Es geht um Staatsschutz, nicht um Antifaschismus
Die Junge Alternative wurde als "gesichert rechtsextrem" eingestuft. Es ist bestenfalls naiv, wenn Linke das begrüßen. Warum der Verfassungsschutz kein Partner im Kampf gegen Rechts sein kann.
Besonders überraschend war es nicht, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA), die rechte Denkfabrik Institut für Staatspolitik und die rechte NGO "Ein Prozent" als gesichert rechtsextrem eingestuft hat. Erstaunlich ist eher, dass dieser Schritt auch von Teilen der Linken als Indiz dafür gesehen wird, dass die Verfassungsschutzbehörden nun Partner im Kampf gegen Rechts seien.
"Immerhin: Nun setzt der Verfassungsschutz ein nicht ganz selbstverständliches Zeichen", kommentiert Konrad Litschko in der taz den Schritt des Verfassungsschutzes. Dabei hat er doch als taz-Redakteur, der die rechte Szene beobachtet, seit Jahren zur antifaschistischen Aufklärung beigetragen und dabei bewiesen, dass man nun wirklich keinen Stempel des Verfassungsschutzes braucht, um zu wissen, was in der rechten Szene vor sich geht.
Daher ist es auch naiv, wenn Litschko jetzt fordert, auch die AfD insgesamt als gesichert rechtsextrem einzustufen, obwohl er selbst konstatiert, dass dies der Partei nicht schaden wird. Im Gegenteil, sie kann sich umso wirkungsvoller als Opfer eines imaginären linken Staatsapparats inszenieren, was ihren Zusammenhalt nur fördern dürfte.
Litschko ist zugutezuhalten, dass er betont, nicht der Stempel des Verfassungsschutzes sei entscheiden, sondern das gesellschaftliche Engagement gegen Rechts, zu dem er mit seinen Artikeln in den letzten Jahren auch beigetragen hat. Doch dann müsste er hinzufügen, dass ebendieses Engagement von genau den Verfassungsschutzämtern, die jetzt auch mal Rechten ihren Stempel aufdrücken, immer wieder behindert und auch kriminalisiert wurde.
Denn bei der Einstufung von Junge Alternative und Co. geht es nicht um Antifaschismus, sondern um Staatsschutz, was auch in der Presseerklärung des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) verdeutlicht wird, wenn dort über die Junge Alternative geschrieben steht:
Eine Vielzahl von Diffamierungen und Verunglimpfungen politischer Gegner, aber auch des Staates und seiner Repräsentanten an sich, ist Ausdruck davon, dass es der JA nicht um eine Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern um eine generelle Herabwürdigung des demokratischen Systems der Bundesrepublik Deutschland.
Aus der Pressemitteilung des Bundesamts für Verfassungsschutz
Gegen jeden Extremismusbegriff
Wer sich nun als Linker positiv auf diese Staatsschutzorganisationen beruft, vergisst wichtige Teile linker Theorie und Praxis. Dazu gehört die von antifaschistischen Gruppen aus Leipzig initiierte Initiative gegen jeden Extremismusbegriff. Es ist kein Zufall, dass man im Internet fast nur noch auf das Archiv und die sozialdemokratischen Kritiker der Initiative stößt, die eigentliche Kampagnen-Homepage aber kaum noch findet.
Dabei haben die vor rund 15 Jahren formulierten und auch in Buchform veröffentlichten Argumente nichts von ihrer Plausibilität verloren. Wer von "Extremismus" redet, hat immer eine Stoßrichtung gegen Linke und Rechte und imaginiert eine demokratische Mitte. Aber gerade diese Mitte ist das Problem und müsste Gegenstand von Kritik sein.
Heute scheint der Extremismusbegriff bis weit in die Linke normalisiert, sodass sich keiner mehr dran stört, wenn das BfV mal den Links- und mal den Rechtsextremismus-Stempel verteilt. Lange war es in großen Teilen der gesellschaftlichen Linken Konsens, die Abschaffung des Verfassungsschutzes zu fordern. Besonders nach der Aufdeckung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), der vom Verfassungsschutz fürsorglich belagert, aber nicht bekämpft wurde, hatte diese Forderung bis weit in liberale Kreise Konjunktur.
Das hatten auch zehn Jahre später nicht alle vergessen, wie das engagierte Plädoyer für die Auflösung des Verfassungsschutzes von Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung zeigte. Doch wer jetzt die Listung der rechten Organisationen lobt, legitimiert den Verfassungsschutz und kann sich dann kaum beschweren, wenn er in absehbarer Zeit auch wieder gegen Antifaschisten oder Klimaaktivisten mit der Extremismuskeule vorgeht. Die repressiven Staatsorgane sind nicht für Antifaschismus, sondern für Staatsschutz zuständig.
"Zensur in der Kulturförderung verstößt gegen das Grundgesetz"
Aber manche Linke und Liberale schreien förmlich nach mehr Staatsschutz. Das wurde erst vor einigen Tagen deutlich, als ein Rechercheteam des Deutschlandfunks meinte, einen Skandal darin erkennen zu können, dass auch einige Bücher mit rechten Thesen von den Corona-Hilfen der letzten Jahre profitiert haben. Dankenswerterweise hat der Vorsitzende des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, dazu einige vernünftige Sätze gesagt:
Zum zweiten Mal versucht Deutschlandfunk Kultur durch eine tendenziöse Berichterstattung, die Corona-Unterstützung der Bundesregierung für den Kulturbereich zu skandalisieren. Die Überschrift der Recherche "Corona-Fördermittel für rechtsextreme Buchprojekte" legt nahe, dass ein erheblicher Teil der Fördermittel für rechtsextreme Inhalte vergeben wurde.
Die Rechercheergebnisse sagen aber nichts über die Größenordnung aus. Dieses Vorgehen erinnert nicht an die Arbeit eines öffentlich-rechtlichen Senders, sondern an die Bild-Zeitung.
Olaf Zimmermann, Deutscher Kulturrat
Ist es verwunderlich, dass Linke zunehmend an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie überall Skandale wittern, nur weil unter der Masse der Bücher, die gefördert wurden, auch einige Rechte waren?
Es ist zu hoffen, dass auch linke Verlage die Gelegenheit genutzt haben, Bücher mit antifaschistischen, feministischen und antirassistischen Inhalten fördern zu lassen und womöglich auch Literatur, die sich mit antimilitaristischer Theorie und Praxis und mit Alternativen zum Kapitalismus befasst.
Darüber wäre dann zu reden; und nicht über einige rechte Bücher, die das Rechercheteam erst so richtig bekannt macht. Ein Skandal wäre es erst, wenn gezielt rechte Bücher durch die Corona-Hilfen gefördert, linke Verlage und Themen aber ausgeschlossen wurden. Aber davon ist auch durch die Recherche nichts bekannt geworden.
Geldverschwendung zur DDR-Delegitimierung: Kein Rechercheteam?
Es ist schon bemerkenswert, für welche Themen Deutschlandfunk und Co. Rechercheteams einrichten und welche sie ignorieren. Ist noch bekannt, dass der Bundesrechnungshof vor wenigen Tagen gerügt hat, dass 17 Millionen an Steuergeldern ausgegeben wurden für den gescheiterten Versuch der Wiederherstellung Stasi-Dokumenten, die in den "Wendewochen" vernichtet worden waren?
Es wäre doch eine Recherche wert, wer auf die Idee kam, für ein Projekt, das ausschließlich der Delegitimierung der vor mehr als 30 Jahren aufgelösten DDR diente, Millionen zu verschwenden – und ob noch einige der Verantwortlichen im Amt sind.
Dabei braucht es keine derartige Delegitimierung, um als Konsequenz aus der Praxis der DDR-Staatssicherheit sämtliche Geheimdienste, einschließlich des Bundesamts für Verfassungsschutz abzuwickeln.
Der Autor hat für die von ihm mit herausgegebenen Bücher keine Corona-Hilfen beantragt und erhalten.
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