des Central Parks scheint dieses Bedürfnis nach Rückzug ideal zu befriedigen: wunderschön, ein Traum in drei Stockwerken und absolut sicher, denn oben im dritten Stock befindet sich der von allen Seiten mit Stahl abgeschottete "panic room"; in ihm nicht nur Notrationen, eine sichere Telefonleitung nach außen, sondern auch die Monitore der Überwachungskameras, die das ganze Haus bestücken. Doch schon in der Nacht des Einzugs wird der hermetisch abgeriegelte Schutzraum zum Gefängnis: Drei Einbrecher dringen schwer bewaffnet in Megs Schutzburg ein, und erst im letzten Moment können sich Mutter und Tochter in den "panic room" retten. Nur ist das Ziel der Einbrecher genau da; hier verbirgt sich das Millionenvermögen des Vorbesitzers.
Was sich nun in "Panic Room" als Katz- und Mausspiel bis zum blutigen Showdown entfaltet, ist ein Stück Genrekino (Angreifer werden von Verteidigern besiegt), oder - unter anderem Blickwinkel - eine psycho-emotionale Höllenfahrt, an deren Ende der Verlust einer fundamentalen Illusion steht. Man könnte auch - natürlich der zweiten Lesart folgend - sagen: In "Panic Room" hält David Fincher einmal mehr unserer Lebenswelt den Zerrspiegel vor.
Das Verstörende an diesem Film ist der Wandel, den Jodie Foster in der Rolle der Meg durchmacht. Das Böse dringt ein, von Außen nach Innen. Und hier trifft es, wie David Fincher dann präzise erzählt, auf etwas extrem Gewalttätiges: Meg wandelt sich nämlich - überzeugend, wenn auch überraschend - von einer verschüchterten, ängstlichen Metropolenbewohnerin zu einer gnadenlosen, nachgerade blutrünstigen Kämpferin, zu einem - wenn man so will - Monster. Wie in "Alien 4", "Se7ven", "The Game" oder "The Fight Club" erzählt Fincher davon in extrem gewalttätigen Bildern.
"Panic Room" ist David Finchers Metapher auf moderne Unsicherheits-Welten: In unseren Stadtgefängnissen verfallen wir der Unlebendigkeit; in unseren inneren "panic rooms" wachsen Dämonen, die, einmal freigelassen, ein blutiges Gemetzel entfachen ... müssen.
Neben dem Vorspann gibt es nur noch eine Szene "Panic Room", die nicht im Haus spielt. Am Ende liegen Meg und ihre Tochter auf einer Bank im Central Park. Nicht gerade ein sicherer Ort. Doch Meg und Sarah sind ganz entspannt. Vielleicht hat Meg eine Bildungsreise - blutig, wie immer bei Fincher - unternommen; vielleicht weiß sie am Ende, dass die Illusion der Sicherheit tödlicher sein kann als die Realität der Unsicherheit.
P. S. Die gute Nachricht zu mobilen "panic rooms" zum Schluss: Mercedes bietet Autos an, in denen ein paar Sekunden, nachdem man den Schlüssel ins Zündschloss gesteckt hat, die Zentralverriegelung automatisch die Türen verschließt.