Forencheck: Hitzewelle in Spanien, LNG aus den USA und Sonnenaktivität

Drei Fragen aus dem Forum. Eine Telepolis-Kolumne
Stark abweichende Prognosen zur Hitzewelle in Spanien?
Auf den Artikel "Dürre und Hitze auf fünf Kontinenten [1]" erreichte uns eine Frage mit der Überschrift: Fragwürdige Modellierung der Temperaturabweichungen auf Climate Reanalyzer [2].
Der User schreibt, die verlinkte Grafik
des Portals Climate Reanalyzer über die Temperaturabweichungen vom langjährigen Mittel wirft einige Fragen auf [3].
Demnach soll die Temperatur in Süd- und Ostspanien etwa 10 Grad über dem langjährigen Mittel für diesen Tag im Mai liegen. Die Wetterkarte des DWD zeigt ein anderes Bild [4].
Dort ist keine außergewöhnliche Abweichung zu sehen, siehe auch die durchschnittlichen Minimal- und Maximaltemperaturen für Málaga im Mai [5]. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass die von Climate Reanalyzer genutzten Modelle bewusst dazu verwendet werden, um Klimawandelpanik zu schüren. (...)
Ob gravierenden Abweichungen zwischen der Vorhersage von Climate Reanalyzer und des Deutschen Wetterdienst bestanden haben, lässt sich leider im Nachhinein nicht nachvollziehen, denn die angegebenen Links führen zu den aktuellen Temperaturvorhersagen.
Geringfügige Abweichungen in den Vorhersagen sind immer möglich, da die meteorologischen Dienste mit unterschiedlichen Wettermodellen arbeiten. Außerdem kann es sein, dass die Genauigkeit für die einzelnen Weltregionen unterschiedlich ist.
Die von unserem Autor verwendete Karte zeigt Vorhersagen basierend auf den Modellen der US-amerikanischen Wetterdienste (NOAA/NCEP), was auf Seriosität der Daten schließen lässt. Das vom DWD für Europa genutzte Modell heißt ICON-EU, mit dem sich nach eigenen Angaben detaillierte, fünftägige Vorhersagen erstellen lassen.
Nicht nur Vorhersagemodell und Genauigkeit können Unterschiede machen, es ist auch wichtig darauf zu schauen, was eigentlich verglichen wird. Die Internetseite Weatherspark gibt jeweils das Tagesmaximum und -minimum an, wobei der Zeitraum, über den das Mittel berechnet wurde, nicht benannt ist. Die verlinkte Vorhersagekarte des Re-Analyzers zeigt hingegen Stundenwerte der Abweichung vom Mittel der Jahre 1979 bis 2000.
Abgesehen von der Frage der Datenvergleichbarkeit und wie genau die unterschiedlichen Wetterdienste gearbeitet haben und damit zu unterschiedlichen Temperaturabweichungen vom langjährigen Mittel gekommen sind, lassen sich nun rückblickend die gemessenen Temperaturen im Verhältnis zum langjährigen Mittel betrachten. Der oben genannte Artikel erschien am 17. Mai., die Rede war davon, dass für das Wochenende (20. bis 22. Mai) Höchstwerte erwartet würden.
Tatsächlich wurde laut NOAA [6] in Madrid am 19. Mai eine Abweichung der Tagesdurchschnittstemperatur (also nicht des Tagesmaximums) um plus neun Grad gegenüber dem langjährigen Mittel (wobei hier die Referenzperiode nicht angegeben ist) gemessen.
Im ebenfalls im Landesinneren gelegenen Cáceres war es ebenfalls am 19. Mai 9 Grad wärmer als im langjährigen Mittel. In Malaga lag die maximale Abweichung nach oben bei knapp 8 Grad über dem Mittel am 23. Mai. In Alicante waren es schließlich am 23. Mai "nur" 6 Grad über dem langjährigen Mittel. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass zumindest im Landesinneren die Marke von +10 Grad über dem Mittel nur knapp verfehlt wurde.
Sind höhere LNG-Importe aus den USA überhaupt realistisch?
Der Artikel "Gasspeicher: Wie sicher ist die Versorgung in Deutschland? [7] wird folgendermaßen kommentiert [8]:
Die Gasspeicher in Deutschland füllen sich noch mit russischem Gas. Sollte es wegbrechen, stünde Deutschland vor einem Problem: In den USA fordern Teile der Industrie einen Stopp der LNG- Exporte nach Europa.
Gasspeicher können "sich" nicht füllen. Da muß vorher jemand bei irgendjemandem Gas bestellen. Wer also wieviel bei wem und zu welchem Preis? (...)
Vor Monaten hat der "Energiezar" der USA, A.Hochstein mal in einem Interview erklärt, die Regierung könne gar nichts tun oder lassen, um die EU mit LNG zu versorgen. Man habe schließlich eine freie Marktwirtschaft und das Gas ginge da hin, wo die höchsten Preise zu erzielen seien. Wenn die Europäer besser zahlten als die Asiaten, dann bekämen sie auch Gas. Nun sieht es so aus, als müßte die einheimische Wirtschaft beide überbieten. Oder ist es doch keine ganz so "freie Wirtschaft".
Ja, Gasspeicher füllen sich nicht von allein. Die Betreiber der Gasspeicher müssen dafür von gasexportierenden Unternehmen beliefert werden. Wer dabei welche Gasmengen zu welchem Preis bekommt, ist zwar eine interessante Frage, da es sich um Verträge zwischen Unternehmen handelt, werden die genauen Konditionen wohl nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Und in der Regel werden wohl längerfristige Lieferverträge geschlossen. Beim Bundeswirtschaftsministerium heißt es dazu [9]:
Langfristige Gasimportverträge geben den Produzenten Sicherheit über zukünftige Absatzmengen und werden als Finanzierungsinstrument für die erforderlichen hohen Investitionen in Exploration, Produktion und Infrastruktur eingesetzt. Für die importierenden Staaten stellen diese Verträge einen wichtigen Bestandteil für eine langfristige Versorgungssicherheit dar. Die Lieferverträge haben zum Teil Laufzeiten von 20 Jahren und länger.
Im Prinzip sind die Gasimporteure auch an langfristige Verträge mit Gazprom gebunden, verhängt die EU aber ein Gasembargo, sind sie von ihren Verpflichtungen qua "höherer Gewalt" befreit. Staaten haben hier also einen Einfluss auf die Lieferungen, vor allem wenn es darum geht, dass etwas nicht geliefert werden soll. Genauso könnte die US-Regierung einen Ausfuhrstopp für LNG beschließen oder hohe Exportzölle erheben.
Das würde aber die Arbeit einer eigens zwischen der US-Regierung und der EU eingerichteten Taskforce für Energiesicherheit konterkarieren. Diese traf sich am 28. April. Dabei sei es zum einen darum gegangen, die Erdgaslieferungen nach Europa zu diversifizieren, zum anderen, wie Europa seinen Erdgasbedarf reduzieren könne.
"Die beiden Seiten erörterten auch die EU-Energiebeschaffungsplattform und Pläne zur Schaffung eines Rahmens für die beschleunigte Diversifizierung der Gasversorgung, einschließlich zusätzlicher LNG-Lieferungen [10].
Den Vorsitz bei diesem Treffen hatte der im Kommentar erwähnte "Energiezar" Amos Hochstein, der seit August 2021 Berater für Energiesicherheit im Außenministerium der Vereinigten Staaten ist. Zuvor war Hochstein bis 2020 Aufsichtsrat beim ukrainischen Gaskonzern Naftogaz, von 2017 bis 2020 war er außerdem bei dem LNG-Hersteller Tellurian beschäftigt.V(on daher wäre es interessant zu wissen, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Rolle Hochstein interviewt wurde.)
Die Personalie Hochstein sowie die Intransparenz der Taskforce für Energiesicherheit werden übrigens von Umweltorganisationen wie Friends of the Earth kritisiert: "Ein ehemaliger LNG-Manager, der offizielle Bemühungen zur Steigerung der LNG-Exporte leitet, ist gelinde gesagt beunruhigend", sagte Lukas Ross, Programmmanager bei Friends of the Earth. "Dieser Interessenkonflikt steht in krassem Widerspruch zu Präsident Bidens Klimazusagen [11]".
Zudem ist der Umweltorganisation zudem ein Dorn im Auge ist, dass LNG-Exporteure wie das Unternehmen Cheniere Energy in der Taskforce mit am Tisch sitzen. Das dürfte allerdings dafür sprechen, dass das Interesse an LNG-Exporten nach Europa weiterhin groß ist.
Sonnenaktivität als Faktor für die Klimaerwärmung?
Immer wieder taucht sie in Diskussionen über die Klimaerwärmung auf, die Sonnenaktivität. So auch mal wieder im Forum von Telepolis [12]:
Die Sonnenaktivität wird als Faktor für die Klimaerwärmung viel zu wenig beachtet. Aber das macht den Menschen ja irgendwie klein.
Die Nasa registriert täglich die genaue Anzahl der Sonnenflecken. In den vergangenen fünf Tagen waren das im Schnitt 113. Bis zum Höhepunkt im Jahr 2025 werden rund 125 erwartet. Damit ist die Sonne aktiver als noch im vergangenen Zyklus.
Klimaveränderungen durch die Sonnenaktivität werden von Leugner:innen der menschengemachten Klimaerwärmung gerne angeführt, um damit vermeintlich zu beweisen, dass die Erhöhung der CO₂-Konzentration in der Atmosphäre nicht für die globale Erwärmung verantwortlich ist. Starke Sonnenaktivität kann die Temperatur auf der Erde vorübergehend um 0,1 bis 0,2 Grad erhöhen.
Die globale Durchschnittstemperatur hat sich aber bereits um 1,2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter erhöht. Das ist durch Sonnenaktivität allein nicht zu schaffen. Und es wird erwartet, dass die 1,5-Grad-Schwelle schon innerhalb der nächsten fünf Jahre überschritten wird [13].
Die Sonnenaktivität schwankt in der Regel im Elf-Jahres-Rhythmus, die Temperaturkurve des Planet steigt hingegen schon seit gut 40 Jahren stetig.
URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7125436
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/features/Duerre-und-Hitze-auf-fuenf-Kontinenten-7097419.html
[2] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Duerre-und-Hitze-auf-fuenf-Kontinenten/Fragwuerdige-Modellierung-der-Temperaturabweichungen-auf-Climate-Reanalyzer/posting-41014057/show/
[3] https://climatereanalyzer.org/wx/fcst/?mdl_id=gfs&dm_id=euro-lc&wm_id=t2anom
[4] https://www.dwd.de/DE/wetter/wetter_weltweit/europa/wetter_europa_node.html
[5] https://es.weatherspark.com/m/35192/5/Tiempo-promedio-en-mayo-en-M%C3%A1laga-Espa%C3%B1a
[6] https://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/timeseries/
[7] https://www.heise.de/tp/features/Gasspeicher-Wie-sicher-ist-die-Versorgung-in-Deutschland-7095895.html
[8] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Gasspeicher-Wie-sicher-ist-die-Versorgung-in-Deutschland/Geliefert-wie-bestellt-Oder-doch-nicht/posting-41005908/show
[9] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/gas-instrumente-zur-sicherung-der-versorgung.html
[10] https://www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2022/04/29/joint-statement-between-the-united-states-and-the-european-commission-on-european-energy-security-2/
[11] https://foe.org/news/hochstein-diplomat-or-fossil-fuel-lobbyist/
[12] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Experte-Bundesregierung-taeuscht-Oeffentlichkeit-ueber-1-5-Grad-Klimapolitik/Sonnenaktivitaet/posting-41028460/show/?nid=Vy2jQaOU
[13] https://www.heise.de/tp/features/Erderwaermung-1-5-Grad-Schwelle-schon-in-fuenf-Jahren-erreicht-7081286.html
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