E-Scooter: Dynamischer Klimaschutz oder Müllhorror?

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Volksabstimmung: Paris lässt Leihroller sterben. Weitere Abstimmungen über Fragen, die "das tägliche Leben betreffen", sollen folgen.

Andreas Scheuer (CSU) war als Verkehrsminister (bis Dezember 2021) ein Mann mit – zum Teil für Steuerzahler ziemlich teuren - Visionen. 2019 sah er großes Potenzial in den Elektro-Rollern, um die Verkehrswende anzuschieben. Für eine umweltfreundliche Mobilität in deutschen Städten.

Seiner Vorstellung nach könnten die E-Scooter für die "letzte Meile" von den Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel zum Arbeitsplatz oder nach Hause genutzt werden.

[Einfügung – dafür gibt es auch aktuell Zustimmung:

"Wenn ich an meinem Heimat-S-Bahnhof in Berlin ankomme, passiert oft genau das: Der Bus, der mich bis in die Nähe meiner Haustür bringen könnte, ist gerade abgefahren. Der nächste fährt in 20 Minuten. Was also tun? Laufen ist gesund, kostet aber Zeit, die man nicht immer hat oder investieren möchte. Doch es gibt eine Lösung: Ein E-Scooter steht bereit. Schnell und unkompliziert angemietet, bringt er mich, anders als der Bus, genau vor meine Haustür. Dort kann ich ihn einfach abstellen. Lange steht er dort in der Regel nicht – wie ich sind auch andere offenbar froh, einen Roller fahrbereit vor dem Haus stehen zu haben." Kai Stoppel, ntv]

In Paris, so wird berichtet, sind die E-Scooter besonders bei Touristen beliebt, von einer smarten, umweltfreundlichen Mobilitätswende bei Arbeitnehmern durch die Roller hat man wenig gehört. Stattdessen überwogen augenscheinlich die Ärgernisse.

Fast 90 Prozent der Bewohner stimmten gestern bei einem Referendum gegen die Fortführung des Verleihs dieser Verkehrsmittel. Die drei Verleihfirmen müssen nun bis zum 1. September 15.000 E-Roller in der französischen Hauptstadt einsammeln. Bis dahin müssen sie von den öffentlichen Straßen verschwunden sein. Private Besitzer dürfen die Scooter weiter benutzen.

Das Interesse an dem Referendum, das sich zu einem "Plebiszit gegen die E-Roller" (Le Monde) entwickelte, war nicht groß. Nur gut sieben Prozent gingen in die dafür vorgesehenen Wahllokale, eine elektronische Stimmabgabe war nicht vorgesehen.

In Paris gab es zuletzt wichtigere politische Probleme und das große Müllproblem, das allmählich beseitigt wird, lag nicht an irgendwo liegen gelassenen Rollern, eine sehr bequeme und spontane Umsetzung des "Free-Floating", die immer wieder für Unmut sorgte.

"Die Roller standen quer auf Bürgersteigen, steckten in Büschen und wurden reihenweise voller Algen aus der Seine gefischt", wie die SZ beobachtet. Bürgermeisterin Anne Hidalgo hatte sich schon früh gegen eine "Wegwerfmentalität" ausgesprochen, die sie mit diesem Verkehrswendemittel verband.

Bemerkenswert an der Abstimmung ist, dass Paris als Pionierstadt für E-Scooter galt:

Paris war eine der ersten europäischen Großstädte, die die E-Scooter einführte. Nun ist Paris die erste von ihnen, die die Leihroller der Marken Lime, Dott und Co. wieder verbieten will.

SZ

"Weckruf"

Im fernen München hörte Oberbürgermeister Reiter jetzt einen Weckruf aus Paris. Das Abstimmungsergebnis überrasche ihn nicht besonders, da ihn täglich Beschwerden über gefährlich geparkte E-Scooter und gefährlich fahrende E-Scooter-Lenkerinnen und -Lenker erreichen würden.

Auch in Brüssel macht man sich, inspiriert durch Paris, offenbar Gedanken über ein Verleih-Verbot.

Politisch bemerkenswert ist darüber hinaus, dass Anne Hidalgo, angetan vom Ergebnis dieses Referendums, ankündigte, weitere Abstimmungen über Fragen, die "das tägliche Leben in Paris betreffen", abzuhalten – regelmäßig: "jedes Jahr im Frühjahr".

Das ist ein interessanter Frühlingsgruß, da bekannt ist, wie sehr sich die französische Regierung in Paris gegen solche Befragungen sträubt. Das Wort "Referendum" gehört nicht zum Lieblingsvokabular des Rhetorikers Macron. Selbst in der gerade erfolgten Abstimmung, deren Ergebnis keine Überraschung war, verfolgte die Partei Macrons einen anderen Kurs.

"Wir können uns in Zeiten des ökologischen Übergangs nicht den Luxus leisten, ganz auf die eine oder andere Verkehrsart zu verzichten. Um den Stellenwert des Autos in unserem Leben zu verringern, können die Trottinettes (E-Scooter, Einf. d. A.) ein Werkzeug sein", wird Clément Beaune, beigeordneter Minister für Verkehr im Umweltministerium, zitiert.

Ein Mann mit Visionen?