Energieversorgung: Nicht nur russisches Erdgas wird knapp
Die schlechten Nachrichten für die Gasversorgung in Deutschland und Europa häufen sich. Selbst die transatlantische Freundschaft könnte in Gefahr geraten. Ein Kommentar.
Der Gaspreis kennt im Moment nur einen Trend – den nach oben. Und es scheint, als folgte eine Hiobsbotschaft auf die nächste, zumindest für die Versorgung der Bundesrepublik.
Erst brennt eine LNG-Anlage in Texas, die Europa beliefern sollte; dann reduziert Gazprom die Gaslieferung über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1; und am Donnerstag brannte es auf dem sibirischen Urengoi-Feld, dessen Gas in die Europäische Union geliefert wird.
Deutschland ist schon in heller Aufregung, weil noch niemand mit Bestimmtheit sagen kann, ob er sich im kommenden Winter das Heizen noch leisten kann oder sich lieber schon mit dicken Pullovern eindecken sollte.
Die westlichen Sanktionen haben bereits für eine mittlere Katastrophe gesorgt: Gasturbinen, die zur Wartung nach Kanada geschickt wurden, können nicht wieder an Russland ausgeliefert werden. Das Ergebnis davon ist, dass der Durchfluss von Nord Stream 1 inzwischen um knapp 60 Prozent reduziert werden musste.
Es ist nicht auszuschließen, dass die Leitung ganz versiegt. Die russische Botschaft bei der Europäischen Union hatte am Donnerstag angedeutet, dass die Gaslieferungen ganz ausgesetzt werden könnten, weil notwendige Reparaturen nicht durchgeführt werden können.
Die Bundesregierung sieht darin eine politische Absicht; die russische Seite wolle Unruhe stiften und die Preise hochtreiben. Sie kann es natürlich nicht zugeben, dass die Sanktionen die eigentliche Ursache für die Misere sind.
Zweierlei Maß
Es fällt aber dabei auf, dass die Bundesregierung hier mit zweierlei Maß misst. Denn die USA hatten zugesagt, Europa ebenfalls mit Gas zu beliefern, damit die Alte Welt nicht zu abhängig von russischem Gas bleibt. Doch dieser Verpflichtung werden die USA nun nicht nachkommen können – ganz ohne böse Kommentare zu ernten.
Die texanische Freeport-Anlage ist eines der größten Exportterminals für verflüssigtes Erdgas (LNG) im Land. Durch einen Brand in der vergangenen Woche ist sie bis September vollständig außer Betrieb – und bis Jahresende wird sie wohl nur teilweise in Betrieb gehen. In Europa sind schon allein dadurch die Preise um bis zu 21 Prozent gestiegen.
In der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag gingen Bilder einer brennenden Erdgas-Anlage in Russland um die Welt, unter anderem verbreitete sie das Portal Nexta. Der russische Energiekonzern Gazprom beeilte sich zwar damit, zu beschwichtigen und zu betonen, dass der Brand keine Auswirkungen auf die Produktion habe – doch der Gaspreis stieg dennoch deutlich an.
Es könnte auch sein, dass der Gastransit über die Ukraine nicht mehr gesichert ist. Das Wall Street Journal veröffentliche am Mittwoch einen Artikel, in dem dieses Szenario in den Bereich des Möglichen gerückt wird.
Es sei unwahrscheinlich, dass das "Bündnis" zwischen Gazprom und dem ukrainischen Naftogaz langfristig überleben werde, egal wie der Krieg in der Ukraine ausgehe. Naftogaz hat gegen Gazprom geklagt, weil angeblich zu wenig Gas über die Ukraine geleitet wird. Die russische Seite beruft sich darauf, dass es von der ukrainischen Seite nicht erlaubt wird, Gas in der Region Lugansk einzuspeisen.
Preisunterschiede beeinflussen transatlantische Partnerschaft
Alles zusammen dürfte nicht folgenlos für das Verhältnis zwischen den USA und Europa bleiben. Die unterschiedlichen Preisniveaus für Erdgas könnten nach Meinung des Wall Street Journals die Freundschaft zwischen den USA und Europa beenden oder zumindest zwischen beiden Seiten eine tiefe Kluft entstehen lassen.
Der Brand in der Freeport-Anlage hat nämlich dazu geführt, dass weniger Erdgas ausgeführt wurde. Der Gaspreis sank in den USA, während er in den europäischen Ländern stark anstieg. Zumindest die Einheit gegenüber Russland dürfte brüchig werden, sollte sich die Entwicklung in dieser Form fortsetzen.
Die Bundesregierung scheint hilflos angesichts dieser Probleme. Bis auf die Appelle an die Bürger, Energie zu sparen, fällt ihr bislang nichts ein. Doch so sehr auch Bürger sparen mögen, den Bedarf der Wirtschaft werden sie dennoch nicht sichern können. Viele Arbeitsplätze drohen, verloren zu gehen. Das versucht die Bundesregierung aber noch aus der Debatte herauszuhalten.