EU-Gentechnikkonferenz: "Viele offene Punkte..."

EU-Kommissar Stavros Dimas räumt Verbesserungsbedarf bei der Sicherheitsprüfung gentechnisch veränderter Futter- und Lebensmittel ein

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Zwei Tage lang diskutierten 700 Experten über Fragen der Koexistenz zwischen biologischer, konventioneller und Gentech-Landwirtschaft bei einer EU-Konferenz - der ersten, die überhaupt von der Europäischen Kommission jemals zu diesem Thema veranstaltet wurde. Titel: Freedom of Choice“ – Freiheit der Wahl. Konkrete Ergebnisse gab es nicht. Aufhorchen ließ allerdings EU-Umweltkommissar Stavros Dimas, der Schwachstellen bei der Beurteilungspraxis von GVO durch die umstrittene EFSA (European Food Safety Authority) ortete. Während Österreich große Skepsis gegenüber der Möglichkeit „des friedlichen Nebeneinanders“ an den Tag legt, betonten offizielle Vertreter Dänemarks und Deutschlands, dass sie Koexistenz für realisierbar halten.

Proteste gegen die Gentechnik. Foto: Gisela Karl

Vor den Toren der Konferenz protestierten am Mittwoch zahlreiche Vertreter der inzwischen über 40 gentech-freien Regionen Europas und anderer kritischer Organisationen, die am liebsten gar keine Gentechnik auf Europas Äckern sehen möchten. Sie halten ein friedliches Nebeneinander ohne Verunreinigungen für nicht möglich. „Ein bisserl Gentechnik gibt’s eben nicht, es geht um Ja oder Nein“, so die Überzeugung vieler Gegner. Nicht von ungefähr begrüßte ein Sprecher dann auch scherzhaft die zur Demo „angereisten Bienen“. Gerade Imker positionieren sich ganz stark gegen Gentechnik, da sie Verunreinigungen ihres Honigs befürchten.

Auf der Konferenz selbst ging es aber nicht um das „Ja“ oder „Nein“ sondern das „Wie“. Das Ergebnis: „Nach zwei Tagen intensiver Beratung ist klar geworden, wie viele offene Punkte es noch gibt“, resümierte der derzeitige EU-Umweltminister Josef Pröll zum Abschluss der Konferenz.

Zumindest in einem Punkt gab es Einigkeit bei allen Beteiligten, nämlich, dass die EU baldigst einen Schwellenwert für Saatgut festlegen sollte. In dieser überaus wichtigen Frage herrscht seit Jahren ein Tauziehen. Vertreter der Saatgutindustrie plädieren für Toleranzwerte von bis zu 0,9 Prozent für Gentech-Verunreinigungen, Vertreter des Biolandbaus aber auch Konsumentenschützer lehnen das kategorisch ab. Sie wollen Nulltoleranz. Probleme bei niedrigen Schwellenwerten räumte ein Vertreter der EFSA ein. In einer Presseaussendung heißt es dazu: „Bei Werten von 0,1 % oder 0,3 % seien aufwändigere Trennungsmethoden oder gar eigene Zonen für die Saatgutproduktion erforderlich. Infolgedessen müssten auch die Landwirte mehr bezahlen. Dies würde wiederum die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Agrarproduktion schwächen.“ Höhere Schwellenwerte, hieße aber, den Landwirten und Verbrauchern „Sand in die Augen zu streuen“, meinen hingegen Kritiker. Vielmehr zeige die Problematik, dass sich Gentech-Anbau bei strengen, korrekten Reglungen nicht rechnen würde beziehungsweise überhaupt nicht machbar sei.

"Koexistenz zu sichern, ist möglich. Das erfordert allerdings eine gründliche Vorbereitungsarbeit, sowohl fachlich als auch politisch", gaben sich hingegen Hans-Christian Schmidt, dänischer Minister für Lebensmittel, Landwirtschaft und Fischerei, und Gerd Müller, Staatssekretär im Deutschen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz optimistisch. Dänemark hat bereits 2004 ein Koexistenzgesetz beschlossen und einen Kompensationsfonds für etwaige Schäden eingerichtet. Außerdem wurden Abstandsregelungen für Mais, Rüben und Kartoffeln festgelegt. "Die dänischen Untersuchungen zeigen, dass es Nutzpflanzen gibt - wie etwa Graskulturen -, bei denen es schwierig ist, Regulierungsmaßnahmen aufzustellen. Das gilt beispielsweise für Raps, Gräser und Klee“, räumte Schmidt ein. Interessanter Nachsatz des Ministers, bis dato gebe es aber keine Gentech-Pflanzen in der heimischen Landwirtschaft, "vermutlich, weil die bisher in der EU zugelassenen Pflanzen für die dänischen Landwirte wirtschaftlich uninteressant sind."

BM Pröll (l.), EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel (m.) und Umweltkommissar Stavros Dimas (r.) bei der Pressekonferenz. Foto: Lebensministerium.at

Aufhorchen ließ EU-Umweltkommissar Stavros Dimas. Auf eine Pressekonferenz sagte er, dass ein externer Bericht Schwächen bei der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aufgezeigt hätte. Die junge Behörde wird von Gentech-Kritikern mit Argwohn beäugt, zumal die Bewertungspraxis als zu industriefreundlich gilt und etliche Mitglieder des GVO-Panels nicht unabhängig wären. Dimas konkretisierte seine Bedenken noch in einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“:

Da ist in der Tat einiges zu tun. Eine unabhängige Untersuchung der Efsa Ende des Vorjahres hat eine Reihe von Schwachstellen ergeben. Beispielsweise, dass die eingereichten Produkte auf Basis der Angaben gemacht werden, die von der Gentechnik-Industrie kommen, und abweichende Ansichten dabei nicht in Betracht gezogen werden. Die Efsa ist jetzt dabei, Vorschläge für eine Verbesserung zu erarbeiten.

Fazit: Die Konferenz ist Ausgangspunkt für weitere Debatten. Und die Kritiker mobilisieren bereits zu weiteren Protestaktionen. Samstag, 8. April, wurde zum Internationalen Tag des Widerstands gegen GMOs, erklärt. An der Kölner Universität findet aus diesem Anlass eine Übertragung der ersten internationalen Videokonferenz von Experten und Expertinnen aus allen Erdteilen zum Widerstand gegen genmanipulierte Organismen (GMO) statt.

In der Telepolis-Buchreihe ist von Brigitte Zarzer vor kurzem erschienen: Einfach GEN:ial. Die grüne Gentechnik.