Eltern: Brüllen entfremdet die Kinder
Herbe Erziehungsmethoden führen zu schlechten Schulleistungen der Kinder, behauptet eine US-Studie
"Parenting" muss man nicht mehr übersetzen. Der englische Begriff für Erziehung hat längst in deutschsprachigen Artikeln Eingang gefunden, die neuen Entwicklungen bzw. neubürgerlichen Trends nachspüren. Dazu gehört ein Verständnis von Elternschaft, das nicht die alten Fehler begehen will. "Parenting" wird vielleicht deswegen als geeignetes Fremdwort übernommen, weil damit das "Eltern-Sein", das Selbstverständnis der eigenen Rolle, der Stolz darauf usw. mehr betont wird.
Eltern-Sein hat an Bedeutung gewonnen, unübersehbar in den Medien wie auch auf der Straße, ebenso die richtige Erziehung: Die neuen Eltern wollen nichts falsch machen. Bloß nicht. Andere Eltern können die Hölle sein oder noch schlimmer: Die Kinder könnten sich falsch entwickeln.
Für die Studie, um die es hier geht, ist der Begriff des "harsh parenting" entscheidend. "Herb" und "rau", "scharf" bietet Leo als Übersetzung an; es handelt sich um eine autoritäre Erziehung mit Einsatz härterer Mittel: Genau gemeint sind "Akte verbaler oder physischer Aggression, Anschreien, Beschimpfen, Drängeln oder auch Drohungen gegenüber dem Kind", wie es die Entwicklungspsychologin Rochelle F. Hentges definiert. Der Begriff ist zentral für die Studie ist, an der sie federführend mitwirkte.
Schulleistungen lassen nach
Die Studie fand heraus, dass sich gewünschte Erziehungsziele damit nicht verwirklichen lassen. Siebtklässler in den USA, die auf diese Art behandelt wurden, gaben nicht viel auf die elterlichen Anforderungen. Männliche Schüler wandten sich auffällig mehr ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis (peer-group) zu, der zu Ablenkungen führt, die mit Hausaufgaben konfligieren, sie wurden "rebellisch" und hatten einen Hang zu Rechtsverstößen ("Ladendiebstahl"). Die Schulleistungen in der neunten Klasse ließen merklich nach.
Wir fanden heraus, dass Kinder, die einem höheren Grad an harsh parenting ausgesetzt waren, mit größerer Wahrscheinlichkeit der Auffassung waren, dass es in Ordnung sei, gegen die Regeln der Eltern zu verstoßen, um ihre Freunde zu behalten, und dass sie mehr Zeit mit ihren Freunden verbrachten statt andere Dinge zu erledigen, die sie erledigen sollten wie zum Beispiel Hausarbeiten für die Schule oder im Haushalt. Sie waren für den Druck aus der peer group empfänglicher.
Rochelle F. Hentges
Bei den Mädchen der siebten Klasse, die "harsh parenting" ausgesetzt waren, zeigte sich, dass sie früher sexuelle Erfahrungen suchten. Auch das wird von der Entwicklungspsychologin Hentges in Zusammenhang mit schlechteren Schulleistungen gebracht - mit der Aussicht, dass sich das wahrscheinlich die nächsten Schuljahre bis zur 11.Klasse nicht bessert. Generell beschreibt Hentges die Aussichten für Kinder, die von ihren Eltern mit den beschriebenen Härten behandelt werden, als schlecht, wenn es um den Schul-oder Collegeerfolg geht.
Inwieweit hier die Pubertät, die ja keinen geringen Einfluss auf das Verhalten ausübt, mithineinspielt und von der Studie berücksichtigt wird, lässt sich an den Aussagen der Studienverfasserin wie auch an den öffentlich zugänglichen Studienergebnissen nicht ablesen. Deutlich gemacht wird nur, dass bestimmte Faktoren wie ethnische Herkunft, Familieneinkommen und der Bildungshintergrund herausgefiltert wurden.
Das Besondere an der Studie ist zum einen die ansehnliche Größe der Stichprobe c.a. 1.500 Schüler und zum anderen das umfangreiche Datenmaterial, das es gestattete, ihre Entwicklung über mehrere Jahre zu verfolgen. Unterlegt ist die Studie, wie Hentges erklärt, mit einem "evolutionären Ansatz", wonach Kinder, die es mit einer rigiden Umgebung zu tun haben, ihre Aufmerksamkeit nicht mehr auf längerfristige Ziele wie etwa einen guten Schul- oder Collegeabschluss richten, sondern auf augenblickliche Gratifikationen oder Ablenkungen. Sie wollen eher die "schnelle Belohnung", als das größere, weiter entfernte Ziel zu verfolgen.