FPÖ haben die anti-islamischen Parolen wenig gebracht
Notizen zu einer regionalen Wahl in Österreich, die bereits im Vorfeld überregional Wellen schlug
Nicht oft erregt eine österreichische Gemeinderatswahl ein derart nationales und internationales Aufsehen wie die gestern stattgefundene Gemeinderatswahl in Graz. Der Grund: die islamfeindlichen Wahlkampf-Parolen der FPÖ-Spitzenkandidatin in Graz, Susanne Winter
Die brennendste Frage am gestrigen Grazer Wahlsonntag, als die ersten Ergebnisse der Hochrechnung eintrafen: Haben die islamfeindlichen Parolen von FPÖ-Spitzenkandidatin Susanne Winter geschadet oder genützt? Beim Neujahrstreffen ihrer Partei, genau eine Woche vor der Grazer Gemeinderatswahl, hat die promovierte Juristin ihre Sicht auf den Propheten Mohammed, den Koran und den Islam dargelegt – Mohammed ist ihrer Ansicht nach ein Kinderschänder, der den Koran im Rahmen von epileptischen Anfällen geschrieben hat. Des Weiteren warnte sie vor dem „islamischen Einwanderungs-Tsunami“ und wünscht den Islam „zurück ans Mittelmeer“.
Graz, ein Winter-Märchen?
Susanne Winter entfachte mit diesen Aussagen ein Feuer der Kritik. Die Betroffenheit im In- und Ausland war groß und schlug Wellen, mit denen sie wohl nicht gerechnet hat, als sie ihre Rede vorbereitet, nieder geschrieben und beim Neujahrstreffen vorgelesen hat. In der Süddeutschen Zeitung wurde ein Vergleich zum Jahr 2000 gezogen. Da hat sich in Österreich die schwarz-blaue Koalition gebildet. Wieder andere verglichen mit 1938. Und die am meisten Betroffenen, Angehörige der islamischen Glaubensgemeinschaft, appellierten an Vernunft und Menschlichkeit. Im Großen genauso wie im Kleinen.
Sabine Strümpf unterrichtet Deutsch als Fremdsprache in Wien und hat täglich mit Muslimen aus der Türkei, dem Iran, Irak, Afghanistan, Pakistan oder Bosnien zu tun. In der letzten Woche hat sie Fragen beantwortet, die sie in ihrer zehnjährigen Unterrichtspraxis noch nie beantwortet hat – was etwa epileptische Anfälle sind. Bei den Diskussionen, die auf so eine Frage in der vergangenen Woche in Österreich folgen mussten, war man sich am Ende aber immer einig: Diese Aussagen wurden von einer Person getroffen. Sie stehen weder für die Gesinnung der Menschen in Graz, der Steiermark oder Österreich.
Fast amüsant war die Empörung, die Susanne Winter in den „eigenen“ Reihen ausgelöst hat. Das nicht minder fremdenfeindliche BZÖ, das das erste Mal bei der Gemeinderatswahl in Graz kandidierte, zeigte sich schockiert über Susanne Winters Aussagen. Für BZÖ-Chef Peter Westenthaler ist sie damit ganz klar zu weit gegangen. Er und seine Partei haben im Wahlkampf schließlich nur eine „Säuberung“ der steirischen Landeshauptstadt vorgeschlagen, was natürlich ganz klar etwas ganz anderes ist. Selbst H. C. Strache, der Chef der österreichischen FPÖ und somit auch Chef Susanne Winters, hat sich von ihren Aussagen distanziert. In einem Gespräch mit dem Kurier verlautbarte er: „Sie, als Doktor Winter, hat ihre Meinung geäußert, eben spitz formuliert. Ich formuliere die Dinge anders, man kann das auch klüger tun.“ Wie er die Dinge formuliert, wissen wir ja: „Daham, statt Islam“, „Pummerin statt Muezzin“. Ob das klüger ist, sei dahin gestellt.
Wahlkampf-Krimi
Zu einem regelrechten Wahlkampf-Krimi entwickelt hat sich der Fall Susanne Winter jedenfalls, als die FPÖ bekannt gab, ihre Grazer Spitzenkandidatin werde von „radikalen Muslimen“ bedroht. Woher diese Information kam, wurde leider nicht bekannt gegeben und hatte wohl seine Gründe. Die Drohbotschaft befand sich auf dem Online-Videoportal YouTube und ist mittlerweile verschwunden. Unter anderem waren darin ein Bild von den New Yorker Anschlägen vom 11. September zu sehen. Im unterlegten Text dazu hieß es: „Schau her Susanne wegen deiner Aussage kann so was Ähnliches auch in deinem Land passieren – du bist verantwortlich dafür“. Es sind auch noch andere Drohbotschaften aufgetaucht und vielleicht sind sie wirklich ernst gemeint.
Die Botschaft des YouTube-Videos von Samstag, 19. Januar, mit dem Titel Susanne Winter wurde ermordet, stimmt auf jeden Fall nicht mit der Wirklichkeit überein. Man mag die Verfasser dieser Botschaft als geschmacklos empfinden, darüber schmunzeln oder sich einfach nur Gedanken darüber machen, wie viel mediale Aufmerksamkeit Einzelpersonen heutzutage zuteil werden kann. Die ehemals unbekannte Grazer Spitzenkandidatin der FPÖ hat mit ihren Aussagen über Nacht Berühmtheit erlangt. Und fest steht: Susanne Winter wurde am 19. Januar 2008 nicht ermordet! Sie ist gestern, am 20. Januar, in einer gepanzerten Limousine zur Wahlurne gefahren, gab sich fröhlich und zuversichtlich, wie das Politiker an Wahltagen eben sind, und hat wohl bis spät in die Nacht so getan, als hätte sie einen großen Sieg zu feiern.
Selbst Zahlen sind eine Auslegungssache, heutzutage
Wie Susanne Winters Aussagen das Wahlergebnis beeinflusst haben, darüber gehen die Meinungen heute ziemlich auseinander. Österreichs auflagenstärkste Zeitung, die Krone, titelt mit „Graz erteilt FPÖ eine klare Absage“, was in jeder Hinsicht ein Statement ist. Die Krone gilt als Meinungsmacher mit fremdenfeindlicher Neigung, hat schon über viel Heil und Unheil in Österreich entschieden und unter anderem Leute wie Jörg Haider groß gemacht.
H. C. Strache hingegen spricht von einem klaren Erfolg der FPÖ und BZÖ-Chef Peter Westenthaler sieht natürlich seine Partei als den größter Sieger. Fest steht nach dieser Wahl in Graz zweierlei. Erstens: Sieg oder Niederlage, das ist selbst bei konkreten Ergebnissen Ansichtssache. Und zweitens: Über die wahren Sieger spricht man nicht gern. Am weitaus größten war nämlich der Anteil der Nichtwähler. Mit einer Wahlbeteiligung von 52,63 Prozent ist nur etwas mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten zur Urne geschritten. Die Wahlbeteiligung gegenüber 2003 ist somit um weitere sechs Prozent gesunken, was einen historischen Tiefpunkt darstellt. Ob es daran lag, dass die Parteien ihre Wähler nicht mobilisieren konnten oder die Menschen politikverdrossen sind, bleibt wohl Ansichtssache.
Die ORF-Diskussions-Sendung Zur Sache hat jedenfalls indirekt an dieses Thema angeknüpft und hätte sich gestern folgender Frage widmen wollen: „Rechtfertigt ein Wahlkampf alles?“ Das stand aber überhaupt nicht zur Debatte. Die Parteienvertreter warfen sich alles Mögliche an den Kopf und als Therapeut würde man wohl sagen, es ging um Altes und Unaufgearbeitetes. Rot und Schwarz bekriegten sich wegen bäuerlicher Befindlichkeiten - die ÖVP sieht sich traditioneller Weise als einen Erhalter des Bauerntums. Blau (FPÖ) und Orange (BZÖ) bekriegten sich, weil sie sich so verdammt nahe sind, aber nur einer der Stärkere sein kann.
Noch weiter weg von der Sache rückte am Ende Moderator und Diskussionsleiter Peter Pelinka. Seine Frage, ob zukünftige Wahlkämpfe in diesem Ton weiter geführt würden, richtete er nicht an die stellvertretenden oder tatsächlichen Clubchefs der anwesenden Parteienvertreter, die bei Wahlkämpfen mitzureden haben. Derbheiten scheinen nämlich ringsum zuzunehmen. Nein, er richtete diese Frage an den neutralen Beobachter in dieser Runde, den Politologen Peter Filzmayer, der das tat, was sein Beruf ist: Er prognostizierte. Fazit: Der Ton könnte so bleiben, sich noch steigern – auf die Medienwirksamkeit von Provokationen ist Verlass.
Das Grazer Wahlergebnis
In relativen Zahlen gesehen haben die Grünen am meisten dazu gewonnen. Mit einem Stimmenplus von 6,3 Prozent konnten sie das Ergebnis gegenüber 2003 fast verdoppeln. Das BZÖ schafft mit einem Stimmenanteil von 4,43 Prozent den Einzug in den Gemeinderat. Die FPÖ steigerte das Wahlergebnis von 2003 um 3,11 Prozent und liegt nun bei 11,09 Prozent insgesamt. Die ÖVP gewann 1,52 Prozent dazu, stellt somit auch weiterhin den Bürgermeister und gilt daher als Wahl-Sieger.
Wahl-Verlierer ist auf der einen Seite die SPÖ mit einem Minus von 6,05 Prozent – der Grazer Spitzenkandidat hat bereits seine Konsequenzen gezogen und seinen Rücktritt bekannt gegeben. Mit einem Minus von 9,33 Prozent mussten die Kommunisten allerdings den größten Verlust einstecken.