Energiepreise: Regierung beschließt Hilfspaket
Eine Energiepauschale, Bonus-Zahlungen, billigere Treibstoffe und Bustickets sollen die Mitte der Gesellschaft entlasten. Ratlosigkeit gegenüber Putins neuestem "Trick"
Die Bundesregierung reagiert auf die hohen Energiepreise. Die Spitzenvertreter der Koalition aus SPD, Grüne und FDP einigten sich auf eine Energiepreispauschale, Steuererleichterungen, Subventionen bei Treibstoffen, einen Einmalbonus für Familien mit Kindern, Einmalzahlungen für Empfänger von Sozialleistungen und verbilligte Tickets für den Öffentlichen Personennahverkehr. Es gibt Appelle ans Energiesparen und es herrscht eine gewisse Ratlosigkeit gegenüber Putins "neuestem Trick", dass Öl- und Gas aus Russland in Rubel bezahlt werden muss.
"Die 'Mitte' der Gesellschaft solle schnell, unbürokratisch und sozial gerecht entlastet werden", heißt es zum neuen Hilfspaket. Als erstes wird die Einführung einer "Energiepreispauschale" genannt:
Konkret heißt das, dass allen einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen einmalig eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt werde. Diese muss versteuert werden.
Tagesschau
Ausgezahlt wird die über Lohnabrechnung des Arbeitgebers, präzisiert die Faz. Da die Pauschale der Einkommensteuer unterliegt, bleibt "netto entsprechend weniger hängen". Bei den Selbständigen soll die Einkommenssteuer-Vorauszahlung einmalig gesenkt werden.
Zur Energiepreispauschale hinzukommt eine Reduktion der Energiesteuer auf Kraftstoffe - für drei Monate. Um Pendler und Firmen zu entlasten, soll sie "auf das europäische Mindestmaß abgesenkt" werden. Laut Finanzminister Lindner (FDP) soll Benzin um 30 Cent je Liter und Diesel um 14 Cent pro Liter verbilligt werden.
Bei Empfängern von Sozialleistungen hat man sich auf eine weitere Einmalzahlung von 100 Euro geeinigt, nachdem ein vorgängiges Hilfspaket bereits eine Einmalzahlung ebenfalls in dieser Höhe beschlossen hatte. Um Härten für Familien abzufedern, ist ein Bonus geplant, für "jedes Kind ergänzend zum Kindergeld, einmalig in Höhe von 100 Euro. Der Bonus soll auf den Kinderfreibetrag angerechnet werden.
Kurzfristig soll für die Dauer von drei Monaten "ein Ticket für neun Euro pro Monat für den Öffentlichen Personennahverkehr" eingeführt werden. Die Länder sollen dafür die entsprechende Mittel bekommen. Ob sie auch dafür sorgen können, dass die Busse auf dem Land auch genügend oft und verlässlich verkehren? Die Erfahrung im reichen Süden des Landes, Bayern, spricht nicht unbedingt dafür.
Die Formel, die vor Bekanntgabe der Maßnahmen an Medien ausgegeben wurde, sprach von "umfangreichen und entschlossenen Maßnahmen zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und zur Stärkung der energiepolitischen Unabhängigkeit", auf die man sich in einer langen nächtlichen Sitzung verständigt habe.
Aus der Sitzung wird berichtet, dass Wirtschaftsminister Habeck "mehr Anstrengungen beim Energiesparen als Bedingung für ein Entlastungspaket" vorbrachte und dass die Bundesregierung weiterhin ein Embargo russischer Energielieferungen ablehnt. Dazu liefert der Bericht des ARD-Hauptstadtstudios den Kommentar, dass die überraschende Ankündigung Putin, dass russische Gaslieferungen künftig in Rubel bezahlt werden sollen, die Beratungen "erschwert haben dürften".
Habeck sieht in der Maßnahme des russischen Präsidenten einen Vertragsbruch. Die Regierung werde mit ihren europäischen Partnern beraten. Den Vorwurf eines Vertragsbruchs dürfte Russlands Präsident, der nach Ansicht einer Expertin damit einen "eher politisch als ökonomisch motivierten Schachzug" realisiert, als Kollateralschaden werten, wie kommentiert wird. Jedenfalls spricht einiges dafür, dass die russische Führung momentan andere Prioritäten hat, als dass sie Schiedsgerichte fürchtet.
Bisher lauten die Verträge auf Dollar oder Euro, doch mit seinem "Gas-Trick" habe Putin den Westen überrascht, kommentiert die taz. Da westliche Unternehmen keine Waren mehr nach Russland liefern, könne man mit Euro oder Dollar "derzeit nichts anfangen". Putin habe "jetzt einen Weg gefunden, um den Außenwert des Rubels stabil zu halten – obwohl die Inflation in Russland weiter steigt".
Der Westen kann sich auf dieses Spiel einlassen – sofern Putin keine Phantasiepreise für seinen Rubel verlangt, wenn er in einer Woche den Kurs bekannt gibt. Denn am Kriegsverlauf ändert die Rubel-Nummer gar nichts. Es ist vor allem ein Propaganda-Trick, um der russischen Bevölkerung zu signalisieren, dass Russland ökonomisch nicht völlig machtlos ist.
Ulrike Hermann, taz
Geht es nach Informationen von ntv, so glaubt Habeck dagegen an eine große Wirksamkeit eines Embargos – einerseits: Möglicherweise könne dies den Krieg in der Ukraine "in drei Tagen" beenden. Anderseits: Sicher ist sich Habeck aber nicht.
Vielmehr sprächen "die Indizien eher dagegen". Sein Schluss daraus: Man dürfe bei Importen von Öl, Gas und Kohle aus Russland "nicht unbedacht handeln, sondern schrittweise vorgehen".
Um sich aus der Energie-Abhängigkeit von Russland zu befreien, müsse man sich breiter aufstellen, weswegen er nach Katar gefahren sei und mehr auf "Effizienz und Einsparung im Energiesektor" setzen.