Effenbergs Lieblingslektüre: Hitlers Tagebuch

Aber welche Version?

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Das Feuilleton hasst Stefan Effenberg für sein blödes Buch, nervenstark genug dieses totzuschweigen ist es freilich nicht.

Der Spiegel titelt "Proll hoch vier" (übrigens ein Zitat von Franz Josef Wagner, der die Autobiografie als "furchtbares Wortgekicke" schmäht) und legt "Effenbergs konsequentes Motto: mehr Idiotie wagen!" dar. Der Süddeutschen Zeitung erscheint Effenberg als "mit allen Wassern Baudrillards gewaschen" und doch irgendwie von "asozialer Biederkeit"; sie vermutet, dass vielleicht "eher Mario Basler der wahre Effenberg" sei. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ist beunruhigt, dass "der Mann sich traut, seine eigene Verkommenheit so lautstark zu bekennen". Focus spricht von "Gossenausdrücken, die sonst außerhalb von Männerrunden nicht zu hören sind". (Die Focus-Männerredaktionsrunden sind in echt wahrscheinlich nicht so zotenfrei wie in der Werbung).

"Erste Titelidee, acording to Fontane: Effes Biest", witzelt die Taz in "Eine Woche Liebesdiskurs mit Claudia Strunz und Stefan Effenberg". Die Frankfurter Rundschau, welche es übrigens bei nur einer Besprechung nicht lassen will oder kann, analysiert "die Abscheu, die man jetzt überall gegenüber seinem ... Buch" zeige als "etwas Lächerliches", das nur als "Teil des Spiels" zu entschuldigen sei und stellt seine "Memoirchen" (Der Spiegel) Patrice Chéreaus Aufführung der Phädra gegenüber. Ein zweiter Artikel in der FR sieht in Effenberg ein "Wirtstier für alle", ein Wirtstier übrigens, das wie Der Stern berichtet, nach dem Duschen so aussieht "wie vorher". "Besser wären 311 leere Seiten" empfiehlt eine Leserin in einer Mail an die Abendzeitung, die das Buch als "müden Wort-Kick" abtut.

Besonders erwähnenswert ist ein Artikel ("Hat er Hitlers Tagebuch?") in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in dem Volker Weidemann erzählt, wie es bei der Präsentation des Buches im Keller des Berliner Kulturkaufhauses Dussmann war. Auf die Frage, welches Werk der Weltliteratur ihn am meisten beeindruckt habe, nannte Effenberg den "Struwwelpeter" und lachte dazu. Doch dann wurde er ernst, ignorierte den Souffleur von der Seite, der "Don Quichotte" empfahl und eine Blitzschaltung in seinem merkwürdigen Gehirn sorgte dafür, dass er sagte: "Hitlers Tagebuch. Das hat mich dann doch interessiert." Wie ging es weiter?

Völlige Stille im überfüllten Saal. Dann fragt der Moderator Oliver Welke leicht betroffen und Ironie-suchend nach: "Ähem, die Stern-Version der Tagebücher?" Effenberg blickt entschlossen vor sich hin und erwidert: "Nein, die niedergeschrieben wurde in dem Buch."...

Der Moment, in dem das Bündnis aus dem Willen zur Provokation und geistiger Schlichtheit sich offenbart. Bernd Lunkewitz saugt da immer nervöser an seiner Zigarre, kommt später ganz von selbst auf das Thema zurück, wohl wissend, daß da eigentlich nichts mehr zu retten ist und erklärt: Ich habe Stefan vorher extra noch gesagt, er soll nicht ironisch sein. Bitte keine Ironie, das verstehen die Leute hier nicht." Doch die Leute hatten es schon verstanden. Besser als dem Verleger in diesem Augenblick lieb war.

FAZ

Effenbergs Buch heißt übrigens "Ich zeig' euch alle an" (oder so ähnlich) und kostet unglaublich viel Geld.