Fernziel: ARD umwandeln
Öffentlich-rechtliche Sender: Die CDU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt will dem "Ersten" an die Substanz
Da hat sich jemand weit aus dem Fenster gelehnt. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Markus Kurze, sprach gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung davon, "'Das Erste" als eigenständigen Kanal abzuschaffen". Gestern ruderte er zurück. Er hätte sich besser ausdrücken sollen, so Kurze.
Das Wort "abschaffen" sei nicht zutreffend, wie Kurze später gegenüber der dpa einräumte, stattdessen sei "Umwandeln" richtig. In ihrem Update berichtet die Mitteldeutsche Zeitung von einer Pressemitteilung der CDU-Landtagsfraktion vom Montagabend, wonach diese "eine Absicht zur Abschaffung des ARD-Hauptprogramms" bestreite.
Zitiert wird auch ein Statement Markus Kurzes, wonach von einer "jetzigen Abschaltung" nie die Rede gewesen sei. Das entspricht auch dem vorgängigen Bericht der Zeitung, in der "langfristig" als Zeithorizont angegeben wird. Dort heißt es wörtlich: "Wir unterstützen den Vorschlag von Staatsminister Robra, langfristig den Sender 'Das Erste' als eigenständigen Kanal abzuschaffen", soll der CDU-Vertreter, offensichtlich mit Zustimmung der Fraktion, der Zeitung gegenüber gesagt haben. Das ursprüngliche Statement liege der MZ in schriftlicher Form vor, heißt es dazu.
Inhaltlich ist der Streit über die Formulierung von keiner großen Bedeutung. Er zeigt hauptsächlich an, wie sich Diskussionen über die öffentlich-rechtlichen Sender aufladen können und dass sich die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt als Treiber der Diskussion geriert. Am Fernziel ist nicht viel zu deuteln.
Das Konzept, für das sich prominente Mitglieder der CDU von Sachsen-Anhalt laut Zeitungsbericht starkmachen, läuft darauf hinaus, dass sich die ARD vor allem mit ihren dritten Programmen auf regionale Schwerpunkte konzentriere und das ZDF als "nationaler Sender" übrigbleibe, wie Kurze wiedergegeben wird.
Die Schließung des "Ersten" sei eine langfristige Vision, betonte der Medienpolitiker. "Wir wissen, dass wir das politisch derzeit nicht umsetzen können. Aber das ist unser Fernziel." Kurze kündigte an, dass die CDU-Fraktion sich dazu mit den anderen Ländern abstimmen will.
Mitteldeutsche Zeitung
Als Druckmittel sieht Kurze die nächste Beitragsdebatte, die 2023/2024 komme. Zur Erinnerung: Die CDU in Sachsen-Anhalt hatte sich im November 2020 einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags verweigert, begleitet von einem größeren politischen Aufheben, der Rechtsstreit über die Statthaftigkeit der Erhöhung wurde dann mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts geklärt, politisch gärt er weiter.
"Dreh- und Angelpunkt des Protestes" gegen die Erhöhung war CDU-Fraktion im Landtag in Magdeburg, schrieb damals die SZ.
Kurze, der derzeit Angriffe auf seine Homepage beklagt, die von Unbekannten angegriffen wurde, schloss sich in seinen Äußerungen an einen Vorschlag des Medienministers Rainer Robra an, hinter den sich die ganze CDU-Fraktion stellte. Offenbar war darin schon die Rede vom Fernziel der Umwandlung der ARD, wie das oben erwähnte Zitat von Kurze zeigt.
Robra ist schon seit einigen Jahren ein Kritiker der öffentlich-rechtlichen Sender, wobei sein Schwerpunkt bei der Finanzierung und damit auch bei den Gebühren liegt. Das Einsparpotential bei den Öffentlich-Rechtlichen mit ihren vielen Doppelstrukturen sei groß, wie er in mehreren Wortmeldungen seit mindestens 2017 betonte, zuletzt kurz vor Weihnachten.
Inhaltlich fällt die Kritik der CDU in Sachsen-Anhalt an der ARD bislang spärlich aus, außer Einsparungskonzepten wird nichts geäußert, was eine Diskussion über bessere Inhalte und bessere Programme der Öffentlich-Rechtlichen mit neuen Vorschlägen beleben könnte. Unterstützer des Vorstoßes argumentieren allein mit Hinweis darauf, dass endlich eine Diskussion angestoßen würde.
Vorgebracht wird von den CDU-Vertretern in Sachsen-Anhalt, dass die ARD zu einseitig über den Klimawandel berichte, Kritik am Gendern und schließlich, dass regionale Anliegen in Ostdeutschland bei der ARD zu kurz kommen.
Allgemein kritisierte Kurze, "dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk oft Minderheitenmeinungen stärker vorkommen als die Meinung der Mehrheit". Mit diesem Blickwinkel ist Kurze und die CDU-Fraktion sicher nicht allein. Allerdings ist das Urteil auch sehr pauschal, mehr Gefühl als Argument. Und Argumente sind, je konkreter desto besser, nötig, um Programmgestalter, die es sich sehr bequem gemacht haben, aufzurütteln. So können es sich die Programmverantwortlichen weiter einfach machen, indem sie diese Kritik einfach der Stammeszugehörigkeit "rechts" zuordnen und damit abtun.