Flexible Löhne oder flexible Gewinne – wie funktioniert eine Marktwirtschaft?
Seite 2: Die Geldpolitik und flexible Preise
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Die immer wieder geforderte "Flexibilität am Arbeitsmarkt", im Sinne von unterschiedlichen Preisen (also Löhnen) für gleiche Arbeitsleistungen, hat nichts mit der Preisflexibilität in einer funktionierenden Marktwirtschaft zu tun.
Mit letzterer ist nämlich nicht gemeint, dass jeder Anbieter oder Nachfrager auf einem bestimmten Markt einen individuellen Preis vereinbaren kann, sondern dass sich für alle Teilnehmer eines Marktes ein einheitlicher Preis einspielt. Der kann sich dann im Zeitablauf sehr wohl verändern, also den unterschiedlichsten Einflüssen "flexibel" anpassen.
Aber dann ändert er sich für alle Marktteilnehmer in gleicher Weise und eben nicht für ein paar wenige so und für einige andere anders und für die restlichen gar nicht.
Die wirklich für die Funktionsweise des Systems bedeutende Flexibilität der Preise ist am größten, wenn die sichtbaren Unterschiede der Preise gleichartiger Produkte und Dienstleistungen nahe Null sind.
Um es anschaulich auszudrücken: Wenn in allen Bäckereien einer Stadt ein Brötchen gleicher Größe und Qualität in einem bestimmten Monat 40 Cent kostet, käme niemand auf die Idee, von verkrusteten Strukturen oder einem Anbieterkartell zu sprechen.
Stiege der Brötchenpreis im folgenden Monat aufgrund verheerender Ernteschäden und entsprechender Verteuerung des Mehls auf z.B. 44 Cent in allen Bäckereien, wäre die notwendige marktwirtschaftliche Flexibilität, also die Fähigkeit, rasch auf sich verändernde Bedingungen zu reagieren, offenbar gegeben.
Für die Geldpolitik ist es fundamental, zu verstehen, dass es in einer funktionierenden Marktwirtschaft keinen Mechanismus gibt, der dafür sorgen könnte, dass Preiserhöhungen in boomenden Branchen durch Preissenkungen in den weniger begünstigten ausgeglichen werden.
Die Idee, es sei inflexiblen (sticky) Löhnen zuzuschreiben, wenn das nicht geschieht, ist gefährlich. Die Geldpolitik neigt bei einer solchen Sichtweise dazu, generell die Arbeitnehmer für eine "zu geringe Preisflexibilität"verantwortlich zu machen und mit Zinserhöhungen zu reagieren.
Wenn jedoch im Strukturwandel temporär Knappheiten auftreten und bestimmte Bereiche so hohe Preissteigerungen durchsetzen können, dass das Preisniveau vorübergehend auch insgesamt steigt, ist Zinserhöhung das genaue Gegenteil dessen, was die Volkswirtschaft braucht.
Denn die Zinserhöhungen behindern den Prozess des Wegkonkurrierens von Pioniergewinnen durch nachahmende Investitionen und damit das Aufheben von Engpässen, die durch die Preissteigerungen angezeigt werden.
Gerade in Zeiten, in denen ein rascher Strukturwandel besonders notwendig ist, um dem Klimawandel zu begegnen, sind stärkere Preisschübe in einzelnen Sektoren nahezu vorprogrammiert. Diese durch die Erschwerung von Investitionen zu unterdrücken heißt, die Marktwirtschaft ihrer Fähigkeit der flexiblen Anpassung zu berauben.
Dass die EZB gestern die Zinsen erneut angehoben hat, obwohl es in Europa keinerlei inflationären Druck mehr gibt und die vorlaufenden Indikatoren wie die Erzeugerpreise schon weit im deflationären Bereich liegen (wie hier zuletzt gezeigt), ist das Ergebnis solch fataler Missverständnisse hinsichtlich der Funktionsweise unseres Wirtschaftssystems.
Dass die EZB die erneute Erhöhung unmittelbar mit einem höheren Pfad der Energiepreise begründet, zeigt, dass sie nicht verstanden hat, dass es keinen Marktmechanismus geben kann, der eine solchen exogenen Effekt, der wiederum temporär sein wird, ausgleichen kann.