Europol will mit Kolumbien und Russland Daten austauschen

EU-Ratsentschließung macht nur angemessene Datenschutzbedingungen zur Voraussetzung.

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Wie die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch mitteilte, verabschiedete der Rat für Justiz und Inneres auf seiner vorletzten Sitzung in Brüssel am 27. März eine Ratsentschließung. Sie autorisierte Europol in Verhandlungen mit nicht-europäischen Staaten und Behörden zu treten, um Daten auszutauschen.

Der Vorschlag lag bereits bei einem Treffen im Dezember 1999 auf dem Tisch, konnte jedoch aufgrund eines Vorbehalts des niederländischen Parlaments nicht angenommen werden. Nach Informationen von Statewatch wurden weder das britische Parlament noch das Europäische Parlament zur Beschließung befragt.

Im Interesse der USA

Dem britischen Parlament lag allerdings ein früherer Entwurf vor, der den Datenaustausch mit Kanada, Island, Norwegen, Russland, der Schweiz, der Türkei und den USA vorsah. Diese Länderliste wurde in der verabschiedeten Entschließung um die Länder Bolivien, Kolumbien, Marokko und Peru erweitert. Dies geht nach Angaben von Statewatch auf ein Treffen des Artikel-36-Komitees der EU mit US-Beamten am 16. Februar in Brüssel zurück.

Die US-Beamten hatten Bolivien, Kolumbien und Peru als Schlüsselziele von US-Anti-Drogen-Aktionen angeführt und den EU-Beamten empfohlen, dass "Lateinamerika die nächste Kooperations-Region" zwischen der EU und den USA sein sollte. In einer Ratserklärung, die der Entschließung beigefügt ist, heißt es, dass eine Priorität auf den Verhandlungen mit Island, Norwegen, der Schweiz und Interpol sowie dem Beitrittskandidaten liegen sollte.

Die Verhandlungen können erst aufgenommen werden, nachdem das Management-Board von Europol, in dem Beamte der europäischen Innenministerien sitzen, die gemeinsame Supervisions-Körperschaft (Joint-Supervisory-Body - JSB) von Europol, in der Vertreter europäischer Datenschutzbehörden sitzen, "konsultiert" hat. Die Berichte der beiden Gremien wird der Direktor von Europol dann an den Rat für Justiz und Inneres weiterleiten, damit dieser den Verhandlungen zustimmt. Die Europa-Kommission des britischen Unterhauses drückte bereits ihre Besorgnis aus: "Es muss geklärt werden, in welchem Ausmaß das Europol-Management-Board die Ansichten des JSB berücksichtigt."

Auch Folterdaten?

Nach Ansicht von Statewatch enthält der Entwurf der Datenaustausch-Vereinbarung viele Lücken, die den Empfang und die Benutzung von Daten fraglicher Natur erlauben. Zwar fordert die Entschließung die Einhaltung des europäischen Datenschutzstandards, nicht jedoch ein gleichwertiges Niveau für Menschen- und Bürgerrechte. So spielt es keine Rolle, nach welchen Kriterien die Beweiserhebung vorgenommen wurde. Europol kann selbst darüber entscheiden, ob Daten durch "eine offensichtliche Verletzung von Menschenrechten" erhalten wurden.

Im Klartext: Auch die Ergebnisse von Befragungen unter Folter können in die Europol-Datenbank gelangen. Falls nicht-europäische Staaten oder Behörden Daten löschen oder verändern, kann Europol die Daten "für den weiteren Gebrauch" behalten und nutzen.

Sammelsysteme

Mit dem neuen Europol-Informationssystem können Polizeibeamte ab dem Jahr 2002 die Zentraldaten einspeichern und abfragen. Ermittlungsdaten und historische Daten sollen die Koordination gemeinsamer Operationen und Ermittlungen, wie sie durch das Europäische Rechtshilfeabkommen ermöglicht werden, erleichtern. Mit den Beschlüssen von Tampere erhält Europol künftig bei grenzüberschreitenden Ermittlungen die Steuerungsfunktion.

Mit dem Schengener-Informationssystem (SIS) verfügen europäische Strafverfolger bereits heute über ein einheitliches und erfolgreiches Fahndungsinstrument. Das SIS hat ein Gesamtvolumen von rund 9,5 Millionen Fahndungsdatensätzen, Tendenz steigend. Dabei handelt es sich überwiegend um Sachfahndungsausschreibungen. In der Personenfahndung sind nach Auskunft des Bundesinnenministeriums derzeit 10.000 Straftäter zur Festnahme zwecks Auslieferung und circa 750.000 Personen zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben.

Nach Auskunft von Klaus-Hening Schapper, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, konnten 1998 "rund 8.500 Fahndungstreffer aufgrund deutscher Ausschreibungen in anderen SIS-Teilnehmerstaaten registriert werden". Umgekehrt führten die Fahndungsnotierungen anderer Schengen-Staaten zu "über 4.600 Treffern in Deutschland". Nach Ansicht von Schapper müssen sich künftig "Schengen und Interpol im Bereich der Fahndung ergänzen". Für ihn ist es "wichtig, dass der geplante Zusammenarbeitsvertrag zwischen Europol und Interpol zügig vorangebracht wird". Europol, die G-8-Staaten und die Financial-Action-Task-Force (FATF) planen, künftig Informationen über verdächtige Geldwäschetransaktionen aufeinander abzustimmen.