Ein Urteil, zwei Lesarten

Grafik: TP

Nach der neuen EuGH-Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung hoffen CDU und CSU auf ein "zügiges Akzeptieren der deutschen Regelung"

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Heute hat der Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erneut über die Vorratsdatenspeicherung geurteilt. Nachdem das Gericht die EU-Richtlinie in der Vergangenheit für grundrechtswidrig erklärt hatte (vgl. Europäischer Gerichtshof bekräftigt: Anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist illegal), wollten mehrere Länder auf nationalstaatlicher Ebene an einer anlasslosen Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten festhalten.

Da auch gegen diese nationalen Regeln geklagt wurde, hatten sich unter anderem der französische Staatsrat, der belgische Verfassungsgerichtshof und das britische Gericht für Ermittlungsbefugnisse an die Luxemburger Richtern gewandt. Die entscheiden heute in den drei Verfahren mit den vier Aktenzeichen C-511/18, C-512, C-520/18 und C-623/17, dass es Ausnahmen geben soll, in denen eine Vorratsdatenspeicherung erlaubt ist.

"Allgemein, aktuell und vorhersehbar"

Eine der Ausnahmen ist die Abwehr einer "allgemeinen, aktuellen und vorhersehbaren" Bedrohung der nationalen Sicherheit, eine andere die Bekämpfung "schwerer Straftaten". Die Vorratsdatenspeicherung, die Behörden in diesem Fällen anordnen dürfen, muss zeitlich auf das Vorliegen des Anlasses begrenzt sein und gerichtlich oder anderweitig unabhängig überprüft werden können (vgl. Europäischer Gerichtshof: Vorratsdatenspeicherung nein, gezielte Ausnahmen ja).

Elke Steven, die Geschäftsführerin des Vereins Digitale Gesellschaft, sieht in diesem Urteil eine "Bestätigung" ihrer Ansicht, "dass die pauschale Vorratsdatenspeicherung grundlegende Bürgerrechte verletzt" und "Kommunikationsunternehmen nicht anlasslos speichern und Daten an Sicherheitsbehörden und Geheimdienste weitergeben dürfen". Die Ausnahmen davon will der EuGH ihrer Wahrnehmung nach "in hohem Maße eingeschränkt sehen".

In der CDU-CSU-Bundestagsfraktion liest man das Urteil anders. Hier spricht der stellvertretende Vorsitzende Thorsten Frei von einer "ersten vorsichtigen Abkehr" des EuGH "von seiner extrem datenschutzfreundlichen Linie". Nach der Definition der Ausnahmen müsse man nun "prüfen, welche Möglichkeiten wir den Ermittlern angesichts dieser Maßgaben an die Hand geben können". Außerdem äußert der Säckinger die Hoffnung, dass der EuGH "nach dieser ersten vorsichtigen Öffnung die deutsche Regelung zügig akzeptiert". Diese deutsche Regelung ist aktuell ausgesetzt (vgl. Bundesnetzagentur setzt Vorratsdatenspeicherung aus). Über sie wird der EuGH in einem getrennt laufenden Verfahren urteilen.

Verband der Internetwirtschaft: Gerade in der Coronakrise wäre eine Vorratsdatenspeicherung schädlich

Oliver Süme, der Vorstandsvorsitzende des Verband der Internetwirtschaft (eco), interpretiert das EuGH-Urteil (anders als Frei) als "deutliche Mahnung an die nationalen Gesetzgeber in den EU-Mitgliedstaaten, die ihre bisherigen Regelungen jetzt kritisch hinterfragen sollten". Das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ist seiner Ansicht nach "nicht mit dem nationalen und europäischen Recht vereinbar", weshalb der Gesetzgeber aufgefordert sei, es "aufzuheben und damit Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen".

"Gerade in der jetzigen Coronakrise", so Süme dazu, "ist es wichtig, Vertrauen in die Digitalisierung zu schaffen, um damit eine unbeschwerte berufliche und private Kommunikation zu ermöglichen". Die "flächendeckende Digital-Überwachung" würde seiner Meinung nach "genau das Gegenteil erreichen".

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