Flugsicherheit der Zukunft
NextGen Flugsicherung, Geo-Fencing und Fernsteuerung
Der Absturz der Germanwings-Maschine in den Alpen hat der Debatte über moderne Flugsicherheit neuen Antrieb gegeben. Gewiss, Flugzeuge sind viel zuverlässiger als Automobile. Ein Unfall geschieht im Durchschnitt nur einmal je 4,4 Millionen Flüge. Aber ein Flugzeugunfall ist ungleich dramatischer und traumatisierender für die involvierten Familien. Flugsicherheit kann es nie genug geben.
Das Verschwinden von Malaysia Airlines Flug 370 im Jahr 2014 hat außerdem gezeigt, dass es nicht ausreicht, wenn ein Flugzeug passiv von Radaren erfasst wird. Es gibt Lücken in der Radarüberwachung und außerdem kann ein Pilot den Transponder immer noch manuell ausschalten, d.h. die Elektronik, die den Flugkontrolleuren die Identität des ankommenden Flugzeugs verrät. Es ist ein wahres Paradox, dass Passagiere heute in modernen Flugzeugen Internet und Satellitenfernsehen genießen können, während die Flugzeugdaten immer noch nicht nach außen als Stream versendet werden. Bei manchem Flugzeugabsturz erleben wir wiederholt dasselbe Drama, d.h. ob die Black-Boxen des Flugzeugs gefunden werden können und ob man die Daten lesen kann. Wenn die Black-Boxen ins Meer fallen, wie beim 2009 abgestürzten Flug 447 der Air France, kann es mitunter Jahre dauern bis das Wrack und die Boxen selber gefunden werden können.
Das weltweite Iridium-Satellitennetz, vor Jahren für die Satellitentelefonie der Reichen konzipiert (und damals mit dem Konzept gescheitert), soll jetzt für Flugverkehr umgestellt werden. Iridium bietet seit kurzem den AFIR-Dienst (Automated Flight Information Reporting System) der Firma FLYHT an. Ein Flugzeug kann damit Position und Turbinendaten und z.B. den noch vorhandenen Treibstoff über zwei Iridium-Kanäle oder auch Audiodaten übermitteln. Erste Airlines sollen bereits angefangen haben Verträge mit dem Betreiber zu schließen. Aireon, eine neue Tochtergesellschaft von Iridium, soll die neuen Datendienste global anbieten.
Sicherheit und Kostenrechnung
Flugtransport ist allerdings ein heiß umkämpfter Markt. Wir haben schon viele Airlines kommen und gehen sehen. Die verbliebenen Firmen kämpfen gegen die Billiganbieter, die sie zu immer weiteren Kostensenkungen zwingen. Früher war Fliegen ein Luxus, heute kann Fliegen billiger als die Bahn sein.
Man möchte es nicht wahrhaben, aber die Flugzeugindustrie nagt tatsächlich am Hungertuch, verglichen mit Firmen aus der New-Economy wie Apple oder Google. Laut The Economist betrug der weltweite Gewinn bei der Flugzeugindustrie magere 1% im Jahr 2012, d.h. die Airlines hätten mehr verdient, wenn sie das Geld in ein Sparbuch eingezahlt hätten.
Dazu kommt, dass Fliegen ein weltweit reguliertes Geschäft ist. Man braucht einen Standard, an den sich jede Airline halten muss. Diese beide Faktoren, die strikte Regulierung der Sicherheitsanforderungen, die nicht immer mit den technologischen Realitäten Schritt hält, sowie das ewige Streben nach Kostensenkungen, haben die Flugsicherung in eine technologische Schildkröte verwandelt, bei der noch immer die passive Erfassung mit einem Radar statt die aktive Datenübermittlung durch die Flugzeuge selbst den weltweiten Sicherheitsstandard bietet.
NextGen Flugsicherung
Vieles soll sich ändern, wenn die nächste Generation von Flugsicherungssystemen eingeführt wird. In den USA heißt diese neue Lösung NextGen (Next Generation Air Transportation System). Teile davon sind bereits probeweise in einigen Flughäfen installiert worden (z.B. in Dallas und Washington), es wird aber bis 2025 dauern bis die gesamte Flugsicherung über den USA auf dieser Grundlage durchgeführt wird.
In NextGen werden die Flugzeuge aktiv ihre Daten melden. Die Maschinen werden ihre GPS-Koordinaten durch ADS-B (Automatic Dependent Surveillance Broadcast) funken. Die Flugkontrolleure werden damit genau wissen, wo die Flugzeuge sich befinden, und ihre Kennung sowie zusätzliche Daten erhalten. Mit einem weiteren Kommunikationsmodul werden die Flugzeuge nicht nur Sprachdaten von den Kontrolleuren bekommen, sondern auch Texte und z.B. Trajektorien. Damit kann der Flugkontrolleur den genauen Flugpfad für eine Landung bestimmen. Statt eine Treppe von unterschiedlichen Flughöhen und Winkeln sprachlich zu vereinbaren, kann dann eine glatte Trajektorie vorgegeben werden, die schneller und mit weniger Treibstoffverbrauch absolviert werden kann. Dieses "Segeln" spart bereits Millionen in den wenigen Flughäfen, in denen die Technologie bereits installiert ist. Durch eine solche Kommunikationsverbindung könnten Flugzeuge auch als weltweites Sensornetzwerk für die Kartierung des Wetters, von Stürmen usw. in unterschiedlichen Höhen dienen.
Die Kommunikation sollte dann über Satelliten erfolgen. Das Satellitengeschäft hat bis heute noch nicht genug mit der Flugsicherung zu tun gehabt und die Kosten für die notwendige weltweite Infrastruktur sind unklar. Man muss schließlich die ganze Welt rundum abdecken, so wie GPS-Satelliten es heute tun. Das Satellitennetz sollte bidirektional arbeiten und Streams aus den Flugzeugen empfangen, zwischenspeichern und weiterleiten können. Ob das Iridium-Netz das alles leisten kann, wird sich noch zeigen.
Geo-Fencing und Teleoperation
Viel umstrittener ist ein Konzept aus dem Bereich der landbasierten Systeme, das sogenannte "geo-fencing". Für Landroboter und autonome Transportsysteme in der Fabrik kann man durch Software verbotene Areale definieren. Man legt also virtuelle Mauern, die die Roboter nicht überschreiten können.
Angenommen ein Flugzeug verfügt über eine gute GPS-Positionierungseinheit, dann könnte die Flugsicherung solche virtuellen Mauern errichten. Den vorgegebenen Pfad zu verlassen (innerhalb einer generösen Toleranz) würde zu einer Warnung führen (wie bereits heute bei der Flughöhe), aber vielleicht auch zu der Weigerung der Maschine die virtuelle Mauer zu durchbrechen. Der Pilot müsste dann zuerst eine Erlaubnis von der Flugsicherung bekommen, um die virtuellen Korridore zu verlassen. Für Drohnen ist Geo-Fencing als Sicherheitsanforderung für den privaten Betrieb empfohlen worden (allerdings bis jetzt ohne viel Erfolg).
Teleoperation ist auch vorgeschlagen worden, zuerst in Verbindung mit gekaperten Flugzeugen. Das würde bedeuten, dass die Flugsicherung u.U. die Kontrolle über das Flugzeug per Fernbedienung übernehmen könnte.
Jeder Vorschlag, der den Piloten die absolute Kontrolle über die Maschine nimmt, ist mit Vorsicht zu genießen. Wir alle wissen, dass Technik nie perfekt ist - zusätzliche Elektronik im Flugzeug ist eine Gelegenheit für neue Fehler. Menschen sind sehr flexibel und speziell Piloten werden dafür ausgebildet, in Krisensituationen einen kühlen Kopf zu behalten und sogar kreativ Lösungen zu finden. Bei der Landung 2009 von Flug US Airways 1549 auf dem Hudson River in New York musste der Pilot sich sogar gegen die Flugzeugelektronik behaupten, die für eine Wasserlandung ungeeignet war und die Spitze des Flugzeugs nicht genug anheben wollte.
Ein Mensch als letzte Kontrollinstanz sollte deswegen in jedem Flugzeug im Cockpit sitzen. Andernfalls würden die Passagiere wahrscheinlich gar nicht einsteigen wollen.
Es ist aber anders, wenn der Pilot selbst erkrankt oder bewusstlos in der Kabine liegt. In einem solchen Fall hätten die Passagiere sicherlich nichts dagegen, wenn der Kontrollturm die notwendigen Befehle an den Autopiloten verschickt. Moderne Flugzeuge können automatisch landen und starten. Bei manchen Flügen steuern die Piloten das Flugzeug selbst nur einen Bruchteil der Route - den Rest erledigen Computer.
Ist diese Möglichkeit der Fernsteuerung gegeben, dann muss aber garantiert werden, dass die Kontrollsignale nicht gehackt werden können. Anderenfalls hätten wir nun Cyber-Luftpiraten am Werk. Eine Möglichkeit wäre, dass eine externe Kontrolle nur von der Kabine selbst durch einen Schalter zugelassen werden kann, eine Erlaubnis, die man jederzeit rückgängig machen könnte. So wäre ein Flugbegleiter imstande, ein Flugzeug zu landen, auch wenn der Pilot einen Herzinfarkt erlitten hätte.
Noch ein Vorschlag, der nicht abwegig klingt, gegen den es aber Widerstand von den Piloten selbst gibt, wäre ein Video der Kabine in der Black-Box zu speichern und sogar zu streamen. So muss nicht jedes Mal gerätselt werden, was die Piloten getan haben und wie die Situation im Cockpit bei einer Krise war.
Schließlich kann ein Flugzeug sich selbst gegen Fehlbedienung schützen. Solche Systeme sind in modernen Jagdflugzeugen vorhanden, wo der Pilot bei schnellen Kurven bewusstlos werden und in eine Absturztrajektorie geraten kann. Dann übernimmt die Elektronik und bringt Flugzeug und Pilot in eine sichere Lage, bis der Pilot wieder antreten kann. Es ist ein bisschen wie bei Asimovs Gesetzen der Robotik: Ein Roboter darf Menschen nicht verletzen bzw. nicht durch Inaktivität erlauben, dass Menschen verletzt werden. Außerdem sollte ein Roboter sich selbst schützen. Da heutige Flugzeuge sich langsam in Flug-Roboter verwandeln, sollten sie vielleicht auch die entsprechenden Gesetze beachten!
Ein Airbus 380 kann 350 Millionen Euro kosten. Er ist vollgepackt mit Elektronik, die den Piloten hilft, das Flugzeug überhaupt fliegen zu können. Ich habe bereits in einem A380 gesessen und stundenlang das Internet verwendet. Man darf sich also wundern, dass eine solche Megamaschine noch nicht selbst sämtliche Daten an eine virtuelle Black-Box bei der Zentrale übermittelt. Jedoch wird sich viel in diesem Bereich in den nächsten Jahren ändern. Flugzeuge werden dann noch ein Stück sicherer, als sie es ohnehin schon heute sind.