Europa und China: Eine Geschichte von Macht und Missverständnissen

Das Dampfschiff Nemesis der East India Company versenkt im ersten Opiumkrieg chinesische Kriegsdschunken. Bild: Gemeinfrei
Europas Beziehung zu China ist von Faszination und Konflikten geprägt. Seit Jahrhunderten lockte das Reich der Mitte mit Porzellan und Seide. Doch der Handel wurde zum Spielball der Mächte.
Im Grunde blicken China und Europa auf eine einzigartige Tradition der wechselseitigen Inspiration durch Handelskontakte zurück. So brachte die Niederländische Ostindien-Kompanie, der erste Global Player im Handel, Anfang des 17. Jahrhunderts chinesisches Porzellan auf den europäischen Markt, was für Europa eine Sensation darstellte. Und es dauerte noch 100 Jahre, bis es in Meißen gelang, echtes Porzellan herzustellen. Porzellan, das im Englischen bis heute als Bone China bezeichnet wird.
Die meisten Arbeitsvorgänge in den Porzellanmanufakturen von Jingdezhen in der Provinz Jiangxi basierten auf handwerklichem und künstlerischem Können sowie auf empirischem Erfahrungswissen und überlieferten Traditionen. Im Laufe der Geschichte kam es dabei immer wieder zu technischen und stilistischen Innovationen, die auf fremde Einflüsse zurückzuführen waren.
Europäische Missionare wollten China zum Christentum bekehren
Zum ersten Mal traf eine Franziskanermission Ende des 13. Jahrhunderts während der mongolischen Fremdherrschaft über China in Beijing ein. Besonders intensiv waren die katholischen Missionsbemühungen während der Ming-Zeit von 1368 bis 1644. 1601 erhielt der italienische Jesuitenpater Matteo Ricci vom chinesischen Kaiserhof die Erlaubnis zu missionarischer Tätigkeit in Beijing.
Dort war man allerdings mehr an den wissenschaftlichen Kenntnissen der Jesuiten interessiert. Ricci, der nicht nur Theologie, sondern auch Rechtswissenschaften und vor allem Mathematik, Physik, Astronomie und Kalenderwesen studiert hatte, konnte bei seiner Arbeit in China auf diesen Kenntnissen aufbauen.
Riccis Nachfolger wurde der deutsche Jesuit und Astronom Johann Adam Schall von Bell. Auch er arbeitete ab 1622 am Kaiserhof mit chinesischen Gelehrten zusammen.
Das aufkommende britische Empire wollte sich China unterwerfen
Die Wende bei diesem wissenschaftlichen Austausch bahnte sich Ende des 18. Jahrhunderts an, als England im Zuge seines Aufstiegs zur weltweit operierenden Seemacht auch in China die Oberhand gewinnen wollte.
Seit ihren ersten Vorstößen ins Reich der Mitte im Jahre 1635 war der Britischen Ostindien-Kompanie die Ausübung ihrer Handelstätigkeit vom Kaiserhof nur unter sehr restriktiven Auflagen gestattet worden. Als einziger Außenhandelshafen war ab 1760 für sie nur noch Guangzhou, auch unter dem Namen Kanton bekannt, wo sie in einer Art Ghetto leben durften. Handel treiben durften sie jedoch nur über ausgewählte chinesische Handelshäuser.
Lesen Sie auch
Verzweiflungsplan oder Größenwahn? China will Tibet umackern
Generation Single: Chinas dramatische Heiratskrise
Das Ende der Ein-China-Politik? Taiwans präsidentieller Tabubruch
Chinas Unterwasserkabel-Cutter: Wie man eine Welt abschaltet – und keiner weiß, wer's war
Von Rang 8 auf 6: Was Nauras Aufstieg für die Chipindustrie bedeutet
Um dieser Praxis Einhalt zu gebieten, schickte der britische König Georg III. im September 1792 oder 1793 den nordirischen Lord Macartney mit drei Kriegsschiffen nach China. Er gab dabei vor, zu Kaiser Qianlongs 80. Geburtstag gekommen zu sein. Die Engländer wurden dann am 14. September 1793 im Sommerpalast von Jehol mit großem Zeremoniell empfangen. Ihr Status war dabei jedoch der einer Gesandtschaft eines unterlegenen, tributpflichtigen Landes, was den britischen Vorstellungen keinesfalls entsprach.
Als sie am 3. Oktober 1793 erneut zum Kaiser gebeten wurden, erhielten sie ein Antwortschreiben Qianlongs an König Georg III., das in der Form eines kaiserlichen Edikts abgefasst war. Da keiner aus der britischen Gesandtschaft der chinesischen Sprache mächtig war, übersetzten Jesuiten am Kaiserhof den chinesischen Text ins Lateinische und von dort wurde er dann ins Englische übertragen.
Qianlongs Antwort auf das britische Ersuchen stellte klar, dass die Gaben des britischen Königs nur aus Höflichkeit und Respekt angenommen worden waren. In Wahrheit besitze das Reich der Mitte alle Dinge und benötige die Erzeugnisse Englands in keinster Weise. Jeder Versuch, außerhalb Kantons Handel treiben zu wollen, würde daher mit unnachsichtiger Härte bestraft werden und hätte die sofortige Ausweisung der betroffenen Kaufleute zur Folge.
Die Briten waren gescheitert, haben jedoch bis heute Spuren hinterlassen
Die britischen Gesandten konnten ihr Ziel somit in keinster Weise erreichen und missbrauchten die chinesische Gastfreundschaft darüber hinaus dadurch, dass sie chinesische Teesamen außer Landes schmuggelten, was damals streng verboten war. Diese Samen kamen dann in die britische Kolonie Indien und begründeten dort den Teeanbau.
Um China dennoch unterwerfen zu können, startete Großbritannien den Opium-Krieg. Die daraus folgende Entwicklung hat sich in China bis heute eingeprägt und sorgt dafür, dass man nicht nur an die alte Kultur anknüpfen will, sondern die Aktivitäten des Westens kritisch beobachtet.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmung wird hier ein externer Podcast (Podigee GmbH) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Podigee GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Mit der anstehenden Regierungsübernahme durch Donald Trump in den USA gerät inzwischen auch der europäische China-Handel zunehmend ins Schlingern. Viele Firmen hatten sich in den vergangenen Jahren ein lukratives Geschäft in China aufgebaut, das zuerst von niedrigen Löhnen im Reich der Mitte profitierte und später dann von der Kaufkraft der chinesischen Bevölkerung.
Inzwischen sind die Aussichten für die Europäer nach Einschätzung der Handelskammer der EU so unklar wie lange nicht. Während die chinesische Seite traditionell mit Unsicherheiten eher leben kann als die westlichen Unternehmen, sieht die Zukunft für die Europäer in China eher kritisch aus.
Nachdem vor allem die USA Sicherheitsbedenken gegenüber chinesischen Firmen artikuliert hatten, wendet sich das Blatt inzwischen und Kunden wollen sicherstellen, dass ihre Produkte Chinas Vorgaben erfüllen und nicht Exportkontrollen von Drittstaaten zum Opfer fallen können.