FDP will Bavarian-Valley-Sonderwirtschaftszentren einrichten
Innovationsagentur soll "perspektivisch brandgefährliche" Abhängigkeit von der Autoindustrie beenden
In zweieinhalb Monaten findet in Bayern eine Landtagswahl statt. Bei der letzten Landtagswahl dort schaffte es die FDP mit einem Stimmenanteil von nur 3,3 Prozent nicht ins Maximilianeum. Damit es diesmal klappt, propagiert sie unter anderem die Einrichtung "regionaler digitaler Freiheitszonen", die sie - angelehnt an das kalifornische Silicon Valley - "Bavarian Valleys" nennt.
Diese Bavarian Valleys sollen sich der Partei nach mit "einer zeitlich und/oder örtlich begrenzten Deregulierung oder Privilegierung bei Rahmenbedingungen" an "Sonderwirtschaftszonen" aus anderen Ländern orientieren, die man dort eingerichtet hat, "um wirtschaftliche Transformation zu fördern, um technologische Innovationen, Strukturwandel und Regionalentwicklung voranzutreiben oder um Experimentierfelder für Neues zu schaffen".
"Verwaltungsrechtliche, baurechtliche, steuerrechtliche und arbeitsrechtliche Vorschriften" sollen "gemildert, optional geöffnet oder zeitweise ausgesetzt" werden
Konkret könnten "verwaltungsrechtliche, baurechtliche, steuerrechtliche und arbeitsrechtliche Vorschriften gemildert, optional geöffnet oder zeitweise ausgesetzt" und "steuerliche und infrastrukturelle Fördermaßnahmen und/oder [Anreize] gewährt" werden. Solche "speziellen Rahmenbedingungen" steigern dem Plan nach "die Attraktivität für Investitionsfinanzierer, Wagniskapitalgeber und Gründer". Dabei soll es sich aber explizit um "Experimentierklauseln" handeln, mit denen sich in begrenzten Bereichen Auswirkungen herausfinden lassen.
Auf Landesebene lassen sich solche Bedingungen allerdings nur begrenzt ändern: Die EU-Richtlinie zu Fauna, Flora und Habitat (vgl. Baublockaden mit Löchern und Losung), die viele Bauvorhaben blockiert oder verlangsamt, ist beispielsweise eine Brüsseler Vorschrift. Und das Abmahnrecht, das nicht nur Gründern, sondern auch alteingesessenen Unternehmen zu schaffen macht (vgl. DSGVO: Anwaltskanzlei mahnt Friseure ab), liegt im Zuständigkeitsbereich der Berliner Bundesregierung. Es könnte sogar dafür sorgen, dass Firmen Schwierigkeiten bekommen, wenn sie mit dem Begriff "Bavarian Valley" werben. Immerhin gibt es im Landkreis Miesbach eine Gemeinde mit diesem Namen, auch wenn er dort anders ausgesprochen wird.
Umfassendere "Experimentierklauseln" ließen sich deshalb nur dann einführen, wenn Bayern umfassendere Möglichkeiten hätte, über die im Freistaat geltenden Vorschriften selbst zu bestimmen. Auf Fragen dazu hat die Bayern-FDP zumindest keine spontanen Antworten, sondern meint, sie müsse sich erst "rückkoppeln", was über Deadlines hinaus dauern würde. Ähnlich ist die Reaktion in der CSU, deren Minister und Parteigliederungen den Begriff "Bavarian Valley" in der Vergangenheit ebenfalls verwendeten.
Um die "Anziehungs- und Bindungskraft auf Experten und Fachkräfte" zu erhöhen, sollen die Bavarian Valleys dem FDP-Landesparteiprogramm nach eng mit Hochschulen und "High-Tech-Berufsbildungszentren" zusammenarbeiten. Als "Prototypen unter alten Rahmenbedingungen" sieht man hier das Forschungszentrum Garching. Für Studenten will die FDP im bayerischen Hochschulgesetz "Gründertum honorieren" und "ein Gründersemester einführen, das [ihnen] die Möglichkeit gibt, sich um [ihre] Unternehmen zu kümmern".
Vorbilder: Schweizerische Innosuisse und schwedische Vinnova
Auch der Freistaat selbst soll gründen: Eine nach dem Vorbild der schweizerischen Innosuisse und der schwedischen Vinnova gestaltete "Agentur für radikale Innovation", die "das bayerische und deutsche Innovationssystem deutlich erweitern" und "disruptive Sprunginnovationen hervorbringen" soll, "anstatt wie bisher einseitig evolutionäre beziehungsweise inkrementelle Innovationsprozesse zu fördern". Um das zu leisten, soll sie "in einem außerordentlich hohen Maß unabhängig von politischer Steuerung und Kontrolle sein und eine große Flexibilität beim Management ihrer Programme erhalten".
Solche Innovationen sind den Liberalen nach auch deshalb notwendig, weil "etliche Regionen in Bayern ein hohes Klumpenrisiko aufweisen": Hier hängen "mehrere Unternehmen […] von der Automobil-(Zuliefer-)Industrie ab", "deren Geschäft wiederum an den Erfolg des Verbrennungsmotors geknüpft ist", was man für "perspektivisch brandgefährlich" hält.
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