EU-Flüchtlingsdeal mit Libyen: Auffanglager und "Inhaftierungszentren"
Italienroute: de Maizière verkündet, dass eine gesamteuropäische Lösung noch "ein paar Tage Zeit" brauche. Ein geleaktes Papier des Auswärtigen Dienstes der EU verweist auf künftige Härten
Der Streit über Österreichs Grenzpolitik - von der die deutsche Regierung profitierte -, nur "Schmäh von gestern"? Heute trafen sich die beiden Innenminister, der deutsche de Maizière und sein österreichischer Kollege Wolfgang Sobotka, in Potsdam. In Medienberichten ist nichts mehr von deutschen Vorhaltungen gegen "nationale Alleingänge" zu lesen. Im Gegenteil, nun herrscht Einvernehmen: "Gemeinsam mit de Maizière machte der Sobotka Druck auf Rom", berichtet die Tagesschau vom Treffen.
Österreich steht unter Kritik aus Rom, weil die Wiener Regierung für den Übergang am Brenner ein verschärftes "Grenzmanagement" vorbereitet. In den Augen der Regierung in Rom ist auch das ein nationaler Alleingang, gegen die europäischen Spielregeln (und deutsche Auto- und Lastwagenfahrer sind auch nicht begeistert - Italien-Route: Österreich riegelt ab).
Eine "italienische Aufgabe"
Doch de Maizère stellt sich diesmal ganz hinter die österreichische Sicht der Dinge: "Was am Brenner geschieht, liegt zuallererst und vordringlich in der Hand Italiens", wird er zitiert und damit, dass er die Auffassung Österreichs teile, dass nicht wieder eine "Politik des Durchwinkens" gemacht werden dürfe, "weil diese Politik die Flüchtlinge dazu bringen könne, sich auf den Weg Richtung Norden zu machen". Es sei eine "italienische Aufgabe", eine neue solche Flüchtlingsbewegung zu verhindern. Dazu müssten die italienischen Behörden ihrerseits die Kontrollen an den EU-Binnengrenzen verstärken, "auch vorab des hoch sensiblen Brenners".
Die Balkanroute sei erledigt, so de Maizière. Jetzt befürchtet man die Italien-Route. Der österreichische Innenminister tischte erneut die eindrucksvollen Zahlen auf, die stets genannt werden, wenn es um die Italienroute geht. Schätzungsweise zwischen 200.000 und einer Million würden auf die Gelegenheit warten, über das Meer zu setzen, um nach Italien und damit in die EU zu gelangen. Genau weiß das keiner.
Nett ist, dass es diesmal der österreichische Regierungsvertreter ist, der erklärt, dass man eine europäische Gesamtlösung brauche. De Maizière entgegnete, dass dafür noch "ein paar Tage Zeit" brauche. Womit er Empathie dafür zeigte, dass Sobotka bis zur gesamteuropäischen Lösung nationale Vorsorge trifft. Der Zaun am Brenner werde ja auch erst eingehängt, wenn der Notfall eintreffe.
Lagebild in Libyen: Konsequenter Mangel an Klarheit
Wie die europäische Gesamtlösung konkret aussieht, steht so wenig fest wie die Einheitsregierung in Libyen, von deren Zustimmung alles abhängt. Es wird weiter darauf gedrängt, dass sie nun endlich vom Parlament im Osten des Landes, dem Repräsentantenhaus anerkannt wird und volle Legitimität hat. Der Streit darüber hält an.
Die Kanzlerin hätte gerne ein Abkommen mit der libyschen Regierung nach Art des Türkei-Abkommens (Flüchtlingsabkommen mit Libyen nach Vorbild des EU-Türkei-Pakts). Dass dies auch eine militärische Note hat, berichtete zuletzt auch die Washington Post. Die Nato soll die EU dabei unterstützen, mit Kriegsschiffen, die mit Zustimmung der libyschen Regierung deren Hoheitsgewässer befahren dürfen, Flüchtlinge rechtzeitig abzufangen.
Der AFP und dem Spiegel ist nun ein Dokument vom Auswärtigen Dienst der EU zugespielt worden, in dem Möglichkeiten der EU für eine Zusammenarbeit und Stärkung der Einheitsregierung in Libyen erörtert werden. Das Papier sieht vor, dass die EU-Marinemission "Sophia" eine Rolle "beim Aufbau der libyschen Küstenwache und Marine" spielen soll. Es bestätigt, dass allerdings niemand ein klares Lagebild aus dem Land habe, "vielmehr herrsche ‚konsequenter Mangel an Klarheit‘, welche Schlüsselinfrastrukturen vorhanden sind und welche Fähigkeiten die libyschen Behörden besitzen".
Inmitten der Unklarheiten sticht ein Vorschlag hervor, der kommende Härten aufzeigt. So denkt man daran, dass libysche Behörden vorübergehende Auffanglager für Migranten und Flüchtlinge unterhalten soll - mit dem Zusatz, dass man "dabei auch über Inhaftierungseinrichtungen nachdenken muss".