Es ist bereits zu spät!
Der SETI-Pionier Frank Drake über die schwierige Suche nach außerirdischen intelligenten Technologien
Frank Drake ist ein netter, sympathischer und vor allem geduldiger Zeitgenosse. Gezeichnet vom Jetlag und einer anstrengenden Konferenz, nahm sich der US-Radioastronom und SETI-Forscher (SETI=Search for Extraterrestrial Intelligence/Suche nach außerirdischer Intelligenz) Ende Mai 2009 am Rande des Leibniz-Kollegs Astrophysics and the Search for Extraterrestrial Life, einen Tag vor seinem 79. Geburtstag, Zeit für ein kurzes Interview.
Zwei Tage später brach er wieder nach Kalifornien auf. In einschlägigen Kreisen gilt Drake als lebende Legende; zuweilen bezeichnen ihn einige als SETI-Papst, als weisen Nestor des SETI-Programms. Im April 1960 rief er das Projekt OZMA ins Leben und startete den ersten systematischen Lauschangriff auf ET und Konsorten. Heute, als Präsident des SETI-Instituts in Kalifornien, macht Drake hin und wieder Werbung in eigener Sache und bereist den Globus, um die SETI-Idee lebendig zu halten, sie unter die Leute zu bringen und Spendengelder einzutreiben. Den Glauben an SETI hat der engagierte und mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftler immer noch nicht verloren – im Gegenteil.
Hinweis in eigener Sache: In dem Interview tauchen fachspezifische Namen und Begriffe auf, die möglicherweise nicht jeder kennt. Ich habe – so gut es ging – die jeweiligen Termini und Schlagwörter entsprechend verlinkt. Um nähere Hintergrundinformationen zu erhalten, folgen Sie bitte einfach dem jeweiligen Link.
Sie sind für einen viertägigen Kurztrip nach Deutschland gereist, um in Potsdam an einer kleinen Konferenz teilzunehmen. Warum feiern Sie ihren morgigen Geburtstag nicht zuhause?
Frank Drake:: Wir möchten SETI populärer machen. Ich möchte SETI verstärkt ins Bewusstsein der Menschen bringen. Gerade in Deutschland ist SETI noch nicht so populär, so dass meine Reise allein aus diesem Grund Sinn macht.
Wie ist es denn mit der Popularität von SETI in ihrem Land bestellt?
Frank Drake:: Eigentlich ist die Situation in den USA noch schlechter. Die meisten Menschen bei uns haben nie von SETI gehört oder dessen Bedeutung schlichtweg vergessen. Ja, viele wissen noch nicht einmal, was wir genau machen. Viele vermischen SETI mit der UFO-Problematik und glauben, dass wir nach fliegenden Untertassen und kleinen grünen Menschen jagen.
Das klingt erstaunlich. Eigentlich hätte die erfolgreiche Verfilmung des Romans von Carl Sagan Contact (1996) mit Jodie Foster in der Hauptrolle zur Popularität von SETI beitragen müssen!
Frank Drake:: Nein, viele Menschen haben ohnehin vergessen, worüber der Film handelt oder haben der Idee, die ihm zugrunde liegt, nicht weiter Beachtung geschenkt. Selbst Jodie Foster, fraglos eine gute Schauspielerin, hat sich zu keinem Zeitpunkt mit SETI näher beschäftigt. Wir haben nie wieder mehr etwas von ihr gehört. Sie hat ihre Rolle gespielt – mehr nicht.
Bekundeten denn bislang wenigstens einige alien-erprobte „Star-Trek“-Darsteller Interesse an SETI?
Frank Drake:: Nein. Der Einzige, der mit uns in Kontakt trat, war Leonard Nimoy, den wir alle als Spock schätzen gelernt haben. Nimoy ist wirklich ein feinfühliger und intelligenter Mann, der sich sehr an unserem Projekt interessiert zeigte.
Glauben Sie, dass auch auf anderen Planeten Radioastronomen mit engstirnigen, bestenfalls in Legislaturperioden denkenden Politikern zu kämpfen haben, die gegen eine Finanzierung solcher Projekte wettern?
Frank Drake:: Das ist Ansichtssache. Hierüber kann man trefflich streiten und diskutieren. Im Endeffekt wird es aber auch auf anderen Planeten Politiker geben, die die Suche nach fremden Lebensformen rigoros unterbinden. Da bin ich mir fast sicher. William Proxmire, der damals das NASA-SETI-Programm zu Fall brachte, war einer von ihnen.
Weltweit haben die Planetenjäger mehr als 350 Exoplaneten entdeckt. Viele SETI-Forscher stehen in engem Kontakt mit ihnen. Gibt es eine neue Kooperation zwischen den Planetenjägern und SETI-Astronomen?
Frank Drake:: Ja, wir arbeiten Hand in Hand. Sollte ein Planetenjäger einen viel versprechenden Exoplaneten entdecken, werden wir unsere Teleskope auf den Himmelskörper ausrichten, sofern unsere finanziellen Mittel dies zulassen.
Wenn Sie gefragt werden, wann die langjährige Suche von SETI endlich von Erfolg gekrönt sein wird, verweisen sie stets darauf, dass der Erfolg stark von den finanziellen Mitteln abhängt. Ist dieser wirklich allein vom Geld abhängig?
Frank Drake:: Größtenteils ja. Unsere finanziellen Mittel sind einfach zu limitiert. Dabei ist die heutzutage zur Verfügung stehende Technik derart ausgereift und sensibel, dass wir Erfolg haben könnten. Wir brauchen schlichtweg mehr Geld. Dann stellt sich der Erfolg automatisch ein. Es ist alles nur eine Frage von Zeit und Geld.
In ihrem 1992 veröffentlichen Buch „Signale von anderen Welten“ gingen Sie von der optimistischen Schätzung aus, bis zum Jahr 2000 das erste außerirdische Signal aufzufangen. Ihr Kollege Seth Shostak prognostizierte kürzlich, der erste Kontakt werde wohl erst bis zum Jahr 2025 gelingen. Warum lassen sich SETI-Forscher zu solchen Prognosen hinreißen? Sagen sie es nur, weil die Menschen bzw. Medien es hören wollen?
Frank Drake:: Genaue Voraussagen zu diesem Thema sind natürlich sehr schwer. Unsere Prognosen sind Extrapolationen, bei denen wir davon ausgehen, dass uns das bestmöglichste Equipment zur Verfügung steht, was allerdings nicht der Fall ist. Selbst der Bau des Allen Telescope Array (ATA) geht nur schleppend voran, weil uns das Geld fehlt. Aber wir bleiben am Ball. Wir suchen weiter nach dem richtigen Stern – wieder und immer wieder.
Sie erwähnten die leistungsstarke Antennenphalanx ATA, die im Dienste von SETI Tag und Nacht genutzt werden kann. Wann wird die Anlage fertig gestellt sein?
Frank Drake:: Wir wissen nicht, wann alle Teleskope von ATA gebaut und in Betrieb sein werden. Momentan bekommen wir die Finanzkrise deutlich zu spüren. Die Spendenbereitschaft geht zurück, unser Optimismus aber nicht.
Die irdische Radio-Verschmutzung, verursacht meist von Satelliten und anderer Technik, wirkt sich sehr nachteilig auf die Arbeit von SETI aus. Was bedeutet dies für ATA, das 1000-mal sensibler sein soll als heutige durchschnittliche Radioteleskope?
Frank Drake:: Hochempfindliche Teleskope sind prinzipiell nicht anfälliger für Störsignale. Die Empfindlichkeit der Antennen in Bezug auf Störquellen steigt nicht automatisch mit deren Leistungsfähigkeit. Wenn alles korrekt konstruiert, installiert und eingestellt ist, bleibt die Anfälligkeit dieselbe.
Wie stehen Sie heute zum Wow-Signal, dem bislang angeblich einzigen potenziellen Treffer aller SETI-Projekte?
Frank Drake:: Das Wow-Signal ist Teil der SETI-Geschichte. Ich glaube immer noch, dass es sich bei diesem durchaus um ein extraterrestrisches Signal gehandelt haben könnte. Dennoch bleibt eine Restunsicherheit. Einen wirklich echten Kandidaten haben wir zurzeit nicht. Kein verdächtiges Signal konnte die bisherigen Tests problemlos überstehen.
Was halten Sie von den Anstrengungen der Befürworter des „aktiven“ SETI-Programms (CETI), die dafür plädieren, verstärkt eigene Signale ins All zu senden?
Frank Drake:: Der russische Radioastronom Aleksandr L. Zaitsev macht dies bekanntlich seit Jahren. Ich denke, wenn alle nur zuhören und keiner sendet, sind die Chancen für eine Kontaktaufnahme in der Tat schlechter. Andererseits senden wir ja schon seit Anfang des letzten Jahrhunderts ziellos Radiosignale ins All – heute mehr denn je. Ich denke, dass wir das Versenden von Botschaften aus Kostengründen nicht forcieren sollten. Wir sind dank der alltäglichen Radioemissionen auch so für hochstehende Kulturen leicht zu lokalisieren.
Pessimisten eines Schlages von Stephen Hawking warnen vor dem Absenden von Kosmogrammen. Wir würden dadurch nur die Position der Erde verraten und eroberungssüchtige und feindlich gesinnte Aliens anlocken …
Frank Drake:: Wie gesagt, wir haben uns längst verraten und sind leicht auszumachen. Es ist bereits zu spät. Wir senden schon seit vielen Jahren Radiosignale ins All, die auf unsere Existenz hindeuten. Alle warnenden Stimmen kommen leider zu spät.
Was halten Sie von der Idee, nach künstlich generierten Neutrinostrahlen Ausschau zu halten, in denen Botschaften verpackt sein könnten?
Frank Drake:: Das klingt schon interessant. Solche aufzufangen wäre mit enormem Aufwand verbunden. Das könnte teuer werden. Das ist für mich noch Zukunftsmusik.
Es gibt schon seit längerem Überlegungen, die Suche nach außerirdischen Intelligenzen mithilfe von Supernovae oder Gammastrahlenblitze zu synchronisieren. Was halten sie davon?
Frank Drake:: Das ist schon eine gute Idee, die sich leicht realisieren ließe. Aber ernsthafte Anstrengungen in diese Richtung haben wir noch nicht unternommen.
Der italienische SETI-Forscher Claudio Maccone schlägt vor, drei Lichttage von der Erde entfernt ein Teleskop namens FOCAL zu platzieren, das die Sonne als Gravitationslinse nutzen soll …
Frank Drake:: Das klingt interessant, ist für mich aber mehr Science-Fiction denn Wissenschaft …
Der französische Astronom Antoine Labeyrie glaubt, dass in 20 Jahre ein Teleskop ins All gehievt wird, das das Licht von Städten auf erdnahen Exoplaneten einfangen könnte.
Frank Drake:: Um das Licht von städtischen Besiedlungen außerirdischer Zivilisationen zu sammeln, müsste der Durchmesser eines solchen Teleskops mindestens ein Kilometer aufweisen. Das halte ich erneut für Science-Fiction.
Mit dem 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg/Eifel, das zu den leistungsstärksten weltweit zählt, haben Radioastronomen bislang keine einzige SETI-Observation durchgeführt, obwohl es seit 37 Jahren in Betrieb ist. Warum sind ihre deutschen Kollegen in Bezug auf SETI so zurückhaltend?
Frank Drake:: Sie sind nicht schüchtern, sondern eher ängstlich. Sie fürchten um ihren guten Ruf und meiden daher jedwede SETI-Observation. Man will sich nicht vor seinen Kollegen blamieren oder Gefahr laufen, an Seriosität zu verlieren. Ich habe hierfür Verständnis, obwohl eine solche Haltung natürlich bedauerlich ist. Aber daran können wir nichts ändern.