Ethnische Säuberung durch Terror
In Thailand konzentriert sich die malaiische Guerilla auf Zivilisten
2002 begannen bewaffnete malaiische Gruppen im Süden Thailands einen Konflikt. In einem gestern veröffentlichten Bericht von Human Rights Watch wird nun dokumentiert, dass dessen Opfer bisher vorwiegend Zivilisten waren – was in diesem Falle allerdings weniger der Regierung als den Rebellen angelastet wird.
Der Süden Thailands ist von Malaien besiedelt. Sie unterscheiden sich von den Thais nicht nur durch ihre Sprache, sondern auch dadurch, dass sie Moslems sind. Als der Malaienaufstand 2002 begann, verneinte die thailändische Regierung erst einen religiösen oder ethnischen Hintergrund, sondern sprach von Banditen. 2004 revidierte der damalige Premierminister Shinawatra jedoch seine Einschätzung und rief in den drei Provinzen Patani, Yala und Narathiwat das Kriegsrecht aus.
Obwohl über die Rebellen relativ wenig bekannt ist, kristallisierte sich die "Barasi Revolusi Nasional" ("Nationale Revolutionsfront") als eine Art Koordinierungsstelle der in Zellen organisierten Moslem-Separatisten heraus. Gruppen wie die "Pejuang Kemerdekaan Patani" ("Freiheitskämpfer von Patani") fordern eine Aufteilung der Provinzen zwischen malaiischen Moslems und "Thai-Kufar". Ihren Landesteil wollen sie als "Patani Darusalam" ("Islamisches Land Patani") von Thailand abtrennen. Ein Anschluss an Malaysia steht bei den Rebellen unausgesprochen im Hintergrund, wird aber - ähnlich wie in den Fällen Kosovo und Bergkarabach - aus diplomatischen Gründen offiziell dementiert.
Der 104 Seiten starke Human-Rights-Watch-Bericht "No One is Safe: Insurgent Attacks on Civillians in Thailand's Southern Border Provinces" dokumentiert Menschenrechtsverletzungen und Gewalt gegen Zivilisten durch militante Separatisten in den vier vom Aufstand betroffenen Provinzen. Dabei stützt sich der Report auf die Aussagen von Augenzeugen, Angehörigen der Opfer, Wissenschaftlern, Journalisten, Rechtsanwälten, Menschenrechtlern, Beamten und Rebellen.
Nach Ansicht des Direktors von Human Rights Watch Asia, Brad Adams, schlägt der Konflikt gerade von einem Aufstand niedriger Intensität in einen Bürgerkrieg um. Dazu trägt vor allem bei, dass die separatistischen Gruppen immer häufiger Zivilisten zu Opfern ihrer mit Sprengstoff, Schusswaffen und Macheten ausgeführten Anschläge machen.
Insgesamt dokumentierte Human Rights Watch in den dreieinhalb Jahren von Januar 2004 bis Juli 2007 mehr als 3.000 Angriffe auf Zivilisten, aber nur jeweils etwa 500 auf Soldaten und Polizisten. Unter den 2.463 Menschen, die bei den Angriffen getötet wurden, befanden sich 2.196 Zivilisten. Mindestens 29 Menschen wurden enthauptet. Beliebte Ziele waren Schulen, Krankenhäuser und buddhistische Tempel.
Die Strategie der Rebellen ist es nach Ansicht von Human Right Watch, mit den Angriffen auf zivile Ziele möglichst viele buddhistische Thais zur Flucht aus den von ihnen beanspruchten Provinzen zu bewegen. Deshalb würden auch Sprengsätze auf belebten Märkten gezündet, wie im Saba Yoi Bezirk von Songkla am 28. Mai dieses Jahres. Ebenfalls diesem Zweck dienten nach Ansicht von Human Rights Watch die Überfälle auf Busse, wie derjenige am 14. März in Yala: Dort teilten die Rebellen die Insassen in Moslems und Buddhisten und töteten letztere gezielt durch Kopfschüsse.
Malaien, denen die Rebellen eine Zusammenarbeit mit der Regierung vorgeworfen, wurden zu "Munafig" ("Verrätern") erklärt. Betroffen waren häufig auch religiöse Führer und Dorfvorsteher, die sich der Rekrutierung von Personen aus ihren Dörfern für die Rebellengruppen widersetzten. Teilweise wurden nicht sie selbst, sondern ihre Angehörigen Opfer von Gewalttaten.
Seit Verhängung des Kriegsrechts hat sich allerdings auch die thailändische Regierung Menschenrechtsverletzungen zuschulden kommen lassen - darunter willkürliche Festnahmen und Tötungen ohne Gerichtsurteil. Diese Menschenrechtsverletzungen finden sich in dem im März erschienenen Human-Rights-Watch-Bericht "'It Was Like Suddenly My Son No Longer Existed': Enforced Disappearances in Thailand’s Southern Border Provinces". Die "Entschuldigung" der Militärregierung von General Surayud Chulanont konnte den Konflikt bisher jedoch ebenso wenig entschärfen wie die Wiedererrichtung einer Korruptionsbeschwerdebehörde für die südlichen Provinzen.
Am 19. August stimmten die Thailänder mit 56,7 % für eine neue Verfassung – bei einer Wahlbeteiligung von ebenfalls knapp 57 %. Im Süden lag die Zustimmungsquote deutlich höher, die Bevölkerung im Norden lehnte die neue Verfassung dagegen mehrheitlich ab. Damit ist der Weg frei für Parlamentswahlen, die am 17. oder am 23. Dezember stattfinden sollen.