EXPO-Unterbringung mit Highlights

Zur Weltausstellung können Jugendliche in einer Pipeline übernachten

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Schulklassen, Jugendgruppen aus zahlreichen Vereinen und Einrichtungen sowie natürlich auch Einzelreisende werden sich in großer Zahl auf den Weg nach Hannover machen: Bis zu 30.000 Jugendliche erwartet man pro Tag auf der Weltausstellung. Teuere Quartiere erlaubt bei den meisten die ohnehin strapazierte Reisekasse nicht, so dass hat man sich rund um die EXPO einiges hat einfallen lassen. Über das EXPO- Jugendcamp direkt am Ausstellungsgelände wurde schon berichtet. Freunde treffen, gemeinsam zur Expo fahren, singen, tanzen und schlafen in DoublePipes und das alles für 30 Mark pro Übernachtung ist in JAM-City möglich. Eine weitere Unterbringungsmöglichkeit hat man mit der Zeltstadt YouthCamp 2000 in Hildesheim geschaffen.

JAM-City

In Zusammenarbeit mit weiteren Trägern wird die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend den Jugendlichen eine äußerst günstige Übernachtungsmöglichkeit anbieten. Das Konzept hat es wirklich in sich, denn Hannover erhält eine Stadt in der Stadt.

Die DoublePipe bietet eine Art Schlafkoje für Jugendliche auf einem Gelände am hannoverschen Maschsee. Sie erinnert auf den ersten Blick an einen Strandkorb durch den zwei Pipelines gezogen wurden. So ähnlich muss auch der Prototyp ausgesehen haben, doch da hatten die Testschläfer wohl Beklemmungen bekommen und das System wurde noch weiter entwickelt. Nun sind lediglich die Kopf- und Fußbereiche einer Pipeline-Abdeckung nachempfunden und die eigentliche Schlafstätte hat eher Feldbettcharakter. Sogar an ein abschließbares Fach hat man in der Pipe gedacht.

Jede DoublePipe kann relativ schnell aufgebaut und einfach transportiert werden. Das bietet insbesondere Jugendgruppen die Chance, die "Stadt" mal eben umzubauen. Täglich können auf diese Weise neue Stadtteile entstehen und neue Straßen mit Häuserzeilen aus DoublePipes gezogen werden.

Als Friedenssymbol wird eine der letzten DDR-Horchkuppeln vom Brocken einer neuen Funktion zugeführt: Hier wird der Empfang der in- und ausländischen Jugendlichen sein. Schwerter zu Pflugscharen und Horchkuppeln zur friedlichen Verbindung von Jugendlichen aus aller Welt.

Noch können sich Gruppen anmelden, denn die Schlafplätze sind insbesondere im Juni längst noch nicht ausgebucht. Diese Gruppen müssen nicht der evangelischen Kirche angehören: Jedermann ist willkommen. Selbst jugendliche Einzelreise können die Übernachtung in der Jugendstadt nutzen, und auch Spontanbesucher sollten ruhig am Maschsee vorbeisehen. Eine zeitliche Begrenzung bei den Übernachtungen gibt es im Gegensatz zum Jugendcamp der EXPO nicht, wo man nur maximal zwei Nächte verbringen darf. Wer Lust hat, für eine Woche im Camp zu helfen, kann sich an die Organisatoren wenden.

Zum Konzept von JAM-City befragten wir Klaus Schmucker, den Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend:

Wofür steht der Name JAM-City?

Klaus Schmucker: Er wurde von Jugendlichen selbst "erfunden" und ist die Abkürzung für "Jugendstadt am Maschsee". Dass sie zustande kommt, verdanken wir der Mithilfe vieler: die EXPO hat eine Anschubfinanzierung gegeben, die Stadt Hannover stellt das Gelände und investiert in die Herstellung und in die Idee, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) unterstützt uns finanziell und sieht JAM CITY als Teil des kirchlichen Engagements. Viele Gruppen aus dem Bereich der Evangelischen Jugend investieren Zeit, Geld und Energie in Vorbereitung und Mitarbeit. JAM CITY steht für eine Idee, eine Vision: sie will ein kleines, bescheidenes Modell sein, wie Menschen aller Herkunft und Prägung miteinander leben. Als Evangelische Jugend wollen wir zeigen, welchen Beitrag christlicher Glaube dazu leisten kann.

JAM-City versteht sich als Jugendstadt während der Weltausstellung in Hannover. Was wird den Jugendlichen geboten?

Klaus Schmucker: Zunächst einmal das, was sie dringend brauchen: günstige Übernachtung mit Frühstück (30 DM für einzelne Jugendliche, individuelle Gruppenpreise) ganz in der Nähe der EXPO in einmalig schöner Lage am Maschsee mitten in Hannover. Dafür haben wir uns - ganz im EXPO-Trend - was ganz Neues einfallen lassen: Die "DoublePipe" hat Weltpremiere und wurde extra für JAM CITY entwickelt. Eine futuristisch anmutende Unterkunft, jeweils mit zwei Schlafplätzen, verbindet die Vorzüge eines kleinen Zimmers mit der Vielfältigkeit eines Zeltes und ist kombinierbar auch für kleine Gruppen. Alternativ kann auch in bereitgestellten Zelten übernachtet werden.

Für den Sanitärbereich stehen Stadionbad und Bundesleistungszentrum zur Verfügung, das Stadionschwimmbad kann zur Abkühlung mitbenutzt werden. Es wird ein Bistro da sein zum Klönen am Abend, es gibt ein Beratungszentrum (das "Jugendkonsulat", das die Johanniter organisieren) für alle kleinen und großen Probleme, kleine Einkaufmöglichkeiten für den persönlichen Bedarf, ein kleines "Rathaus" für alle nötigen Serviceleistungen, ein Internet-Cafe, ein "Fair-Trade-Info-Bus", eine Kirche mitten auf dem Marktplatz (vom Ev. Stadtjugenddienst Hannover organisiert und betreut).

Als "Empfangshalle" dient uns eine besondere Attraktion, die letzte noch existierende Horchkuppel der Russen, die einst auf dem Brocken stand und den "Kalten Krieg" symbolisierte. Sie wird von uns umfunktioniert in ein Symbol des Friedens und dient als Begegnungsort für junge Menschen aus aller Welt. Es entseht also eine richtige kleine Stadt, mit allem, was dazu gehört. Neben allen Bauten sind das vor allem Menschen: junge Menschen aus allen Nationen, Kulturen und Religionen leben auf Zeit miteinander, lernen einander kennen und hoffentlich ein bisschen besser verstehen.

Außerdem gibt es ein umfangreiches Begleit- und Veranstaltungsprogramm, zu dem auch Gäste willkommen sind, die einfach so mal vorbei schauen wollen: Konzerte, Kleinkunst, Theater, Zirkus, Musicals und anderes mit bekannten, "großen" Namen (z.B. die Puhdys, Nina Hagen, Xavier Naidoo, die Stern-Combo Meißen), aber auch mit vielen noch unbekannteren Künstlern. Besondere Attraktionen sind z.B. der EXPO-Star-Trek, eine Convention für alle Freunde des Sciencefiction (als Gäste z.B. Ulf Merbold, Robert Picardo, LeVar Burton u.a.) und zwei andere "Zeitreise"-Wochenenden in die Geschichte. Ein anderes Mal wird es ein "Ost-West-Wochenende geben" (auch mit prominenten Gästen, z.B. Regine Hildebrandt) und am 6. August findet der Hiroshima -Tag statt, zu dem Simon Peres sein Kommen in Aussicht gestellt hat. Das alles kann man im Internet nachlesen, eine Email schicken: info@jam-city.de oder einfach anrufen: 0511/1215-167.

Welche Bedeutung hat das Internet-Cafe?

Klaus Schmucker: Die, die unsere Gäste ihm geben! Wir laden zwar Jugendliche aus aller Welt ein, wir wollen aber nicht unter uns bleiben, sondern sozusagen ein Fenster in die weite Welt öffnen und sie zu uns ins "Wohnzimmer" holen - wenigstens virtuell. Nicht jeder, der gern möchte, wird nach Hannover kommen können. Aber wir wollen den Dialog mit möglichst vielen jungen Menschen eröffnen und suchen, von Erfahrungen in JAM CITY und bei der EXPO berichten, von Erfahrungen anderer hören. Die Zukunft einer friedlichen und gerechten Welt wird sehr davon abhängen, dass "das Fremde nicht fremd bleibt", wie der Theologe und Ökumene-Kenner Ernst Lange es einmal vor Jahren gesagt hat. Dazu kann das Internet-Cafe beitragen.

Werden die Themen der Weltausstellung und der Agenda 21 aufgegriffen?

Klaus Schmucker: Wir wollen keine "kleine EXPO am Maschsee" machen. Wir wollen es aber ermöglichen, dass unsere Gäste miteinander ins Gespräch darüber kommen, was sie auf der EXPO erlebt und gesehen haben, auch in einem kritischen Dialog. Mit jugendgemäßen Angeboten laden wir dazu ein, indem wir auch Themen aufgreifen, die bei der EXPO eine Rolle spielen. Das wird in ganz unterschiedlicher Weise passieren, auch durch das Veranstaltungsprogramm, dass neben Spaß auch nachdenkliche Elemente enthalten wird, die an die EXPO-Thematik anknüpfen. Dabei wird auch deutlich werden, dass uns als jungen Christen wichtig ist, dass unsere Welt im Zeichen der Globalisierung nur eine Zukunft hat, wenn Menschen in einem Teil der Welt nicht auf Kosten der anderen leben, dass wir diese Welt nur einmal zur Verfügung haben und deshalb sorgsam mit den Ressourcen umgehen müssen. Wir bieten zum Beispiel für Gruppen Führungen durch die EXPO unter dem besonderen Blickwinkel der Entwicklungspolitik an.

Ist JAM-City der Kirchentag für Jugendliche während der EXPO?

Klaus Schmucker: Nein, auch wenn es vielleicht ein paar Ähnlichkeiten geben mag. Man kann auch nicht über so lange Zeit die gleiche Dichte an Inhalt und Erfahrungen anbieten wie bei der relativ kurzen Zeitdauer des Kirchentages. Außerdem werden die meisten Besucher tagsüber sicher auf dem EXPO-Gelände oder in der Stadt unterwegs sein. Der wichtigste inhaltliche Unterschied: Man muss nicht an christlichen Themen interessiert sein, schon gar nicht muss man evangelisch sein. Wir wollen wirklich offen sein für alle. Aber wir verstehen uns als Veranstalter als evangelische Jugend. Das werden wir auch zeigen, z.B. durch die Jugendkirche, die mitten auf dem Platz steht. Sie wird vom Evangelischen Stadtjugenddienst Hannover organisiert, aber das Programm wird einem internationalen, ökumenischen Publikum gerecht werden und Angebote für jedermann beinhalten: Tageszeitengebete zum Sammeln der Gedanken, Meditationsangebote, Gottesdienste, sinnliche Erfahrungen für Leib und Seele, ausgelassenes Feiern. Viele werden das mitgestalten, z.B. wird eine zeitlang eine Gruppe von Benediktinermönchen aus dem Kloster Münsterschwarzach zu Gast sein, die auch zu Hause viel mit jungen Menschen arbeiten.

Bis zu 1.000 Jugendliche können täglich in der Stadt übernachten. Wie viele Jugendliche haben sich schon angemeldet?

Klaus Schmucker: Seit Februar - da haben wir so richtig mit der Entgegennahme von Anmeldungen begonnen - stehen Telefon, Fax und Computer nicht mehr still. Die Zahlen ändern sich täglich. Anmeldungen kommen auch aus dem Ausland. Es melden sich Einzelreisende, Freundeskreise, Jugendgruppen, Schulklassen, ganze Schulen. Letzte Woche lagen wir bei einer Auslastung um die 50%. Es wird vor allem in den Sommerwochen langsam eng. Gegen Ende der Ferien, im September, sieht es noch besser aus. Wer kann, sollte dann kommen.

Stehen denn inzwischen genügend Betreuer zur Verfügung?

Klaus Schmucker: Auch da entwickeln sich die Zahlen gut, aber es reicht noch nicht. Wir brauchen täglich etwa 100 bis 130 Mitarbeitende, wenn alles gut laufen soll. Teilweise brauchen wir Leute mit speziellen Kenntnissen und Erfahrungen (etwa im Bereich Technik oder Leute mit Sprachkenntnissen bei der Anmeldung), wichtig aber ist vor allem: die Bereitschaft, dort mit hinzulangen, wo gerade Not ist. Wir suchen Leute (durchaus auch etwas ältere), die für eine Woche mitarbeiten wollen. Neben einer Menge Erfahrungen können wir nur Unterkunft, Verpflegung und einen freien EXPO-Eintritt bieten.

Die Nachhaltigkeit der Expo gilt als wesentliches Ziel. Welchen nachhaltigen Nutzen werden die Jugendlichen mitnehmen? Was wird aus den DoublePipes? Wird JAM-City auch nach der Weltausstellung weiter bestehen?

Klaus Schmucker: Einiges lässt sich wohl erst nach JAM CITY beantworten, z.B. die Frage nach dem Nutzen. Wir hoffen, dass unsere Gäste eine Menge guter Erfahrungen und Erinnerungen mitnehmen. Das wäre schon viel. Wir hoffen, dass sie Kirche und christliche Jugendarbeit von einer guten Seite erleben. Wir wünschen uns, dass Beziehungen entstehen - zwischen einzelnen und Gruppen - die auch nach der EXPO quer durch die Welt bestehen bleiben.

JAM CITY wird gewiss nicht fortbestehen. Unsere kleine Stadt ist als "temporäre Stadt" gebaut. Der Aufwand lässt sich auch gar nicht über längere Zeit durchhalten. Die meisten temporären Gebäude sind so konzipiert, dass sie anschließend zerlegt und für andere Ereignisse wieder verwendet werden können: bei Jugendtreffen, in Freizeitheimen etc. Die "DoublePipes" verkaufen wir günstig (wer will, kann jetzt schon Kaufinteresse anmelden). Privatleute, Hotels, Freizeit- und Seminarhäuser haben bereits Interesse bekundet. Ein möglicher Sponsor hat überlegt, einige zu erwerben, um sie z.B. für zeitweise Unterkünfte im Zusammenhang mit Konzertveranstaltungen oder für soziale Projekte auf Zeit zur Verfügung zu stellen.

Zeltdorf YouthCamp 2000

Neben Jam-City ist die Evangelische Jugend auch noch an der Zeltstadt YouthCamp 2000 in Hildesheim beteiligt. In der Zeit vom 1. Juli bis zum 22. August bietet das Camp Übernachtungsmöglichkeiten für über 74.000 Jugendliche ab 14 Jahren. Ein Gruppenaufenthalt sollte für ca. vier bis fünf Tage geplant werden. Inzwischen hat man das Konzept geändert und freut sich auch auf Einzelgäste. Die Übernachtung kostet 25 DM, für weitere vier DM kann noch ein Feldbett gemietet werden. Schlafsäcke und Luftmatratzen sind mitzubringen.

Auch hier erwartet die Jugendgruppen ein umfangreiches Programmangebot und die Möglichkeit, das Camp mitzugestalten. Für jeden Wochentag sind Themenschwerpunkte wie "Gestern - Heute - Morgen" oder "Kommunikation & Multimedia" geplant. Nachmittags finden auf dem ganzen Gelände Workshops, kreative Angebote, sportliche Aktivitäten, Projekte und Exkursionen statt, bei denen alle Campteilnehmer mitmachen können. Zur EXPO sind es ca. 20 km, die man am besten per öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht. Aber es sind auch Fahrradtouren geplant, bei denen man allerdings mit ca. zwei Stunden Fahrtzeit rechnen muss und nach einem langen Tag auf der Weltausstellung könnte die Rückfahrt schwer fallen.