Erweiterung der Altersarmut ins Berufsleben

Die Bundesregierung plant einen Rentenvorsorgezwang für Selbständige

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In Ursula von der Leyens Arbeitsministerium schnürt man derzeit ein großes "Rentenreformpaket". Eine der darin geplanten Neuerungen ist, dass der Staat künftig sehr viel stärker als bisher regelt und kontrolliert, wie Selbständige für ihr Alter vorsorgen.

Grund dafür ist eine Statistik des Altersforschungsinstituts MEA, nach der etwa zehn Prozent der heute Selbständigen im Alter auf die Grundsicherung zurückgreifen müssen. Obwohl einiges dafür spricht, dass der weitaus größte Teil dieser Personen nicht aus Nachlässigkeit, sondern aus Finanzknappheit auf Altersversorgungsanlagen verzichtet, die so etwas möglicherweise verhindern könnten, sieht von der Leyen die Lösung dafür in einer Versicherungspflicht, die so gestaltet ist, dass vor allem Unternehmen wie Allianz, MLP und AWD davon profitieren.

Die bislang durchgesickerten Details wecken bei vielen schlechter verdienenden Freiberuflern die Angst, dass sie nicht erst im Rentenalter unter das Existenzminimum fallen, sondern schon im nächsten Juli. Dann soll das Gesetz nämlich in Kraft treten. An einer Petition gegen das Vorhaben, die noch bis zum 22. Mai läuft, beteiligten sich bis gestern knapp 30.000 Mitzeichner, die befürchten, dass sie durch das geplante "Geschenk an die Versicherungsindustrie" ihren Beruf aufgeben und Hartz IV beantragen müssen.

Im Arbeitsministerium hat man solche Befürchtungen nur bedingt Verständnis und verweist auf Schätzungen, nach denen 200 bis 300 Euro im Monat für eine angemessene Altersvorsorge ausreichen. Doch abgesehen davon, dass solch eine Summe für viele Selbständige, die kaum die monatlichen Prämien für ihre Krankenversicherung zusammenkratzen können, exorbitant hoch ist, hat sie den Makel, dass bei ihrer Berechnung von 45 Versicherungsjahren ausgegangen wird. Gelten soll die Versicherungspflicht aber nicht nur für Berufsanfänger, sondern für alle, die nach dem 1. Juli 1963 geboren sind. Und je später ein Selbständiger einsteigt, desto höher werden die Beiträge, die er einzahlen muss, um auf die geforderte Mindestrente in Höhe von 660 Euro monatlich zu kommen.

Um hier Härtefälle zu vermeiden, soll es Übergangsregeln für Selbständige geben, die zwischen dem 1. Juli 1963 und dem 30. Juni 1983 geboren sind. Für sie soll es jedoch nur dann Ausnahmen geben, wenn sie größere Ersparnisse oder Immobilien nachweisen. Unabhängig vom Alter befreit bleiben sollen darüber hinaus berufsständisch Versicherte wie Architekten, Ärzte, Rechtsanwälte und Landwirte. Außerdem soll es eine mehrjährige "Schonfrist" für Berufseinsteiger geben.

Geringverdiener fahren trotzdem möglicherweise dann am besten, wenn sie statt einer privaten die gesetzliche Rentenversicherung wählen, bei der sich der Beitrag bei 19,5 Prozent des Bruttoeinkommens liegt. Allerdings müssen sie dort nicht nur den Arbeitgeber-, sondern auch den Arbeitnehmeranteil übernehmen - und bei einem Gesamteinkommen von beispielsweise 1000 Euro sind 195 Euro alles andere als ein Pappenstiel. Vor allem dann, wenn während einer Durststrecke zeitweise noch weniger verdient wird. Wer Künstler, Musiker oder Autor ist, der kann diesen Effekt über die Künstlersozialkasse abschwächen, die den Arbeitgeberanteil übernimmt und dafür Beiträge von Unternehmen einzieht, die schöpferisch tätige Freiberufler beschäftigen.

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