EU-Kommission lehnt italienischen Haushaltsentwurf ab
Die Regierung in Rom hat einem Bericht der Zeitung Il Messagero nach einen "Plan B" für den Fall, dass die Zinsen unerwartet stark steigen
Gestern Nachmittag wies die EU-Kommission den Einwurf der italienischen Regierung für den Haushalt des Jahres 2019 zurück. Jean-Claude Junckers Stellvertreter Valdis Dombrovskis begründete die Ablehnung damit, dass die seit Juni amtierende neue italienische Regierung damit gegen "Verpflichtungen" und "Zusagen" stelle, die ihre Vorgänger eingegangen seien. Außerdem, so der Lette, wolle sie mit dem Entwurf "Schulden mit mehr Schulden bekämpfen", was "ab einem gewissen Punkt zu zu vielen Schulden" führe.
Die italienische Regierung hat nun drei Wochen Zeit, einen neuen Entwurf einzureichen, den Brüssel anschließend weitere drei Wochen prüfen darf. Kommt es dabei zu keiner Einigung, kann sie ein Defizitverfahren einleiten, das bußgeldbewehrt ist und eine Kürzung von Strukturbeihilfen erlaubt. Das höchstmögliche Bußgeld beträgt 0,2 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, was beim aktuellen Stand etwa 3,4 Milliarden Euro wären. Dass so ein Bußgeld tatsächlich verhängt wird, gilt jedoch nicht nur deshalb als unwahrscheinlich, weil das die EU-Kommission 2016 bei Spanien und Portugal nicht machte, sondern auch, weil Italien Entscheidungen mit Einstimmigkeitserfordernis blockieren und so Druck ausüben kann.
Bis 2015 zählte man insgesamt 156 Haushaltsregelverstöße aus verschiedenen EU-Mitgliedsländern, ohne dass die Kommission so reagiert hätte, wie jetzt bei Italien
Am Montag hatte die italienische Regierung der EU-Kommission bei ihrer Gelegenheit zum rechtlichen Gehör erläutert, dass sie ihren von Brüssel kritisierten Entwurf für den Haushalt 2019 der Wirtschaftsbelebung wegen für "notwendig" hält und ihn deshalb unverändert lassen will. Der Entwurf sieht eine Neuverschuldung in Höhe von maximal 2,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts vor - 1,6 Prozentpunkte mehr, als die sozialdemokratische Vorgängerregierung des aktuellen italienischen Kabinetts aus Lega und M5S in Brüssel versprochen hatte.
2,4 Prozent Neuverschuldung liegen zwar unterhalb der jährlich von Brüssel erlaubten drei Prozent, vergrößern aber die Gesamtverschuldung Italiens, die mit 132 Prozent der Wirtschaftsleistung 72 Punkte über dem dort angesetzten Höchstwert von 60 Prozent liegt. Den überschritten allerdings auch die deutschen Regierungen Schröder und Merkel von 2002 bis 2017. Sie waren damit bei weitem nicht alleine: Alleine bis 2015 zählte man insgesamt 156 Haushaltsregelverstöße aus verschiedenen EU-Mitgliedsländern, ohne dass die Kommission so reagiert hätte, wie jetzt bei Italien.
Salvini: "Juncker? Auf den hört doch wirklich keiner mehr."
Der Schätzung des Lega-Chefs und italienischen Innenministers Matteo Salvini wird die Zurückweisung des Haushaltsentwurfs durch die EU die Zahl der "Euroskeptiker" unter den Italienern auf 70 Prozent ansteigen lassen, wie er der deutschen Tageszeitung Die Welt sagte. Der verriet er außerdem seine Meinung über den nur noch bis Mai amtierenden EU-Kommissart: "Juncker? Auf den hört doch wirklich keiner mehr."
Salvini stelle sich zwar "für sich und [s]eine Kinder schon eine Zukunft in Europa vor" - aber nicht in diesem". Ob er selbst als Kandidat einer transnationalen "Freiheitsfront" für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten kandidiert, hat der Lega-Chef noch nicht entschieden (vgl. Weltwirtschaftliches Wirken der EU, Parteienstaat und Ethnogenese). Dass er in der Lage ist, auch Wähler anzusprechen, die keine ethnischen Italiener sind, bewies am Sonntag die Südtiroler Landtagswahl, wo er das schaffte, was vorher niemand für möglich hielt: Dass deutschsprachige Südtiroler plötzlich in großer Zahl für eine italienische Partei stimmen (vgl. Südtirol: Lega vervierfacht Ergebnis).
Angeblicher "Plan B" für den Fall, dass die Zinsen unerwartet stark steigen
Der französische EU-Währungskommissar Pierre Moscovici verlautbarte gestern im Radiosender France Inter, er hoffe weiter auf eine gütliche Einigung. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz meinte dagegen, sein Land sei "nicht bereit, für die Schulden anderer Staaten geradezustehen, während diese Staaten die Verunsicherung der Märkte bewusst in Kauf nehmen".
Einem unbestätigten Bericht der Zeitung Il Messagero nach sorgt sich die italienische Regierung um diese Märkte mehr als um die EU-Kommission in Brüssel und hat für den Fall, dass die bei 3,5 Prozent liegenden Zinsen für italienische Staatsanleiherenditen unerwartet stark steigen, einen geheimen "Plan B" vorbereitet. Der soll unter anderem einen teilweisen Rücktritt von der Rücknahme der sozialdemokratischen Rentenreform und eine Kürzung der neu eingeführten Mindestsicherung für arbeitswillige Arbeitslose vorsehen.
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