Dürfen Wissenschaftler Politiker zum Rücktritt auffordern?
Afrikaforscher stehen wegen Kritik an Günther Nooke unter Druck
"Was darf ein Politiker heute eigentlich noch sagen, ohne am Rassismus-Pranger zu landen?" Solche Fragen stellen Rechtspopulisten aller Couleur. Zu solchen Fragestellern gehörte der B.Z-Kolumnist Gunnar Schupelius bereits, als es die AfD noch gar nicht ab. Sein Lieblingsfeindbild sind Linke aller Couleur, Feministinnen und sogenannte abgehobene Geisteswissenschaftler, wenn sie sich noch dazu politisch äußern.
Dazu zählt für ihn natürlich auch der Fachverband Afrikanistik, eine Gruppe von Afrikawissenschaftlern, die das Afrikabild des Sonderbeauftragen der Bundesregierung, Günther Nooke, kritisiert und seinen Rücktritt gefordert hatten. Entzündet hatte sich die Kontroverse an einem B.Z.-Interview von Günther Nooke vor einigen Monaten.
Nach Ansicht der Afrikaforscher habe er damit Stereotypen über Afrika bedient, was Jürgen Zimmerer, einer der Unterzeichner der Erklärung, in einem Taz-Beitrag weiter begründete. Dabei erläutert Zimmerer, dass es bei der Debatte nicht um die Vergangenheit, sondern die aktuelle Politik geht.
Nooke geht es nicht (nur) um Geschichte: Für seine Idee, exterritoriale Pachtzonen in Afrika für die Rückführung Geflüchteter zu errichten, muss Invasion und Massenraubmord der Vergangenheit vom Stigma befreit werden. Vergangenheit wird umgeschrieben, um der Gegenwart zu dienen. Dafür wärmt er, mit allen kolonialistischen Stereotypen, die Mär von der Zivilisationsmission wieder auf: Als Vorteil für die Kolonisierten wird ausgegeben, was den Kolonisierern nutzt.
Jürgen Zimmerer, Taz
Wie Recht Zimmerer und die anderen Kritiker mit dieser Einschätzung hatten, zeigte sich bei einem zweistündigen Gespräch, das Nooke mit einer Delegation der kritischen Afrikaforscher am vergangenen Mittwoch in den Räumen des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit führte.
Nooke hatte dazu eingeladen. Er verwahrte sich pflichtschuldig gegen den Vorwurf des Rassismus und ging dann auf die afrikapolitischen Visionen ein, die eben vor allem in der Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen und der Stärkung von feudalen Strukturen beispielsweise in Kamerun bestand.
Sonderwirtschaftszonen statt Kolonialismuskritik
Dann lotete Nooke noch aus, ob einige der Wissenschaftler zur wissenschaftlichen Expertise für das BMZ taugen. Die mussten mehrmals betonen, dass ihre Forschungsgegenstände nicht in der Wirtschaftsförderung liegen. Immer wieder verteilte Nooke Spitzen gegen zu abgehobene Wissenschaftler, die sich mehr mit der Realität vertraut machen sollen.
Nooke und das Ministerium sind natürlich mehr an Wissenschaftlern interessiert, die die Einrichtung der Sonderwirtschaftszonen begleiten als an Kolonialismuskritikern. Prompt kam dann auch die Bemerkung, dass es auch noch andere Afrikawissenschaftler gäbe. Nur wissen die kritischen Wissenschaftler, dass sie auf ihrem Fachgebiet eine Minderheit sind.
Am Ende kam der Eklat
Nun waren die zwei Stunden fast zu Ende und dann holte Nooke ein Schreiben raus, auf dem eine vorformulierte Erklärung zu dem Treffen stand. Dort sollten die Wissenschaftler festhalten, dass sie ihn von jeden Rassismusverdacht freisprechen. Nur haben sie nie einen pauschalen Rassismusvorwurf gegen ihn erhoben, sondern kritisiert, dass in dem Interview kolonialrevisionistische Formulierungen enthalten sind.
Als klar war, dass es die gemeinsame Erklärung nicht geben wird, übergab Nooke der Leiterin der Delegation, der Vorstandsvorsitzenden des Fachverbands Afrikanistik Raja Kramer, ein juristisches Gutachten, das auch dem Dekan der Hamburger Universität zugehen soll, an der Kramer als Juniorprofessorin arbeitet.
Die anwesenden Wissenschaftler empfanden dieses Vorgehen als Einschüchterung. "Ich dachte, Majestätsbeleidigung gibt es heute nicht mehr", sagte eine der Wissenschaftlerinnen. Sie kritisierte auch, dass das Gutachten vom Direktor des Instituts für kulturelle Infrastruktur Sachsen, Matthias Vogt, verfasst wurde. Der Nooke-Vertraute war für das Gespräch als neutraler Moderator ausgesucht worden.
Die Wissenschaftler fühlen sich hintergangen, als sie erfuhren, dass Vogt bereits vorher ein Gutachten gegen die Kritiker formuliert hat. Kritik an dem Gespräch übte auch Tahri Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland. Er hatte gehofft, dass Nooke sich von den inkriminierten Passagen des Interviews distanziert. Stattdessen hat er sie aber bekräftigt.