ENFOPOL: Grüne fordern Transparenz
Rechtsstaatliche Kontrolle muß gewährleistet sein.
Grenzüberschreitendes Abhören stößt auch bei den Grünen auf Gegenliebe - jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen: Mehr Transparenz durch effektivere Kontrolle von Geheimdiensten und Strafverfolgungsbehörden. Ein Telepolis-Interview mit dem bündnisgrünen Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele.
Die Enfopol-Papiere des EU-Rates haben in Europa für Aufsehen gesorgt. Was halten Sie von den Plänen?
Christian Ströbele: Eine europaweite Kommunikations-Überwachung darf in der vorgesehenen Form aus mehreren Gründen nicht geregelt werden. Das Vorhaben der Polizeiexperten stellt nicht nur Datensicherheit sondern auch Rechtsstaatlichkeit in Frage. Zudem wird es die Netzbetreiber mit hohen Kosten belasten, während mehr Sicherheit vor Kriminalität dadurch wahrscheinlich nicht erreicht wird. Hinzu kommt, daß die vorgesehenen "Hintertüren" in den Kommunikationsnetzen außer von Sicherheitsbehörden auch durch Dritte zum Ausspähen von Geheimnissen genutzt werden können. Kritisch ist auch, daß im deutschen Rechtssystem gewohnte Verfahrenssicherungen nicht vorgesehen sind. Aus diesen Gründen müssen die deutschen Innen- und Justizministerien eine Entschärfung dieser Entwürfe verlangen, bevor diese wie geplant zu globalen Standards werden.
Unter welchen Voraussetzungen sollte die grenzüberschreitende Überwachung von Telekommunikation und Internet legal sein können?
Christian Ströbele: Voraussetzung sollte sein, daß verbindliche Mindeststandards in einem transparenten Verfahren unter Teilhabe der Öffentlichkeit und der betroffenen Parlamente diskutiert und beschlossen werden müssen. Dazu gehört, daß eine Kommunikationsüberwachung - anders als derzeit - nur mit Zustimmung des Zielstaats nach ausreichender Information über deren Anlaß, Betroffene und Umfang durchgeführt werden darf. Als Anlaß sollten nicht alle möglichen Delikte oder gar geheimdienstliche Zwecke dienen, sondern nur bestimmte schwerer Straftaten bei hinreichendem Verdacht. Auf Verlangen des Zielstaats muß die Maßnahme abgebrochen und gegebenenfalls. die Verwertung der erlangten Informationen beschränkt werden. Nach Beendigung der Überwachung müssen die Betroffenen benachrichtigt werden, die über sie erlangten Erkenntnisse einsehen und die Maßnahme gerichtlich überprüfen lassen können.
Wie sollte Ihrer Meinung nach die Kontrolle von Strafverfolgern und Geheimdiensten aussehen?
Christian Ströbele: Nicht nur bezüglich der Kommunikationsüberwachung, sondern jeglicher Tätigkeit von Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendiensten sollte eine intensive demokratische, justitielle und parlamentarische Kontrolle gewährleistet werden. Durch kritische Öffentlichkeit und Medien, Datenschützer, unabhängige Gerichte und Abgeordnete mit hinreichenden Überprüfungsrechten. Ebenso wie die Tätigkeit der fraglichen Behörden müssen auch die Kontrollmöglichkeiten und -instanzen stärker international vernetzt werden. Angesichts wachsender EU-Kompetenzen müssen auch die Kontrollbefugnisse des Europäischen Parlaments gestärkt werden.
In Deutschland soll jetzt laut Koalitionsvertrag die parlamentarische Kontrolle nicht wie bisher auf verschiedene Gremien verteilt, sondern in einem Gremium konzentriert werden. Das Bundesinnenministerium bezeichnete dies jedoch als nicht verfassungsgemäß und sträubt sich gegen jede Veränderung des Status Quo. Wie wollen Sie eine effektive Kontrolle realisieren, wenn die Widerstände allein in Deutschland nur schwer zu überwinden sind?
Christian Ströbele: Die parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des Bundestages pflegt bereits heute einen regen Erfahrungsaustausch mit Partner-Gremien inner- und außerhalb der EU. Die Gremien der verschiedenden Staaten sollten aber auch bei Kontrollen bestimmter grenzüberschreitender Behördenmaßnahmen noch enger zusammenarbeiten. Hierdurch sowie durch die Zusammenfassung parallel arbeitender Kontrollgremien in den Staaten lassen sich Synergiewirkungen erzielen, die durch einen Ausbau der konkreten Überprüfungsbefugnisse flankiert werden sollten. Ein korrekt arbeitender Dienst braucht effektive Kontrollen nicht zu scheuen, sondern kann dadurch eher an Legitimation gewinnen.