Ein Vorgeschmack mit Beigeschmack
EXPO-Aktuell: Tag der Offenen Tür
Seit gestern steht endgültig die neue Straßenbahnanbindung zum EXPO-Gelände Ost. Diesen Tag wollte nicht nur das hannoversche Verkehrsunternehmen Üstra mit ihren Kunden feiern, sondern auch die EXPO und die Post luden zu einem Tag der Offenen Tür. Mehrere zehntausend Menschen nutzten die Gelegenheit und boten den Verantwortlichen ein Beispielszenario für den Starttag am 1. Juni 2000. Die Hannoveraner sind neugierig auf ihre EXPO, aber als Gastgeber müssen sich erst noch beweisen.
Mit nur einer Minute Verspätung startete Herr Donatz um 10:49 Uhr die erste Straßenbahn von der Endhaltestelle "Haltenhoffstraße" zum neuen Ankunftsbahnhof "EXPO Ost". Doch feierlich ging es dort wahrlich nicht zu, denn noch bevor der Zug einfuhr, hielten sich schon einige hundert Menschen auf dem Bahnsteig in der Haltenhoffstraße auf und wollten die Jungfernfahrt miterleben. Noch gewiefter waren andere, denn sie saßen schon vorher in der Bahn, die erst zur Haltenhoffstraße fuhr und blieben einfach sitzen, so dass die Wartenden, die natürlich auf eine leere Bahn gehofft hatten, die rund 40 Minuten Fahrtzeit im Stehen verbringen mussten. Für die Üstra muss dieser Tag aber auch nicht besonders wichtig gewesen sein, denn weder der Zug noch der Abfahrtsbahnhof wurden besonders geschmückt. Nicht einmal die obligatorische Blaskapelle vertröstete die wegen Überfüllung des Zuges zurückbleibenden Menschen.
Auf der Fahrt zeigten sich die Hannoveraner als nicht besonders höflich, denn als der fast volle Zug an jeder Station hielt, begannen die Fahrtgäste angesichts der dort wartenden Menschen vernehmlich zu stöhnen. An einer Haltestelle verursachte eine junge Frau einen Zwischenfall: Sie drängte sich einfach in die Bahn und erntete dafür Knuffe, Tritte und wurde schließlich von einem Rentnerehepaar gewaltsam aus der Bahn gedrängt. Das also sind die liebenswürdigen Hannoveraner, die vom Bundespräsidenten Rau im neuesten EXPO-Magazin aufgerufen worden sind, als freundliche Gastgeber während der Weltausstellung zu fungieren. Auf diese Weise ging es an jeder Haltestelle weiter: Die Wartenden versuchten in den Zug zu steigen und die "Wächter" an den Türen pöbelten, dass der Wagen schon voll sei. Anscheinend kennen die Hannoveraner die Verhältnisse in den U-Bahnen und Zügen von Tokio nicht, denn allein in meinem Standplatz-Umfeld hätten locker noch fünf Menschen stehen können.
Offenbar war die Üstra von diesem Ansturm überrascht worden, denn ein Fahrgast berichtete von einem Funkverkehr, in dem weitere Züge angefordert und dann eingesetzt werden sollten. Wollte das hannoversche Verkehrsunternehmen wirklich in den Taktzeiten des Wochenendes fahren? Das Chaos zog sich dann auch am neuen EXPO-Straßenbahnhof "EXPO Ost" fort, denn ziemlich nahe am Bahnsteig waren schon die ersten Buden für den "Tag der Offnen Tür" aufgebaut worden, so dass der Abfluss der aussteigenden Gäste nicht gewährleistet war. Statt zügig auf das Gelände geführt zu werden, stürmten die Fahrgäste erst einmal in Erwartung irgendwelcher kostenloser Schnäppchen diese Buden.
Auf matschigen Wegen ging es über die Plaza-Brücke auf das Gelände der zukünftigen Weltausstellung. Hier waren die Zäune so aufgestellt, dass man entweder durch den Deutschen Pavillon geleitet wurde oder direkt zum Bertelsmann-Pavillon kam. Kurz vor dem Deutschen Pavillon gab es die erste Schlange, denn während man vorher die ganze Breite des Boulevards nutzen konnte, verengte sich dort der Durchgang. In einem Film wurde der Pavillon kurz vorgestellt, doch der Blick blieb aufgrund nicht vorgesehener Absperrungen nur wenigen vergönnt.
Die Halle selbst in ihren Ausmaßen zu erfassen, ist ein fantastisches Erlebnis. Besonders die nach innen gewölbten Glasfassaden ziehen jeden Besucher in den Bann. Die schon vorhandenen Exponate enttäuschten allerdings. Zum einen waren sie viel zu weit von den Besuchern aufgestellt und zum anderen verdeckte eine Abdeckplane mit dem Schriftzug "esa" den Blick auf das Spacelab. Auch das Rumpfteil eines Wikingerschiffes war unter den Plane nur in Konturen zu erkennen. So verließ jeder lieber schnell wieder diese staubige Halle, an der auch während der Besichtigung weitergebaut wurde, um einen Blick auf die Postbox erhaschen zu können. Von einer Besichtigung oder einem warmen Kaffee sahen viele Besucher ab, denn vor der Box bildete sich schon wieder eine Warteschlange, die bis zur Straße ging. Wer den langsamen Fahrstuhl der Postbox kennt, wird sich das Anstellen ebenfalls erspart haben.
Am Designcenter war ein kleiner Budenpark aufgebaut worden, hier traf man Twipsy oder konnte sich für die Führungen melden, die allerdings mit ca. 200 Menschen durchgeführt wurden. An der EXPO-Bude herrschte ebenso ein Chaos, denn auch hier vermuteten die Besucher wohl kostenlosen Schnick-Schnack. Man rechnet ja auch während der Expo mit größeren Warteschlangen vor den Pavillons und will versuchen, die Menschen von der eigentlichen Wartezeit abzulenken, um auch gar nicht erst das Gefühl des Wartens aufkommen zu lassen. Hier konnte man den Versuch eines Wartemanagements beobachten, so bemühten sich ein Luftballonkünstler, Till Eulenspiegel und eine Band um Aufmerksamkeit, doch die Mehrzahl der Menschen blieb eben nicht stehen, sondern lief weiter zur nächsten angekündigten Attraktion. Mit einem Luftballon und weiterem Infomaterial wie dem neuen EXPO-Magazin machten sich viele Menschen auf den Weg zum Bertelsmann-Pavillon. Doch auch hier heiß es erst einmal zu warten.
Die DEMO
Der Abtransport am Straßenbahnhof "EXPO Ost" funktionierte dagegen einwandfrei und auf dem Nachbargleis hielt sogar einer der schon legendären Kioskzüge, in denen man während der Fahrt sogar einen heißen Kaffee schlürfen kann. Kurz vor der Endhaltestelle bekamen die Fahrgäste ebenfalls einen weiteren Einblick in das mögliche Geschehen während der diesjährig stattfindenden Weltausstellung, denn auf dem "Engelbosteler Damm" hatte sich ein Demonstrationszug mit ca. 100 Teilnehmern gebildet und diese paar Menschen schafften es dann sogar, die Straßenbahn für ca. zehn Minuten aufzuhalten. Die Demonstranten forderten "Freiheit für Putti" und zeigten auch Anti-EXPO-Plakate.
Übung oder Generalprobe?
Noch scheinen alle Organisatoren zu üben, denn die übervollen Züge sind wirklich keine Visitenkarte für einen leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehr. EXPO-Gäste mit sogenannten EXPO-nahen Quartieren dürfen sich zur Weltausstellung nicht wundern, wenn mehrere überfüllte Bahnen einfach an ihnen vorbei fahren und sie weiter warten müssen. Für solche Privatquartiere sollte man zumindest keinen Zuschlag verlangen, geschweige denn zahlen. Die Hannoveraner müssen schnellstens lernen, dass sie wirklich keine Provinzstadt mehr sind und sich deutlich in Toleranz und Geduld üben. Noch war das Angebot umsonst, doch wenn man erst 69 DM für die Tageskarte ausgegeben hat, wünscht man sich etwas mehr Komfort und auch keine Warteschlangen. Insofern kann man der EXPO nur wünschen, dass sie während der EXPO nur von zufriedenen und netten Menschen umgeben sein wird.