Russisches Gas: EU drängt auf Unabhängigkeit, während Importe steigen

Gasleitungen und -tanks unter blauem Himmel für die Energieversorgung in der Industrie

(Bild: FOTOGRIN / Shutterstock.com)

Die Abkopplung vom russischen Gas trifft in Europa auf Hindernisse. Zugleich will Russland bei seinem einstigen Großkunden als Lieferant an Bord bleiben.

Energiekommissarin Kadri Simson drängt die EU-Mitgliedstaaten, sich so schnell wie möglich von russischem Gas unabhängig zu machen. Die hatten es zuletzt nicht besonders eilig damit: Seit Anfang 2024 floss mehr Gas aus Russland über das Schwarze Meer und die Ukraine nach Europa als im Vorjahr.

Das geht aus dem jüngsten Monatsbericht des Forums der Gas exportierenden Länder (GECF) hervor. Auch beim Brüsseler Thinktank Bruegel zeigen die russischen Exporte in den ersten elf Wochen dieses Jahres einen deutlichen Trend nach oben. Seit Anfang März fließt mehr russisches Gas über die Schwarzmeer-Pipeline Turkish Stream und die Türkei in die EU-Länder als über die Ukraine.

Gründe für gestiegene russische Pipeline-Lieferungen

Die Zunahme bei den Lieferungen von russischem Pipelinegas in die EU erklärte Maria Belowa, Forschungsdirektorin bei Implementa, russischen Medien zufolge im März mit stark gesunkenen LNG-Importen von Europa. Ebenso wirke sich die Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Auslaufen des Gastransits zwischen dem russischen Gaskonzern Gazprom und dem ukrainischen Gasversorger Naftogaz zum Jahresende aus.

"Russland ist das Land, das in den Wintermonaten 2024 die Gaslieferungen an die EU am stärksten erhöht hat", sagte Belowa. Sie rechnet mit einem weiteren Wachstum der russischen Gaslieferungen in die Region.

In den ersten elf Wochen des laufenden Jahres legten diese nach Zahlen von Bruegel um 43 Prozent auf 6,6 Milliarden Kubikmeter Gas zu. Die Gasmengen waren auf beide Transportrouten in etwa gleich verteilt. Festigt sich der Trend nach höheren Transporten über Turkish Stream, kann am Jahresende das Schwarze Meer neben Flüssigerdgas (LNG) für Russland das wichtigste Exporttor nach Europa sein.

Gastransit soll zum Jahresende auslaufen

Energiekommissarin Simson und der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko machten unmissverständlich klar, dass es keine Verhandlungen zur Verlängerung des laufenden Transitvertrags für russisches Gas über die Ukraine geben wird.

Energiekommissarin Kadri Simson erklärte am 4. März in einer Pressekonferenz zum Ratstreffen der Energieminister:

Ich habe es unseren ukrainischen Partnern sehr deutlich gemacht, dass die Europäische Kommission nicht an Verhandlungen mit Russland beteiligt sein wird, wie dies vor fünf Jahren auf trilateraler Ebene der Fall war, als der Vertrag zum Gastransit vereinbart wurde. Im Gegenteil, gemäß unserem REPowerEU-Plan müssen wir spätestens 2027 vollständig auf russisches Gas verzichten.

Alternative Versorgungswege für Länder wie Österreich, Ungarn, die Slowakei und die Integration der Ukraine in den europäischen Gasmarkt seien in Arbeit. Konkret nannte sie den Vertikalen Gaskorridor, dem sich die Slowakei, die Ukraine und Moldawien im Januar angeschlossen haben.

Der Vertikale Gaskorridor sieht nun den Gastransport von LNG-Terminals in Griechenland und von Aserbaidschan über den Südlichen Gaskorridor nach Bulgarien und von dort weiter über die Transbalkan-Gasleitung bis in die Moldau und Ukraine vor. Dafür sollen bestehende Gasnetze modernisiert und ausgebaut werden.

Transitstopp schon ab 2025 möglich

In einem Interview mit Bloomberg ging Haluschtschenko im Gegensatz zu Premier Denys Schmyhal von einem Stopp des Transits von russischem Gas bereits ab 2025 aus. "Wir sind bereit, diesen zu stoppen. Wenn jemand sagt, dass es sich um eine überlebenswichtige Frage im Winter handelt, dass es um Versorgungssicherheit geht, ist das eine Situation. Aber ich sehe diese Situation nicht", sagte der Minister.

Dazu rief er Mitgliedsstaaten der EU auf, statt weiter russisches Gas zu kaufen, Gas in den riesigen Speichern in der Ukraine zu lagern. 15 Milliarden Kubikmeter Speicherkapazität könne die Ukraine bereitstellen. Das sei mehr als die 14 Milliarden Kubikmeter Gas, die letztes Jahr durch die Ukraine nach Europa transportiert wurden. "Ich denke, das ist fair", sagte Haluschtschenko. "Sagen Sie nicht, dass wir ohne russisches Gas nicht leben können."

Russland hält an Europa fest

Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. So richtet sich Ungarn auf einen Transitstopp zum Jahresende ein und bezieht mehr Gas über die Schwarzmeer-Pipeline. Die gestiegenen Transitmengen über die Ukraine sprechen dafür, dass in Österreich und in der Slowakei vereinbarte Liefermengen mit Gazprom ankommen.

Zugleich verweisen in Russland Experten auf Optionen, wie Gazprom ohne Transitvertrag über die Ukraine weiter Gas an seine europäischen Gaskunden liefern kann. Zu Auktionen und Buchung von Transportkapazitäten für russisches Gas in ihrem Gasnetz müsste die Ukraine jedoch zustimmen.

Die Transportgebühren würden aller Voraussicht nach auf die europäischen Abnehmer entfallen. Für Russland rechnet sich das Modell, wenn die Gasübergabe bereits an der ukrainischen Ostgrenze und nicht wie im Transitvertrag geregelt an der Westgrenze erfolgt.

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