Eskalation in Syrien
US-Streitkräfte schießen eine iranische Kampfdrohne ab, die einem US-Stützpunkt in Südsyrien nahegekommen sein soll, auch anderswo kommt es zu Konflikten und Provokationen
Der Abschuss einer syrischen Militärmaschine in der Nähe von Raqqa scheint eine sich verschärfende Eskalation ausgelöst zu haben. Die Russen haben das Sicherheitsabkommen mit den USA aufgekündigt und angedroht, dass seit Montag alle Flugzeuge der von den USA geführten Anti-IS-Koalition als mögliche Ziele der Luftabwehr verfolgt werden.
Der Iran hatte am Sonntag symbolisch mit einigen Mittelstreckenraketen mit dem Einverständnis von Damaskus Ziele des Islamischen Staats bei Deir-Ezzor angegriffen, wo der IS seit Jahren einen Teil der Stadt belagert, die nur von der Luft aus versorgt werden kann. Israel warnte daraufhin den Iran, der aber vermutlich als Test erneut gestern eine bewaffnete Drohne nach Ostsyrien fliegen ließ.
Schon im Juni hatten US-Streitkräfte bei al-Tanf an der syrisch-irakischen Grenze eine iranische Kampfdrohne abgeschossen. Zuvor waren dort bereits von den USA unterstützte Rebellen unter Beschuss geraten. Am 18. Mai bombardierte eine US-Maschine einen Konvoi mutmaßlich schiitischer Milizen, der auf dem Weg nach al-Tanf gewesen sei. Der Grenzübergang ist umkämpft, weil die USA ihn sichern wollen, während schiitische Milizen auf der Seite Syriens und Iraks hier einen Korridor einrichten wollen. Zudem wurden die Rebellen vom IS angegriffen, der aber vor einigen Tagen von irakischen Streitkräften mit der Hilfe der USA zurückgeschlagen worden sei.
Gestern also wurde von einem F-15-Kampfflugzeug wieder bei al-Tanf eine Shahed-129-Kampfdrohne abgeschossen. Es habe "feindliche Absichten" gezeigt und sei Richtung "Koalitionsstreitkräfte" geflogen. Nachdem die Drohne weitergeflogen sei, sei sie abgeschossen worden. Die US-Truppen bauen hier einen Stützpunkt auf, um angeblich Kämpfer zu trainieren. Die Koalition habe öffentlich allen Parteien und durch die von Russland eigentlich ausgesetzte Kommunikation zur Konfliktreduzierung klar gemacht, "dass die von Pro-Regime-Streitkräften gezeigten feindlichen Absichten und Aktionen gegenüber Koalitions- und Partnerstreitkräften, die in Syrien legitime Anti-IS-Operatioonen ausführen, nicht toleriert werden". Nach den kürzlichen Ereignissen, so heißt es weiter, werde die Koalition "Pro-Regime-Flugzeugen nicht erlauben, Koalitions- und Partnerstreitkräfte zu bedrohen oder ihnen sehr nahe zu kommen".
Derzeit kursieren Satellitenbilder, die angeblich im Juni von dem Stützpunkt in al-Tanf gemacht wurden. Dorthin sollen die US-Streitkräfte bereits HIMARS-Mehrfachraketenwerfer aus Jordanien verlegt haben. Geplant ist offenbar ein größerer Stützpunkt. Da dort auch US-Soldaten sein dürften, scheint man präventiv zu handeln.
Der russische Vize-Außenminister Mikhail Bogdanov erklärte, dass sich eine zunehmende Zahl von US-Truppen in Südsyrien illegal aufhielten. Das geschehe nicht aufgrund einer UN-Resolution und auch nicht auf Einladung der syrischen Regierung.
Eskalation gemäß militärischer Logik?
Bekanntlich hat US-Präsident Trump dem Pentagon und den Kommandeuren vor Ort mehr Entscheidungsbefugnisse gewährt, so dass sie selbständiger handeln können, was Barack Obama vermieden hatte. Die neue Eskalation könnte zeigen, dass nun eher die militärische Logik vorherrscht. Das könnte auch der Vorfall vom Montag über der Ostsee belegen, bei dem eine russische Su-27 einem amerikanischen Spionageflugzeug auf zwei Meter gefährlich nahe gekommen sein sollen.
Wie es zu dem Vorfall kam, wird von beiden Seiten unterschiedlich geschildert. Die US-Version ist, dass das russische Kampfflugzeug sich schnell und provokativ genähert habe. Das russische Verteidigungsministerium bietet eine andere Geschichte. Die Maschine sei aufgestiegen, um das Spionageflugzeug, das sich der russischen Grenze näherte, abzudrängen. Während es das amerikanische Flugzeug eskortierte, habe dieses einen plötzlichen und provokativen Schlenker gemacht. 10 Minuten später sei bereits ein weiteres US-Spionageflugzeug in den Bereich geflogen und abgedrängt worden.
Im Iran rief Ajatollah Seyyed Ali Khamenei, der höchste Führer des Landes, zur Einheit im Irak auf, warnte vor Interventionen der USA und forderte engere Verbindungen zwischen Irak und Syrien. Die USA würden versuchen, einen Keil zwischen die irakischen Truppen zu treiben, was vor allem die schiitischen Milizen der Hashd al-Sha'abi betrifft, die unter dem Einfluss des Iran stehen. Er wandte sich gegen eine Präsenz von US-Truppen im Irak unter dem Vorwand, die irakischen Truppen auszubilden. Khamenei hatte den irakischen Regierungschef empfangen. Der versucht aber gleichzeitig, mit Saudi-Arabien bessere Beziehungen aufzunehmen und von den Rivalitäten zwischen Iran und Saudi-Arabien, wo gleichfalls die Zwischenfälle zunehmen, zu profitieren.
Über die abgeschossene Drohne berichten iranische Medien noch nicht. Damaskus meldet weitere militärische Fortschritte bei Deir Ezzor und südlich von Raqqa bei Al-Rasafah. Hier sollte aus syrischer Darstellung die von dem US-Kampfflugzeug abgeschossene Maschine IS-Stellungen bombardieren, das Pentagon behauptet jedoch, es sei Richtung von SDF-Stellungen bei Tabqa geflogen.
Russische Medien berichten, Syrien würde sich darauf vorbereiten, dass nun die Armee verstärkt mit den USA verbündete Rebellen angreifen soll. Man wolle auch die Grenze zum Irak besser absichern und die Verbindung nach Jordanien blockieren, um die Rebellen vom Nachschub abzuschneiden. Derweil hat Washington die Sanktionen gegen russische Unternehmen und Personen erweitert.