Einzelne Photonen sehen
Das menschliche Auge ist in der Lage, ein einzelnes Lichtquant zu registrieren - eine fast unglaubliche Leistung
125 Millionen Stäbchen- und 7 Millionen Zäpfchen-Zellen sind im menschlichen Auge dafür zuständig, Licht zwischen 400 und 760 Nanometern Wellenlänge aufzufangen. Die drei für die Farbwahrnehmung zuständigen Zapfen-Typen sind dabei relativ unempfindlich. Sie brauchen etwa 200 Photonen der passenden Wellenlänge, um ein Signal abzugeben. Darum sind nachts auch alle Katzen (scheinbar) grau.
Das Stäbchen-System hingegen, für die Helligkeitswahrnehmung verantwortlich, ist ein echtes Wunderwerk evolutionärer Technik. An der Spitze dieser Zellen befinden sich, eingelagert in Hunderte membranartiger Scheiben, Moleküle des Sehpigments Rhodopsin in hoher Konzentration (bis zu 30.000 Moleküle/µm²). Trifft ein Lichtquant der passenden Wellenlänge ein solches Molekül, dann verändert sich dessen Struktur.
Jetzt kommt es zu einer komplizierten Kettenreaktion, der so genannten Signaltransduktionskaskade, die mehrere verschiedene Reaktionen umfasst. Ihr Ergebnis ist ein Aktionspotenzial an der Zellmembran, das von der Netzhaut zusammengefasst und über den Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet wird. Dieses Potenzial besteht interessanterweise bei den Sehzellen darin, dass diese kurzzeitig weniger Botenstoffe ausschütten als sonst.
Wie leistungsfähig dieses System tatsächlich ist, darüber war sich die Wissenschaft lange nicht im klaren. Man wusste zwar, dass bereits ein Photon genügt, die Transduktionskaskade in Gang zu setzen. Aber wie in jedem System gibt es auch im visuellen System ein bestimmtes Rauschniveau. Man ging deshalb bisher davon aus, dass mindestens fünf bis sechs Photonen nötig sind, damit letztlich ein Impuls das Sehzentrum erreicht. Das ist schon eine verschwindend geringe Energiemenge - etwa 2 Attojoule (2 * 10-18 Joule), was ungefähr der Bindungsenergie des Elektrons im Grundzustand des Wasserstoffatoms entspricht.
Subjektiver Einfluss
Im Fachmagazin Nature Communications zeigen Forscher der Wiener Universität nun, dass tatsächlich schon ein einziges Photon bereits einen visuellen Reiz auslösen kann. Den Nachweis erreichten die Wissenschaftler durch ein verbessertes Messverfahren. Das Grundproblem bestand bisher darin, dass durch den Probanden ein subjektiver Einfluss entsteht - der Mensch muss auch tatsächlich realisieren, dass sein Sehzentrum gerade ein sehr, sehr schwaches Signal aufgefangen hat.
Dabei kommt es stark auf den Versuchsablauf an. Dieser hängt auch von der verwendeten Lichtquelle ab. Bei den bisher verwendeten Quellen lag die Chance, dass tatsächlich ein einzelnes Photon das Auge des Probanden erreichte, unter 5 Prozent. Das heißt, der Mensch musste schon sehr geduldig sein, weil nur bei einem von 20 Durchläufen die prinzipielle Chance bestand, etwas zu sehen. Mit einer speziellen Einzel-Photonen-Quelle konnten die Forscher diese Chance erhöhen.
Dabei fiel den Forschern ein interessanter Aspekt auf, der auch die Leistungsfähigkeit des Systems trotz Rauschens erklärt. Wenige Sekunden nach dem erfolgreichen Registrieren eines Photons lag die Chance, ein weiteres zu sehen, signifikant höher. Die Wissenschaftler vermuten, dass das visuelle System sich in einem solchen Fall selbst optimiert. Die exakte Natur dieses Tunings ist noch nicht klar. Man weiß zwar bereits, dass die Netzhaut ohne Einbezug des Gehirns in der Lage ist, den Kontrastumfang eines Bildes durch eine rechnerische Umbewertung der Inputs zu erhöhen. Mit diesem Prozess scheint die Erhöhung der Sehleistung nach Empfang eines einzelnen Photons aber nichts zu tun zu haben.
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