"Er versteht mehr von Verteidigung als ich"
Der indonesische Präsident hat überraschend seinen ärgsten Rivalen zum Verteidigungsminister gemacht - Hintergrund sind Wirtschaftsreformen, die Joko Widodo mit einer großen Koalition angehen will
Am Sonntag wurde Joko Widodo das zweite Mal als indonesischer Präsident vereidigt. Drei Tage darauf gab er sein neues Kabinett bekannt, das einige prominente Mitglieder enthält: Für die indonesischen Staatsunternehmen zuständig ist künftig der Sport- und Unterhaltungstycoon Erick Thohir, dem das NBA-Team Philadelphia 76ers gehört und der in Europa vor allem als Präsident von Inter Mailand bekannt ist. Kultusminister wird Nadiem Makarim, der Gründer des Internet-Taxidiensts Gojek. Und Finanzministerin bleibt Sri Mulyani Indrawati, die ehemalige Verwaltungdirektorin der Weltbank.
Mit Abstand am meisten Aufsehen erregte aber eine andere Personalie: Die Entscheidung für Prabowo Subianto als Verteidigungsminister. Prabowo galt nämlich als ärgster Widersacher des alten und neuen Präsidenten, der nicht nur bei der Präsidentschaftswahl im April, sondern bereits bei der 2014 gegen ihn antrat. Und als er zum zweiten Mal verlor, war es nach Manipulationsvorwürfen zu gewalttätigen Unruhen gekommen.
Spezialeinheit Kopassus
Darüber hinaus werden Prabowo Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, wegen denen er allerdings niemals angeklagt wurde. Sie reichen bis in das Jahr 1983 zurück, als Prabowo Kommandeur der Spezialeinheit Kopassus war, die im heute unabhängigen christlichen Osttimor bei einer Vergeltungsaktion vergewaltigt, gefoltert, vertrieben und fast 300 Zivilisten getötet haben soll. Und sie enden 1998, als sein Schwiegervater und damaliger Staatschef Suharto nach der massenhaften Ermordung von Angehörigen der chinesischen Minderheit durch einen moslemischen Mob stürzte.
Joko begründete seine überraschende Wahl (die auf dem ersten Blick nicht ganz risikolos wirkt) gestern eher scherzhaft mit der Bemerkung, Prabowo verstünde halt mehr von Verteidigung als er selbst. Als eigentlichen Grund dafür sieht das Wirtschaftsnachrichtenportal Bloomberg aber das Vorhaben eines groß angelegten Wirtschaftspolitikprogramms mit einer Senkung der Unternehmenssteuern von 25 auf 20 Prozent, einem Abbau von Hindernissen und Beschränkungen für ausländische Investoren und einem Umbau des Arbeitsrechts, der für mehr Beschäftigung sorgen soll.
Religiöse und ethnische Probleme
Die faktische Große Koalition, die Joko mit seinem neuen Kabinett eingegangen ist, könnte ihm nicht nur dabei helfen, diese Pläne durch das Parlament zu bringen, sondern auch, den außerparlamentarischen Widerstand dagegen möglichst gering zu halten. Dass er es versteht, entsprechende taktische Entscheidungen zu treffen, zeigte er bereits bei der Auswahl seines Stellvertreters: Ma'ruf Amin vom Majelis Ulama Indonesia (MUI) sicherte ihm in der Wahl die Stimmen vieler Islamisten.
Die Zugeständnisse, die der Präsident an diese Wähler machen wollte, hatten Ende September allerdings zu den größten Demonstrationen seit 20 Jahren geführt, deren Teilnehmer mit dem Hashtag #semuabisakena ("das betrifft jeden") daran erinnerten, dass die geplanten bis zu sechs Monaten Haft für außerehelichen Geschlechtsverkehr auch Touristen auf der Insel Bali angedroht wären, was negative wirtschaftliche Folgen haben könnte. Nachdem sich das in australischen Medien herumsprach, verschob Joko das Vorhaben auf die Zeit nach seiner Neuvereidigung.
Ebenfalls Ende September kam es zu schweren Ausschreitungen im Landesteil Irian Jaya, der Westhälfte der Insel Neuguinea. Deren Ureinwohner unterscheiden sich nicht nur sprachlich und religiös, sondern auch physiognomisch deutlich von der indonesischen Mehrheitsbevölkerung, deren Ansiedlung verschiedene indonesische Staatsführungen seit Beginn des Transmigrasi-Programms vor 50 Jahren fördern.
Zentrum der Unruhen war das Hochlandzentrum Wamena, wo mindestens 31 Menschen ums Leben kamen. Den indonesischen Behörden befanden sich darunter nur vier Papuas, aber 27 Zuwanderer, die teilweise in angezündeten Gebäuden verbrannten und teilweise durch Pfeil- und Speerwunden ums Leben kamen. Nach den Unruhen flohen viele Papuas in ihre Dörfer und zahlreiche Zuwanderer in die Küstenstadt Jayapura.
Außer auf Neuguinea führten die Folgen des Transmigrasi-Programms auch auf der großen Dschungelinsel Borneo immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Hier sind es 3,2 Millionen Dayak, die mindestens 13 Millionen Zuwanderern gegenüberstehen. Die Spannungen zwischen diesen beiden Gruppen könnten zunehmen, wenn Joko die indonesische Hauptstadt wie geplant dorthin verlagert (vgl. Überschwemmungsgeplagte indonesische Hauptstadt zieht um)
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