Europäische Telekom-Lobby bedauert die Neuauflage der Datenspeicherungs-Diskussion

ETNO-Direktor Bartholomew problematisiert nicht harmonisierte einzelstaatliche Regelungen

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Anlässlich des "European Forum on Cybercrime" zeigte Michael Bartholomew, Direktor der "European Telecommunications Network Operators' Association" (ETNO ), eine Reihe von ungelösten Problemen bei der geforderten Speicherung von Verbindungsdaten auf. Die Bestimmungen in der Novellierung der Datenschutz-Direktive seien zu ungenau. Die Kosten sollte der Staat tragen und nicht die Telekom-Industrie.

Scharfe Kritik an den jüngsten Vorstößen einiger EU-Länder in der Frage der Datenspeicherung übte ETNO-Chef Bartholomew in einer Rede auf dem European Forum on Cybercrime am vergangenen Dienstag. Wie berichtet, entspann sich um die Novellierung der Datenschutz-Direktive ein monatelanges Tauziehen. Schließlich handelte man einen Kompromiss aus, der es auf nationalstaatlicher Ebene den EU-Mitgliedern erlauben sollte, eigene Regelungen zur Aufbewahrung von Verbindungsdaten zu erlassen.

Das EU-Parlament hatte sich allerdings gegen eine Aushöhlung des Datenschutzes und eine vorsorgliche Datenspeicherung ausgesprochen (vgl. Diskussion über die Speicherung von Verbindungsdaten). Diesen Parlamentsempfehlungen sollte zunächst Rechnung getragen werden, doch seit den Terroranschlägen vom 11. September in den USA sieht die Welt anders aus. Bei ETNO-Chef Bartholomew häuften sich Anfragen seiner mehr als 45 Telekom-Unternehmen umfassenden Klientel. Viele Firmen beklagten sich über Verstöße der jeweiligen nationalen Sicherheitsbehörden, welche die Herausgabe von Daten verlangten. Bartholomew sah sich Anfang Oktober schließlich veranlasst, neuen Begehrlichkeiten mit einer Pressaussendung entgegen zu treten.

Auf politischer Ebene gipfelte die unendliche Geschichte um die Regelung der Datenspeicherung in einem Brief von George W. Bush (Datenschutz: George W. Bush interveniert bei EU) an den EU-Ratsvorsitzenden Guy Verhofstadt. Darin monierte der amerikanische Präsident, dass allzu strenge Datenschutzbestimmungen den Kampf gegen Terror behindern könnten. Aktueller Stand der Dinge: Eine jüngst bekannt gewordene Neufassung der EU-Direktive scheint den Wünschen der Hardliner in dieser Causa, wie etwa Großbritannien, nachzugeben. (vgl. Europäischer Rat will Datenspeicherung zulassen).

ETNO-Chef Bartholomew führte nun in seinem Vortrag beim "European Forum on Cybercrime" aus, dass sich für die Telekom-Betreiberfirmen zwei Hauptprobleme aus den geplanten Regelungen ergeben würden. Erstens das Fehlen EU-weit harmonisierter Regelungen zur Datenspeicherung und zweitens hohe Investitionskosten für die Unternehmen. Im Detail kritisierte Bartholomew, dass es keine klare Definition geben würde, welche Daten überhaupt gespeichert werden sollen. Die Unternehmen würden außerdem den Mangel an Rechtssicherheit - bezogen auf überregionale Überwachung - beklagen. Damit brachte der ETNO-Chef heikle Fragen ins Spiel. Etwa, ob es rechtens sein kann, wenn beispielsweise britische Sicherheitsbehörden Telekommunikationsdaten, die in einem anderen Staatsgebiet anfallen, verlangen. Dass die Zeiträume für die Datenspeicherung nicht fixiert werden, rief ebenfalls den Widerspruch Bartholomew hervor.

Ein Gutteil seiner Rede beschäftigte sich schließlich mit der Kostenfrage, die den Unternehmen großes Kopfzerbrechen bereitet. Bartholomew zufolge würde diese Frage auf politischer Ebene schwer unterschätzt. Es würde nicht primär darum gehen, einfach ein wenig mehr Speicherkapazität zur Verfügung zu stellen. Die Netzwerke müssten überhaupt erst "überwachbar" gemacht werden, so der ETNO-Direktor in Anspielung auf die teuren Überwachungssysteme, die künftig implementiert werden sollen. Bartholomew betonte abschließend, dass, falls die Datenspeicherung zur Wahrung der Öffentlichen Sicherheit notwendig sei, auch die Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden müssten. Sie könnten nicht auf den Schultern der Telekom-Unternehmen lasten.

Mit dieser Argumentation gab Bartholomew die Stoßrichtung der europäischen Telekom-Industrie in dieser Debatte vor. Bisher hatte sich eine derart stringente Vorgangsweise nur vereinzelt, etwa in Österreich, abgezeichnet (vgl. ETSI-Standard auch in Österreich). Im Zuge der Auseinandersetzung um die Einführung einer neuen Überwachungsverordnung in Österreich hatten Branchenvertreter bereits diesen Herbst rechtliche Schritte angekündigt. Sie wollen erwirken, dass anfallende Kosten nicht auf die Betreiber zurückfallen. Da die neuen Maßnahmen im Interesse der Öffentlichen Sicherheit - so die staatliche Argumentation - eingeführt werden, sollte die Allgemeinheit auch die Kosten tragen - so die Meinung der Telekom-Betreiber. Sollte sich diese Rechtsmeinung durchsetzen, müsste letztlich auch der Staat gegenüber seinen Bürgern die exorbitanten Aufwendungen verteidigen. Das scheint zumindest ein Hintergedanke bei dem Vorgehen der österreichischen Telekom-Betreibern zu sein. Die Industrie selbst täte sich wohl schwer, den Kunden zu erklären, warum diese die Kosten für ihre eigene Überwachung berappen sollten.