"Eintrittskarte für Datenmissbrauch"
Als (un)passende Antwort auf den Polizeicomputer-Skandal präsentiert die österreichische Regierung nun die universelle elektronische "Bürgerkarte".
Natürlich ist der EKIS-Skandal - EKIS heißt das Polizeicomputersystem in Österreich, das für unzulässige Abfragen zur Bespitzelung von FPÖ-kritischen Politikern und Künstlern verwendet wurde - noch nicht aufgearbeitet (vgl. Grundrechtlicher Super-GAU in Österreich). Doch jetzt gibt es zwei von der österreichischen Regierung ausgedachte Lösungen dazu. Zum einen, wer einen konkreten Verdacht hat, dass seine EKIS-Daten mißbräuchlich verwendet wurden, kann sich an eine Hotline (Tel. Wien 31 3 46-31346) wenden und bekommt dann nähere Auskunft von der Polizei. Zum anderen kommt für alle österreichischen Bürger die "Bürgerkarte".
Diese Bürgerkarte soll in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung einsetzbar sein, sie wird als Basis die nächstes Jahr kommende Sozialversicherungskarte haben, also auf jeden Fall die Sozialversicherungsdaten enthalten, dazu aber den Personalausweis ersetzen und eine universelle Karte für alle Amts- und Behördenwege werden. Womöglich kommen auch noch Elektronische Geldbörse und andere Zahlungsfunktionen dazu.
Proteste gegen eine Multifunktionskarte
Verbraucherschützer, Datenschützer und Opposition sind strikt gegen dieses Vorhaben. Eine Bürgerkarte als "Eintrittskarte für Datenmissbrauch" sei das letzte, was wir derzeit brauchen, meinte der SP-Justizsprecher Jarolim dazu.
Mit einer solchen Universalkarte haben die Verbraucher bzw. Bürger keine Sicherheit mehr, dass der Datenschutz gewährleistet ist, und dass sie selbst es sind, die entscheiden, welche Daten sie wem zugänglich machen. Außerdem ist eine elektronische Zwangsbeglückung - Studenten haben dies in Form eines elektronischen Ausweises jetzt schon an manchen österreichischen Unis - ein ganz eklatanter Widerspruch zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung und damit letztlich gegen den Begriff der Menschenwürde.
Zu viele Informationen auf einer Karte sind ein Sicherheitsrisiko für die Karteninhaber. Technische Abläufe sind dann nicht mehr überschaubar, die meisten Anwender stünden ihnen relativ hilflos gegenüber. Zudem steigt die Anfälligkeit für technische Fehler und natürlich für Missbrauch aller Art. Hier müsse von Anfang an ein Sicherheitsriegel vorgeschoben werden, sind die Gegner der Karte überzeugt. Und was auch noch gegen eine solche Universalkarte spricht: bei den meisten Behördenverfahren sind Dokumente vorzulegen, die es noch gar nicht in elektronischer Form gibt. Diese zu "digitalisieren" würde Unsummen kosten.
Zwangsmodernität um jeden Preis
"Wir wollen eine schlanken, aber starken Staat" meint bzw. droht Bundeskanzler Schüssel auf der Homepage seiner Partei. Regierungen möchten modern sein und deshalb greifen sie ganz eilfertig alles das auf, was Medien, Wissenschaft und Technik als "modern" etikettieren. Das Modernisierungsvorhaben dieser Regierung heißt "E-Austria" und das heißt für die ÖVP-FPÖ-Koalition "schlanker Staat" und Kombikarte für Alle. Anstatt den klassischen Bürgerservice auszubauen und gerade den wirtschaftlich schwächeren Mitbürgern gute persönliche Kontakte mit den Ämtern anzubieten, setzt die Reform auf Arbeitsplatzeinsparungen durch Elektronisierung, Do-It-Yourself-Behördenwege und missbrauchsfähige Systeme.