Europa nimmt Kurs auf Sanktionen gegen LNG aus Russland
Die EU erwägt nun doch, Sanktionen gegen russisches LNG zu verhängen. Ein generelles Importverbot ist damit aber nicht gemeint.
Europa scheint nun doch gewillt zu sein, Sanktionen gegen LNG aus Russland zu verhängen. Von einem generellen Importverbot der Europäischen Union ist Medienberichten zufolge jedoch nicht die Rede.
Um keinen Lieferausfall in größerem Umfang und Preissprünge nach oben zu riskieren, sind demnach Sanktionen im Gespräch, die sich auf die Lieferlogistik, den Umschlag von russischem LNG über europäische Häfen zum Weitertransport etwa nach China richten.
Dazu sollen LNG-Projekte auf der Liste stehen, die keine großen Auswirkungen auf den aktuellen Importbetrieb von Europa haben. Verhängten die USA gegen die drei betreffenden Projekte Arctic LNG 2, Ust-Luga-LNG-Terminal und Murmansk LNG bereits Sanktionen, könnte jetzt auch die EU mit ihrem 14. Sanktionspaket hier gleichziehen.
Vor einem EU-Treffen der Außenminister im April in Luxemburg ließ der schwedische Außenminister Tobias Billström bereits durchblicken, dass das nächste Sanktionspaket ein Importverbot für Flüssigerdgas als auch Maßnahmen zur Eindämmung der russischen Schattenwirtschaft enthalten soll. Sanktionen gegen russisches LNG befürwortete auch der deutsche Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
Das meiste LNG kommt von der Halbinsel Yamal
Das meiste LNG bezieht die EU von der nordsibirischen Halbinsel Yamal. Dort betreibt der größte russische Produzent Novatek mit ausländischen Partnern das größte LNG-Werk Yamal LNG im Land. Frankreich, Spanien und Belgien sind die größten Umschlagplätze für das verflüssigte Gas, von dem ein Großteil dann in Länder wie Deutschland und Italien exportiert wird.
Im ersten Quartal 2024 verschiffte Russland nach Zahlen des Marktdatenanalysten Kpler und Auswertungen durch die Umweltinitiative Urgewald insgesamt 8,4 Millionen Tonnen LNG. 5,1 Millionen Tonnen kamen von Yamal in europäischen Gewässern und Häfen an. Davon wurden 400.000 Tonnen LNG auf kleinere Schiffe umgeladen, die Kurs auf Asien nahmen.
Re-Exporte dämpfen Effekte
Gegen diese Re-Exporte sollen sich die betreffenden Sanktionen wenden, aber nicht gegen russisches LNG, das die Mitgliedsstaaten selbst verbrauchen. Folglich erwarten Novatek überschaubare Einbußen, während die EU an ihren Importmengen festhalten kann.
Wie es Entwürfe vorsehen, beträfen die Strafen laut Experten und Datenanalysen von Politico nur etwa ein Viertel von Russlands acht Milliarden Euro LNG-Gewinn.
Das passt zu den Empfehlungen der europäischen Regulierungsbehörde ACER in ihren Analysen zu europäischen LNG-Marktentwicklungen 2024, Reduzierungen der russischen LNG-Importe mit Vorsicht anzugehen, da der Transitvertrag für Gaslieferungen von Russland über die Ukraine nach Europa zum Jahresende ausläuft.
Dies könnte möglicherweise zu einem Verlust von 13,6 Milliarden Kubikmetern Erdgas im Vergleich zu den Durchleitungen im Jahr 2023 führen.
ACER
Sanktionsschlinge zieht sich zu
Anfang Mai verhängten die USA noch mehr Sanktionen gegen Russland. Hinzu kamen 16 Schiffe und fünf Unternehmen, die mit dem zweiten Großprojekt von Novatek Arctic LNG 2 verbunden sind.
Darunter ist der in Singapur ansässige Schifffahrtsbetreiber Red Box mit seinen Schwergutschiffen Audax und Pugnax. Bei der Lieferung vorgefertigter LNG-Module von China nach Russland haben diese Schiffe wiederholt gegen Sanktionen verstoßen.
Haben vorherige Sanktionen der USA verhindert, dass die erste Fracht von Gydan mangels LNG-Tanker der Eisklasse Arc-7 ausblieb, geht es nun darum, den Bau weiterer Gasverflüssigungslinien zu torpedieren.
Die Verschiffung von Stahlkonstruktionen von China zum LNG-Bauzentrum Belokamenka bei Murmansk für die dritte Linie von Arctic LNG 2 und das Großprojekt Murmansk LNG soll zum Erliegen kommen.
LNG-Pläne in Russland haben Schlagseite
Umschiffte Novatek bei seinen Ausbauplänen mithilfe von China Sanktionshürden, blieb der russische Gaskonzern Gazprom auf der Strecke. Der großangelegte LNG-Ausbau an der Ostsee in Ust-Luga, um Gas statt über die beschädigte Nord-Stream-Pipeline per Schiff abzutransportieren, stockt.
Ausländische Partner wie Shell und Linde sind wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ausgestiegen. Sanktionen der EU gegen das LNG-Terminal in Ust-Luga dürften dem Projekt einen weiteren schweren Dämpfer versetzen.
Gazprom selbst fuhr im letzten Jahr einen Nettoverlust von 629 Milliarden Rubel, umgerechnet 6,4 Milliarden Euro gegenüber einem Gewinn von 1,23 Billionen Rubel im Vorjahr ein. Der Verlust des Hauptkunden Europa wiegt schwer.
Doch auch Novatek spürt den zunehmenden Sanktionsdruck. Russische Ausbaupläne bis 2030 auf 100 Millionen Tonnen LNG im Jahr könnten um bis zu 60 Millionen Tonnen LNG im Jahr fehlgehen. Zu diesem Ergebnis kam das Osloer RystadEnergy Forschungszentrum kürzlich im April.