F-16 werden den Verlauf des Ukraine-Krieges nicht grundlegend ändern
Seite 2: Warum 40 bis 50 Jets keinen Unterschied machen
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Zweitens ist die F-16 zwar ohne Zweifel eines der besten Kampfflugzeuge der vierten Generation weltweit, doch ihre Effektivität hängt in erster Linie davon ab, dass sie ein Bestandteil in einem integrierten Gefechtsführungssystem mit Sensoren ist. Der Jet ist zwar in der Lage, allein zu operieren, aber ohne zusätzliche Erfassungssysteme wie die E-3 Sentry Awacs ist er weit weniger leistungsfähig. Bislang wurde nicht erörtert, der Ukraine diese Fähigkeit zur Verfügung zu stellen.
Drittens handelt es sich bei der F-16 nicht um ein Tarnkappenflugzeug. Der Kampfjet wurde 1979 zum ersten Mal an die aktive Luftwaffe ausgeliefert und ist anfällig für russische Luftabwehrsysteme wie die S-300 und die fortschrittlicheren S-400 Luftabwehrsysteme.
Einer der Gründe, warum die ukrainische Luftwaffe in diesem Krieg eine so geringe Rolle gespielt hat, ist ihre Unfähigkeit, die russischen Luftabwehrnetze zu neutralisieren. Die F-16 ist zwar leistungsfähiger als die von den Ukrainern eingesetzten MiG-29, ist aber immer noch anfällig für Angriffe der russischen Luftabwehr.
Schließlich stellt sich die Frage, wer die Flugzeuge bereitstellen wird. Es steht außer Frage, dass die Vereinigten Staaten den überwältigenden Löwenanteil der Unterstützung für die Ukraine geleistet haben, sowohl in finanzieller Hinsicht als auch durch die Bereitstellung von Waffen und Munition.
Wenn Washington trotz der Nachteile den Einsatz von in den USA hergestellten F-16 genehmigen will, kann es diese Entscheidung treffen. Aber andere reiche Industrienationen, z.B. in Europa, sollten die Flugzeuge bereitstellen, nicht die USA.
Aus taktischer Sicht sollten sowohl der Westen als auch die Ukraine ihre Erwartungen in Bezug auf den Nutzen dieser Flugzeuge für die Kriegsanstrengungen der Ukraine zurückhalten. Zweifellos ist die F-16 ein hervorragendes Flugzeug und wird eine Verbesserung gegenüber den vorhandenen ukrainischen Jets darstellen.
Aber es gibt keinen Grund, deswegen eine dramatische Veränderung des Kriegsfortschritts Kiews zu erwarten. Selbst die 40 bis 50 Jets, die die Ukraine angeblich anfordert, werden den Verlauf des Krieges nicht grundlegend ändern.
Die wichtigere Frage, die sich die Amerikaner an Biden stellen sollten, ist jedoch folgende: zu welchem Zweck? Was will die Regierung mit der Lieferung der F-16 erreichen? Was hoffen wir physisch zu erreichen? Welchen Endzustand peilt der US-Präsident für den Krieg an, und wie würde die Anwesenheit der F-16 die Erfolgsaussichten verbessern?
Soweit ich feststellen kann, wurden diese Fragen von Regierungs- oder Pentagonbeamten nicht einmal gestellt, geschweige denn beantwortet.
Washington sollte sich voll und ganz darauf konzentrieren, dass alle Maßnahmen den Interessen der Vereinigten Staaten dienen. Die drei wichtigsten Ziele der USA sollten darin bestehen, eine Eskalation des Krieges über die Grenzen der Ukraine hinaus zu vermeiden und die Last der materiellen Unterstützung der Ukraine angemessen auf unsere europäischen Partner zu verlagern. Unter keinen Umständen kann ein Deal zur Beendigung des Krieges eine Sicherheitsgarantie der USA oder der Nato für die Ukraine umfassen.
Es ist schwer zu erkennen, wie die Entsendung einiger F-16-Kampfflugzeuge in die Ukraine – die erst zu Beginn des dritten Kriegsjahres einsatzbereit sein könnten – den Ausgang des Krieges wesentlich verändern oder die Verbesserung der US-amerikanischen Interessen in der Region erleichtern soll.
Washington sollte sich viel mehr auf konkrete Maßnahmen zur Wahrung US-amerikanischer Interessen und zur Beendigung des Krieges konzentrieren und weniger auf unbedeutende Waffenlieferungen, die nicht Teil einer kohärenten Strategie zu sein scheinen.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Übersetzung: David Goeßmann.
Daniel L. Davis ist Senior Fellow für Defense Priorities beim Qincy Institute und ehemaliger Oberstleutnant der US-Armee, der 2015 nach 21 Jahren, darunter vier Kampfeinsätzen, in den Ruhestand ging. Er ist Autor von "The Eleventh Hour in 2020 America" und Redakteur bei 1945.