Elefantenhochzeit geplatzt

Bundeskartellamt untersagt die geplante Fusion des Springer-Konzerns mit dem TV-Sender ProSiebenSat.1

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Die anfänglich spontane Ablehnung des Bundeskartellamtes und der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) der Übernahme von ProSiebenSat1 durch Europas größten Zeitungsverlag verdichtete sich im Laufe der letzten Wochen mehr und mehr zu einem "Ja, aber ...".

Auf die Ablehnung der KEK Anfang Januar (vgl. Elefantenhochzeit vorläufig verschoben) reagierte Springer-Vorstandschef Matthias Döpfner mit dem Angebot, den Fernsehsender Pro 7 aus dem Medienpaket zu lösen und an ein anderes Medienunternehmen zu veräußern. Daraufhin signalisierte das Kartellamt ein positives Votum und die KEK stellte in Aussicht, die gefällte Entscheidung eventuell zu revidieren. Döpfner nahm sein Angebot jedoch in letzter Minute zurück, deshalb entschied sich das Kartellamt am Dienstag endgültig gegen die Transaktion. Trotzdem bleibt es weiter spannend, denn durch ein Klageverfahren, die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten plus einem Machtwort von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) kann die Fusion doch noch durchgesetzt werden.

Ende August 2005 beantragte der Springer-Konzern die Übernahme von ProSiebenSat1 bei der KEK und beim Bundeskartellamt. Das ehemalige Imperium des Münchner Medienmoguls Leo Kirch war 2002 zerschlagen und an den US-Milliardär Haim Saban verkauft worden. Der sanierte den maroden Sender und bot ihn diesen Sommer seinerseits zum Verkauf an (vgl. Elefantenhochzeit angekündigt). Die Elefantenhochzeit der beiden Medienriesen wäre der vorläufige Höhepunkt einer langjährigen wirtschaftlichen Beziehung: Die Damen und Herren Springer und Kirch waren lange Zeit geschäftlich miteinander verbandelt: Sie waren gegenseitig Anteilseigner von Aktien des jeweils anderen Unternehmens.

Doch die geplante Übernahme stieß allenthalben auf Widerstand: Beim Bundeskartellamt, bei der KEK, in der Medienbranche und bei den Gewerkschaften. Zunächst sprach sich die KEK gegen die Fusion aus und es wurde vermutet, dass das Bundeskartellamt sich vermutlich diesem Votum anschließen würde.

Die KEK hatte als Voraussetzung für die Zustimmung von Springer die Bildung eines Fernsehbeirats gefordert: Das Gremium, bestehend aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, sollte die Verantwortung für Planung, Struktur, Inhalt sowie Kontrolle der Programme die alleinige Verantwortung tragen. Dem Beirat sollten demzufolge weit reichende Kompetenzen übertragen werden. Zu weit reichend, wurde im Hause Springer befunden, und die Forderung der KEK abgelehnt.

Kompromissvorschläge

Der Medienkonzern unterbreitete seinerseits der KEK und dem Bundeskartellamt "Kompromissvorschläge": Springer bot an, sich von Anteilen im so genannten Tiefdruckbereich (Zeitungsproduktion) sowie Beteiligungen an Radiosendern zu trennen. Dabei handelt es sich u.a. um die Druckerei Prinovis, ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Bertelsmann-Konzern. Zwischenzeitlich war ebenfalls im Gespräch, dass Springer bereit sei, die Programmzeitschrift Hör Zu abzustoßen und der Konzern sagte zu, auf Bild-TV zu verzichten.

Außerdem sicherte Döpfner der KEK zu, dass Werbung im Print- und TV-Bereich getrennt vermarktet werde. Damit ging der Vorstandschef auf die Beschwerde der Medienunternehmen Burda, der Stuttgarter Holtzbrinck-Gruppe sowie ZDF und ARD ein, die der KEK gegenüber ihre Befürchtung geäußert hatten, die Verknüpfung von Printmedien und TV dem Springer-Verlag ermögliche, potentiellen Werbekunden Kompaktpakete zu schnüren, mit denen andere Unternehmen nicht mithalten könnten.

Darüber hinaus wurde die Bildung eines Programmbeirats in Aussicht gestellt, der allerdings keinerlei Mitspracherecht in wirtschaftlichen Fragen erhalten solle. Die KEK überzeugte all dies offensichtlich nicht, sie entschied sich trotzdem gegen die geplante Transaktion.

BILD aufgeben?

Auch dem Bundeskartellamt sagte das Angebot Döpfners scheinbar nicht zu. Das Bonner Gremium forderte nach der KEK-Entscheidung, Springer solle entweder die Tageszeitung Bild aufgeben, oder der TV-Sender Sat.1 solle aus dem Medien-Paket gelöst und an einen anderen Konzern verkauft werden.

Erwartungsgemäß weigerte Döpfner sich, auch nur im Ansatz darüber nachzudenken, Bild abzustoßen: Das Blatt wird laut Medienberichten täglich von 12 Mio. Menschen gelesen, allein in Hamburg gehen jeden Tag fast 1 Million Exemplare über den Ladentisch. Auch auf den Erwerb von Sat.1 will Döpfner nicht verzichten, deshalb schlug Döpfner vor, sich von dem TV-Sender Pro 7 zu trennen - allerdings erst nach der Übernahme. Doch auch das wurde vom Kartellamt zunächst nicht akzeptiert, das Gremium forderte, Pro 7 vor dem Verkauf an Springer aus der Gruppe zu trennen. Da stellt sich Döpfner wiederum quer.

Kurzfristig sah es so aus, als ob ein Kompromiss erzielt werden könne, demzufolge Pro 7 nach der Transaktion verkauft werde. Doch dagegen protestierte der betreffende Sender, denn damit würde er Lizenzen und Fernsehrechte verlieren und wäre kaum überlebensfähig. Daraufhin trat Döpfner von seinem Angebot zurück und das Kartellamt entschied erwartungsgemäß gegen die Fusion. Der Zusammenschluss würde dem Fernsehwerbemarkt, dem Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen sowie dem bundesweiten Anzeigenmarkt für Zeitungen zu einer nach dem Kartellrecht nicht genehmigungsfähigen Markamacht führen, erläuterte Kartellamtspräsident Ulf Böge in einer Pressemitteilung des Gremiums.

Fehde-Handschuh

Werde die Transaktion untersagt, wolle er dies "sportlich nehmen", sagte Döpfner bei der Neujahrsansprache, und sich anderen Geschäftsbereichen - vor allem im Ausland - widmen. Ganz so "sportlich" ist er scheinbar doch wieder nicht, denn in seiner Rede klang deutliche Kritik an den Entscheidungsträgern durch: Dem "sieben Mal kleineren" Springer-Verlag würde verwehrt, dem "sieben Mal größeren" Bertelsmann-Konzern "ein bisschen ebenbürtiger" zu werden, selbst wenn er anböte, "den gesamten Springer-Konzern zu verkaufen".

Nach Bekanntwerden der Entscheidung warf der Verlag umgehend den Fehde-Handschuh aus: "Springer werde nun prüfen, ob man vor Gericht ziehe oder eine Ministererlaubnis beantrage", war auf der Website des Hamburger Abendblattes zu lesen. Spontane Schützenhilfe bekam Döpfner vom bayrischen Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) und dem Präsidenten der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, Wolf Dieter Ring. Huber forderte Glos auf, einzugreifen und Ring kündigte an, die Direktorenkonferenz anzurufen, um die KEK zu überstimmen.