Erdogan bekräftigt Drohung gegen Griechenland

Seite 2: Streit über eine Demilitarisierung der Inseln

Die Türkei stört sich an der Präsenz von Militär auf den griechischen Ägäisinseln. Sie erklärt, dass diese Inseln vertraglich demilitarisiert sein müssten, und benutzt diesen Umstand zur Drohung mit einer Invasion. Faktisch stellt die Türkei die Souveränität Griechenlands über seine Inseln infrage.

Neben dem bereits seit Jahren andauernden Disput über die Erdgasvorkommen in der Ägäis wirft die Türkei ihrerseits territoriale Verletzungen vor. So schreibt die regierungsnahe Tageszeitung Daily Sabah, seit Anfang 2022 hätten griechische Kampfflugzeuge "256 Mal den türkischen Luftraum verletzt" und 158 Mal türkische Jets bedrängt. "Auch Boote der griechischen Küstenwache verletzten 33 Mal türkische Hoheitsgewässer."

Die Türkei beruft sich in ihrer Argumentation auf den 1923 vereinbarten Friedensvertrag von Lausanne. Das griechische Außenministerium hat bereits mehrfach erklärt, warum spätere Verträge die in Lausanne vereinbarte Demilitarisierung einiger Inseln aufheben.

Hinsichtlich der Dodekanes gibt es einen 1947 zwischen Italien und den Alliierten des zweiten Weltkriegs abgeschlossenen Vertrag, der die Inseln Griechenland zuschreibt. Dort wurde, damals auf Druck der UdSSR eine Demilitarisierung vereinbart, die Türkei war aber nicht Vertragspartner.

Das griechische Außenministerium erwähnt zudem die seit 1974 andauernde Besetzung des nördlichen Teils Zyperns durch türkische Truppen und die wegen des Streits über die Zwölf-Meilen-Zone immer noch bestehende Drohung der Türkei mit dem "Casus Belli" und nicht zuletzt die Luftraumverletzungen.

Die oben genannte Sachlage, kombiniert mit der Kriegsgefahr (Casus Belli) und der allgemeineren revisionistischen Tendenz der Türkei in Bezug auf den territorialen und rechtlichen Status der griechischen Inseln, wie er durch internationale Verträge und das Völkerrecht im Allgemeinen definiert wird, verpflichtet und legitimiert Griechenland, notwendige Verteidigungsvorbereitungen, die es ihr ermöglichen, erforderlichenfalls das in Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen vorgesehene Selbstverteidigungsrecht auszuüben und die griechischen Inseln zu schützen, weiter auszubauen.

Aus einer Stellungnahme des griechischen Außenministeriums

Sowohl in der Türkei als auch in Griechenland stehen im Jahr 2023 Wahlen an. Das lässt befürchten, dass auch aus innenpolitischen und wahlkampfbedingten Gründen die Spannungen weiter auf hohem Niveau gehalten werden. Dadurch wächst wiederum die Gefahr, dass ein kleiner Zwischenfall eine größere militärische Auseinandersetzung auslösen könnte.

Wie sieht es abseits der politischen Ebene aus?

Auf zwischenmenschlicher Ebene sieht die Situation erheblich entspannter aus. So berichtet der türkische Journalist Yavuz Baydar, dass er bei einem zehntägigen Aufenthalt in Griechenland keine Ressentiments und keinen gefährlichen Nationalismus erlebt habe. Seine Reportage wurde in der griechischen Tageszeitung Ta Nea übersetzt veröffentlicht. Baydar fürchtet allerdings, dass er wegen des Artikels in seiner Heimat als Verräter beschimpft werden wird:

Jetzt wird eine Welle der Verleumdungen gegen mich aufkommen: Begriffe wie "Agent der Griechen" werden zu hören sein. Die Motivation des Journalisten ist Neugier und Wahrheit. Es ist auch zu fragen: "Und die andere Seite?". Und vergessen wir nicht: Nationalismus legitimiert sich dadurch, dass wir den Gegner zum Feind machen.


Yavuz Baydar, Journalist

Ganz so schlimm ist es in Griechenland noch nicht. Hier übertreiben die Medien mit ihrer Einschätzung der Wirkung der griechischen Diplomatie. "Ganz Europa wird Zeuge der Spannungen zwischen Ankara und Athen" titelte kürzlich das Internetmagazin Capital. Den Lesern wird mit solchen Veröffentlichungen ein ums andere Mal suggeriert, dass die übrigen westlichen Staatschefs in irgendeiner Form Sanktionen gegen die Türkei ergreifen werden, was jedoch bislang noch nicht eintrat.