Euro-Bonds über den Corona-Krisen-Umweg?
Finanzminister verhandeln in Videokonferenzen
Heute haben die Finanzminister der 19 Euro-Länder und der restlichen EU-Länder mit souveränen Währungen ihre seit Dienstag laufenden Videokonferenzverhandlungen zum finanzpolitischen Umgang mit der Coronakrise fortgesetzt. Über ein etwa 500 Milliarden schweres Paket aus einem "europäischen Kurzarbeitergeld" mit dem Namen "SURE", Unternehmenskrediten der Europäischen Investitionsbank EIB und "vorsorglichen Kreditlinien" aus dem 2012 zur "Euro-Rettung" eingeführten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) sind sie sich Medienberichten nach bereits "weitgehend" einig.
Nun geht es noch um ein Instrument, das die Euro-Zone mehr als bereits nach der Finanz- und Eurokrise geschehen in eine Transferunion verwandeln würde (die es den bei der Euro-Einführung gemachten Versprechen der Politik nach eigentlich nicht geben dürfte): um so genannte Euro-Bonds - also um Schulden, die die Eurozone oder die EU gemeinsam aufnimmt.
Für bereits jetzt relativ hoch verschuldete Länder wie Italien, Griechenland, Spanien und Frankreich hätten sie den Vorteil, dass die Zinsen für solche Anleihen sehr wahrscheinlich erst einmal geringer wären als die, die sie für ihre alten Anleihen zahlen. Das hängt damit zusammen, dass verhältnismäßig fiskalstabile Länder wie die Niederlande, Österreich oder Estland nicht nur mit ihrem guten Namen, sondern auch mit ihren Steuerzahlern für diese Schulden mit bürgen.
Für Anleger wäre dadurch das Risiko von Zahlungsausfällen geringer als beim Kauf nationaler Staatsanleihen aus Italien, Griechenland, Spanien oder Frankreich. Sehr wahrscheinlich wären die Zinsen auf solche Euro-Bonds aber auch höher als die recht niedrigen, die die Steuerzahler aus den Niederlanden, Österreich oder Estland aktuell für national ausgegebene Anleihen zahlen müssen.
Ambivalente Signale aus der deutschen Staatsführung
Es überrascht deshalb wenig, dass vor allen die Staatsführungen Italiens, Griechenlands, Spaniens und Frankreichs auf die Einführung solcher Euro-Bonds drängen, während die aus den Niederlanden, aus Österreich und aus den baltischen Ländern dagegen sind. Die deutsche Staatsführung wird in vielen deutschen Medien zu diesen Gegnern gerechnet, gibt aber ambivalente Signale von sich. Diese Ambivalenz zieht sich nicht nur durch die Koalition, sondern auch durch die Parteien.
Während sich beispielsweise die konservative WerteUnion strikt gegen die Einführung solcher Bonds ausspricht, meinte der zum CDU-Establishment gehörige Norbert Lammert gestern gegenüber der Süddeutschen Zeitung, wegen der "extremen Ausnahmesituation" und einer "wachsenden Verzweiflung in wichtigen Partnerländern" sei "der Eindruck einer limitierten Solidarität ökonomisch ebenso riskant wie er humanitär schwer erträglich".
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach das Thema bei ihrer Ansprache am Montag nur indirekt an, als sie eine europäische Solidarität beschwor. Das kann man als Einstimmung der Bürger auf Euro-Bonds interpretieren - oder auch nicht. Auch ihr sozialdemokratischer Finanzminister Olaf Scholz gab sich auf Twitter wenig konkret: Es gehe nun darum, so Scholz, "Hilfe zu leisten, wo sie jetzt notwendig ist".
Bewusste Nutzung einer Krise?
Entschließt sich die Bundesregierung zur Einführung der vorher verbotenen Gemeinschaftsschulden, kann sie darauf hoffen, dass das die deutsche Öffentlichkeit während der Coronakrise leichter akzeptiert als zu einer Zeit, in der sie ein eigenständiges Thema wären. Das dürfte auch langjährigen Befürwortern solcher Bonds bewusst sein. Vielleicht nennt der eine oder andere das Instrument deshalb nun ganz bewusst "Corona-Bonds" - so, wie man Medikamente für Kinder mit einer Umhüllung versieht, damit sie leichter geschluckt werden.
Naomi Klein erklärte bereits 2007 in ihrem Buch Die Schock-Strategie, wie Politiker und Ökonomen Krisensituationen nutzen, um Projekte zu verwirklichen, die in der Bevölkerung sonst möglicherweise keine Mehrheit hätten (vgl. Von Sportpalastreden, gekaperten Begriffen und gesellschaftlichen Buffer Overflows). Die Beispiele, die sie dazu aufführt, sind vor allem Privatisierungen und Deregulierungen, die Politik und Medien in den letzten beiden Jahrzehnten des 20. und im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts dominierten. Aber der zugrundeliegende Mechanismus lässt sich auch für andere Projekte einsetzen (vgl. Juncker und Schulz nutzen Naomi-Klein-Strategie).
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