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Kalifornischer Senator will Tauschbörsennutzer zur Angabe ihrer persönlichen Daten verpflichten

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Was auf den ersten Blick wie eine Realsatire klingt, hat jedoch einen ernsten Hintergrund - und ebensolche Folgen

Es klingt wirklich wie eine Idee aus Schilda, was Kevin Murray sich überlegt hat: Nutzer von Tauschbörsen sollen in Zukunft an die Dateien, die sie zum Download anbieten, ihren Namen und ihre Adresse anhängen. Zuwiderhandlung würde mit einer Geldstrafe von 2.500 Dollar sowie bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft.

Die erste Reaktion auf den von ihm am 24.02.2004 eingebrachten Gesetzesentwurf SB1506 ist somit auch Gelächter gewesen. Als ob jemand, der etwas macht, das als illegal deklariert wird, seine Visitenkarte abgeben würde! Aber Murray geht es nach eigener Aussage nicht darum, die wirklichen Namen der Nutzer zu erfahren, sondern er will "Staatsanwälten, die bislang keine rechtliche Handhabe gegen Copyright-Verstöße hatten, einen Anschuldigungspunkt gegen mögliche Online-Piraten zu bieten". Und deshalb ist der vermeintliche Schildbürgerstreich in Wirklichkeit ein nicht zu unterschätzender Gesetzentwurf.

Der Hintergrund zu Murrays Idee findet sich in dem seit 1985 gültigen "Anti-Piracy Law" (California Penal Code Section 653w), welches oft auch als "true name and address statute" bezeichnet wird. Dieses Gesetz schreibt vor, dass derjenige, der Musik- oder Filmaufnahmen in den Handel bringt, diese mit dem Namen des tatsächlichen Herstellers versehen muss. Dies soll es Strafverfolgern wie auch Konsumenten leichter machen, zwischen legalen und illegalen Materialien zu unterscheiden. Murrays Entwurf will lediglich dieses Gesetz auch auf das Internet ausdehnen, welches, wie es auf Murrays Webseite heißt, das populärste Forum für Piraterie ist. SB1506 soll gleichzeitig auch eine Waffe dagegen sein, dass Viren über Tauschbörsen verbreitet werden - da jede Datei mit einem geltenden Namen und Adresse versehen sein muss, würden sich so diejenigen, die die Viren einschleusen, automatisch offenbaren und die Strafverfolger wären eher imstande, gegen diese "Cyber-Kriminellen" anzugehen.

Da prinzipiell jeder, der seine Daten nicht anhängt, somit gegen ein Gesetz verstoßen würde und entsprechende Sanktionen zu erwarten hätte, wäre eine Nutzung der Tauschbörsen nur noch unter gleichzeitiger kompletter Aufgabe dieser Pseudonymität möglich. Für diejenigen, die sich für Datenschutz und Privatsphäre stark machen, ein Albtraum (Die Regelung gilt übrigens nicht für den Datenaustausch innerhalb der direkten Familie oder von "home networks").

Wird eine Datei von jemanden ins Netzwerk eingespeist, ohne dass er die erforderlichen Daten angibt, so hätte er der Strafverfolgung somit automatisch einen ersten Anschuldigungspunkt gegeben, so dass gegen ihn ermittelt werden kann. "Nichts zu verbergen" als erste Regel für die Benutzung von Kaazaa etc.?

Aber die Auswirkungen gingen weiter: Betreiber von Suchmaschinen könnten dann verpflichtet werden, die Programme entsprechend zu modifizieren, so dass nur noch die mit den entsprechenden Daten ausgestatteten Dateien zum Download angeboten werden könnten. Eine Datei, die nicht über Name etc. des Bereitstellers verfügt, würde automatisch als "illegal" deklariert werden und somit ihren Weg, würde dies implementiert, nicht mehr in das Netzwerk der Tauschbörse finden.

Eine "Grundsatzentscheidung"

Nicht zuletzt wären diese Daten auch für Adresshändler und -käufer sowie für Spammer (so die Email-Adresse zu den erforderlichen Daten zählt) eine Goldgrube. Würde das Gesetz von allen Teilnehmern befolgt, so würde wohl so mancher sich die Ausgabe für Adressen sparen und stattdessen auf "Fischfang" in einer Tauschbörse gehen ("Nein danke, ich brauche keine Adressen, ich habe doch Kaazaa").

Vans Stevenson, Chefjustiziar beim Verband der US-Filmbranche MPAA, sieht in diesem Gesetzesentwurf eine "Grundsatzentscheidung" und hofft, dass der Gesetzesentwurf, wenn er angenommen wird, diejenigen abschrecken wird, welche die engagierten kreativen Künstler ihrer angemessenen Entlohnung für Filme und Musik (sowie deren Kauf und Aufführung) berauben. Zumindest wird es jedoch die abschrecken, die ihren Namen und ihre persönlichen Daten nicht weltweit offenbaren wollen und die ihre Privatsphäre als etwas Schützenswertes ansehen.

Kevin Murray hat für diejenigen, die in seinem Entwurf eine Verletzung der Privatsphäre sehen, allerdings eine einfache Lösung. "Es gibt einen Weg, die Privatsphäre zu schützen - nicht an illegalen Aktivitäten teilzunehmen", sagt der Senator, der sich zudem "freut, dass er Seite an Seite mit der Motion Picture Association of America und anderen Unterstützern innerhalb der kreativen Gemeinschaft daran arbeiten kann, ein verantwortungsvolles Gesetzeswerk zu schaffen, das es Strafverfolgern auf Bundes- und Landesebene leichter macht, das zu bekämpfen, was letztendlich der Diebstahl von kreativen Werken ist." Dass man Tauschbörsen auch für legale Zwecke nutzen kann, scheint Kevin Murray entgangen zu sein. Aber schließlich möchte der Senator ja auch alle Tauschbörsennutzer zur freiwilligen Angabe ihrer Daten verpflichten.