"Einen 'Schweigepakt' kann ich mir nur schwer vorstellen"
Fragen zu den Bilderberg-Konferenzen
Wie bewerten Vertreter aus dem journalistischen Feld die unter großer Geheimnistuerei veranstalteten Bilderberg-Konferenzen, zu denen sich irgendwie (aus)erwählte internationale Spitzenkräfte aus Politik, Wirtschaft, Medien und Finanzwelt versammeln und entsprechende Verschwörungstheorien hervorrufen?
Am 11. und 12. Juni 2011 findet die diesjährige und 59. Konferenz der konspirativen Elite, von manchen auch "geheime Weltregierung" genannt, in St. Moritz in dem weiträumig abgesperrten Luxushotel Suvretta House statt. Immerhin wurde bereits die Liste der Geladenen frühzeitig veröffentlicht, auf der man neben David Rockefeller, Henry Kissinger oder Josef auch Matthis Nass von Die Zeit oder Oscar Bronner, den Herausgeber der österreichischen Tageszeitung Der Standard, Thomas Enders von Airbus oder Peter Löscher von Siemens AG, aber auch etwa Peer Steinbrück findet (mehr dazu auch hier).
Telepolis fragte bei Journalistenschulen und dem Vorsitzenden des Deutschen Journalisten Verbandes nach. Außerdem kommt der Journalist und wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts für Praktische Journalismusforschung (IPJ) in Leipzig, Uwe Krüger, zu Wort. Die Kurzinterviews erfolgten per Email, die Interviewten wurden um kurze, meinungsstarke Antworten gebeten. Der größte Teil der Journalistenschulen war nicht bereit die Fragen zu beantworten - aus Zeitgründen, wegen mangelhafter Kenntnis zum Thema Bilderberg oder wie der Leiter einer der großen Journalistenschule sagte: weil das Thema "verschwörungstheoretisch" und die Fragen "banal" seien.
Eine nicht unübliche Verabredung zur Vertraulichkeit
Leonhard Ottinger, Geschäftsführer der RTL-Journalistenschule:
Zu den Bilderberg-Konferenzen kommen Funktionsträger aus der Wirtschaft (zu Zweidrittel!), aus der Politik, aber auch aus dem Adel, den Medien und der Wissenschaft. Wie bewerten Sie es, wenn eine Weltelite sich unter den Bedingungen, wie es die "Bilderberger" tun, trifft, also unter völligem Ausschluss der Öffentlichkeit und ihre Mitglieder sich zu einer Art Schweigepakt verpflichten?
Leonhard Ottinger: Politiker, Führungskräfte und Journalisten treffen sich in unterschiedlichsten Konstellationen immer wieder zu Hintergrundgesprächen, vertraulichen Runden etc. Wenn die Beteiligten sich darauf verständigen, dass Gesprächsinhalte nicht sofort an die Öffentlichkeit getragen werden sollen, ist dies eine nicht unübliche Verabredung.
Wie bewerten Sie die Tatsache, dass an den Bilderberg-Konferenzen auch reputierte Journalisten teilnehmen, aber nicht darüber berichten.
Leonhard Ottinger: Da ich die beteiligten Journalisten oder deren Meinung zu den Bilderberger-Konferenzen nicht kenne, möchte ich nicht über Beweggründe spekulieren.
Als Geschäftsführer einer Journalistenschule, die junge Journalisten auf ihren Beruf vorbereitet, an Sie die Frage: Sollten die Konferenzen Gegenstand einer breiteren Berichterstattung sein?
Leonhard Ottinger: Diese Frage stellt sich jeden Tag bei der Fülle von Themen, Ereignissen und Informationen: Wie breit soll eine Berichterstattung sein? Sie muss je nach Themenlage und Art des Mediums ständig neu bewertet werden. Insofern kann man die Frage nicht allgemein beantworten. Eine politische Zeitschrift findet vielleicht eher den Platz als eine viertelstündige tagesaktuelle Nachrichtensendung.
Haben Sie Verständnis dafür, dass sich durch das Internet und mit dem Internet, eine Gegenöffentlichkeit formiert hat, die auf die Konferenzen aufmerksam macht, darüber diskutiert, publiziert und die Treffen auf ihre Art mit einem kritischen Auge beobachtet?
Leonhard Ottinger: Besonders das Internet bietet die Möglichkeiten, Debatten zu führen, die aus Platz- oder Zeitmangel in anderen Medien nicht stattfinden kann. Insofern ist das Internet eine geeignete Plattform, auf der sich Kritiker der Bilderberger-Konferenz äußern und austauschen können.
Keine Medien-Verschwörung, eher eine Mischung aus Nichtwissen und Ignoranz
Oscar Tiefenthal, Leiter der Evangelischen Journalistenschule:
Zu den Bilderberg-Konferenzen kommen Funktionsträger aus der Wirtschaft (zu Zweidrittel!), aus der Politik, aber auch aus dem Adel, den Medien und der Wissenschaft. Wie bewerten Sie es, wenn eine Weltelite sich unter den Bedingungen, wie es die "Bilderberger" tun, trifft, also unter völligem Ausschluss der Öffentlichkeit und ihre Mitglieder sich zu einer Art Schweigepakt verpflichten?
Oscar Tiefenthal: Die Versammlungsfreiheit gilt auch für Eliten. Ich habe damit kein Problem, auch wenn eine Schweigepflicht heutzutage schon etwas anachronistisch wirkt. Grundsätzlich redet es sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit sicherlich freier, als unter Beobachtung der Weltpresse.
Wie bewerten Sie die Tatsache, dass an den Bilderberg-Konferenzen auch reputierte Journalisten teilnehmen, aber nicht darüber berichten.
Oscar Tiefenthal: Wer würde so eine Einladung schon abschlagen? Hintergrundinformationen und Kontakte sind für Journalisten Schwarzbrot. So lange die Kollegen sich nicht instrumentalisieren oder korrumpieren lassen ist das in Ordnung.
Als Leiter einer Journalistenschule, die junge Journalisten auf ihren Beruf vorbereitet an Sie die Frage: Sollten die Konferenzen Gegenstand einer breiteren Berichterstattung sein?
Oscar Tiefenthal: Natürlich sollte über eine solche Konferenz berichtet werden und ich bin über die bisher eher spärliche Berichterstattung etwas verwundert. Gerade eine geschlossene Gesellschaft mit Schweigepakt ist doch geradezu eine Einladung zu gründlicher Recherche.
Wie erklären Sie sich, dass die Konferenzen bisher in den großen Medien kaum erwähnt wurden?
Oscar Tiefenthal: Sicher keine Medien-Verschwörung, eher eine Mischung aus Nichtwissen und Ignoranz. Dabei scheint es sich bei der Bilderberg-Konferenz nicht einfach um eine bestimmte Interessengruppe zu handeln, offenbar ist das gesamte politische Spektrum vertreten. Das finde ich spannend.
Haben Sie Verständnis dafür, dass sich durch das Internet und mit dem Internet, eine Gegenöffentlichkeit formiert hat, die auf die Konferenzen aufmerksam macht, darüber diskutiert, publiziert und die Treffen auf ihre Art mit einem kritischen Auge beobachtet?
Oscar Tiefenthal: Das ist nicht nur verständlich, sondern absolut notwendig, wenn die klassischen Medien bei diesem Thema versagen.
Ob eine Veranstaltung genug für die Berichterstattung hergibt, entscheiden die Redaktionen
Michael Konken, Bundesvositzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV):
Als Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands haben Sie bestimmt auch eine Position zur Frage, wie nahe sich Journalisten mit "den Herrschenden" einlassen dürfen. Es ist bekannt, dass an den Bilderberg-Konferenzen auch bekannte Journalisten teilnehmen. Diese Journalisten, genauso wie die anderen Teilnehmer, verpflichten sich zu einer Art Schweigepakt, sie berichten nichts über die Konferenzen. Wie bewerten Sie das Verhalten?
Michael Konken: Journalisten haben die Aufgabe, zu berichten und zu informieren. Einen "Schweigepakt", wie Sie es nennen, kann ich mir nur schwer vorstellen.
Wie erklären Sie sich, dass die Konferenzen bisher in den großen Medien kaum erwähnt wurden?
Michael Konken: Ob eine Veranstaltung genug für die Berichterstattung hergibt, entscheiden die Redaktionen. Ich kann nicht beurteilen, ob wichtige Informationen nicht veröffentlicht wurden.
Haben Sie Verständnis dafür, dass sich durch das Internet und mit dem Internet, eine Gegenöffentlichkeit formiert hat, die auf die Konferenzen aufmerksam macht, darüber diskutiert, publiziert und die Treffen auf ihre Art mit einem kritischen Auge beobachtet?
Michael Konken: Natürlich habe ich Verständnis dafür, denn mit dem Internet, den Foren und Blogs stehen vielfältige Kommunikationsmittel für jedermann zur Verfügung. Entscheidend ist aber letztlich der Wahrheitsgehalt von Informationen.
Sollten ihrer Meinung nach die Konferenzen Gegenstand einer breiteren Berichterstattung sein?
Michael Konken: Der Deutsche Journalisten-Verband sieht seine Aufgabe nicht darin, den Journalisten bestimmte Themen vorzuschreiben. Wie bereits gesagt: Die Entscheidung zur Berichterstattung liegt bei den Redaktionen.
Von Treffen wie der Bilderberg-Konferenz geht Soft Power aus
Uwe Krüger, Journalist und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Praktische Journalismusforschung, (IPJ) in Leipzig. Krüger promoviert über die Netzwerke deutscher Journalisten in Politik und Wirtschaft.
Was sind die Bilderberg-Konferenzen?
Uwe Krüger: Bilderberg ist ein Ort, wo westliche Eliten aus Politik, Wirtschaft und anderen Sektoren vertraulich über aktuelle Themen diskutieren. Dort werden zwar keine formell bindenden Beschlüsse gefasst, aber es wird mit Meinungen experimentiert, Streit ausgetragen und an einem - wenn auch nur temporären - Konsens gearbeitet.
Wie bewerten Sie die Tatsache, dass Journalisten von Leitmedien mit in die Konferenzen eingebunden sind?
Uwe Krüger: Dies verletzt journalistische Grundregeln von Unabhängigkeit und kritischer Distanz zu den Mächtigen. Aus Sicht von Journalisten ist es sicher reizvoll, einen solch einmaligen Einblick in die Diskussion auf höchster Ebene zu bekommen. Der Erkenntnisgewinn wird aber dadurch konterkariert, dass er mit einem Schweigegelübde bezahlt wird und mit Loyalitäten und Abhängigkeiten im Elitenmilieu.
Welche deutschen Journalisten haben an den Konferenzen teilgenommen?
Uwe Krüger: Matthias Naß von der Wochenzeitung Die Zeit nimmt nicht nur regelmäßig teil, sondern ist auch Mitglied im Inner Circle von Bilderberg und bestimmt Themen und Teilnehmer der Konferenz mit. In den letzten zehn Jahren waren außerdem Josef Joffe (Die Zeit) sowie die Medienmanager bzw. -eigentümer Mathias Döpfner (Axel Springer AG) und Hubert Burda (Burda-Verlag) dabei.
Wie erklären Sie sich, dass die Konferenzen über lange Zeit von den großen Medien nicht thematisiert wurden? Ist das journalistisch vertretbar?
Uwe Krüger: Erklärt werden kann das mit einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Erstens: Die meisten normalen Journalisten dürften bis vor kurzem noch nie etwas von Bilderberg gehört haben. Zweitens: Die Alpha-Journalisten mit guten Kontakten in höchste Kreise mögen davon gewusst haben, empfinden aber wahrscheinlich vertrauliche Elitentreffen nicht als skandalös, sondern als normal, und wollen außerdem ihre Kontakte nicht aufs Spiel setzen. Drittens: Journalisten der Verlage Springer, Burda und Holtzbrinck scheiden als Enthüller aus, weil Mathias Döpfner, Hubert Burda und Matthias Naß (Die Zeit erscheint im Holtzbrinck-Verlag) Bilderberger sind und niemand gegen den eigenen Brötchengeber recherchiert. Viertens: Für eine gute Geschichte braucht man gute Quellen. Im Fall Bilderberg gibt es keine guten Quellen: Alle Teilnehmer haben versprochen zu schweigen, alle Nicht-Teilnehmer wissen nichts Konkretes.
Normativ betrachtet sollte aber Bilderberg mehr in den Fokus der Öffentlichkeit kommen. Denn von hier geht "soft power" aus, und hier werden globale Eliten sozialisiert und miteinander vernetzt.