zurück zum Artikel

Forencheck: Importabhängigkeit der Landwirtschaft, ExxonKnew und Long Covid

Drei Fragen aus dem Forum. Eine Telepolis-Kolumne

Vom Weltmarkt abgekoppelte Landwirtschaft?

Im Kommentar auf den Artikel "Regenerative Landwirtschaft: Pilze und Würmer statt Pflug [1]" von Susanne Aigner wird gefragt [2]:

Mal angenommen es bestünde eine unüberwindbare Mauer um dieses Land, so dass kein Import sowie Export stattfände. Wie sähe es dann

a) unter Anwendung der hier produzierbaren Düngemittel, Pflanzenschutzmitteln sowie Energieträgern

b) ohne Anwendung dieser Hilfssubstanzen bezüglich der Lebensmittelproduktion beziehungsweise der Ernährungssituation aus?

Irgend einen Grund muss es in der Epoche der Segelschifffahrt doch gegeben haben, chilenischen Guano z.B. in Hamburg anzulanden.

Diese Doppelfrage ist allerdings zu komplex, um an dieser Stelle beantwortet werden zu können und würde wohl eine umfangreiche Modellierung erfordern.

Betrachten wir aber kurz die Rolle von Import und Export in der deutschen Landwirtschaft [3]. Zunächst einmal ist Deutschland Nettoimporteur landwirtschaftlicher Produkte, auch wenn es wiederum große Mengen exportiert. "Im Jahr 2020 importierte Deutschland Agrargüter im Wert von 84,8 Milliarden Euro (vorläufiger Wert). Im selben Jahr wurden Agrargüter im Wert von 73,9 Milliarden Euro exportiert."

Der Selbstversorgungsgrad lag 2019/2020 bei 88 Prozent [4]. Dabei wird bei Kartoffeln, Schweinefleisch, Milchprodukten und Zucker ein Überschuss erzielt, die Getreideversorgung liegt bei 101 Prozent, Obst und Gemüse hingegen muss importiert werden.

Allerdings stecken in den meisten dieser Nahrungsmittel Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und Energie, wie in der Frage richtig bemerkt, dazu kommen importierte Futtermittel. "Rund 28 Prozent des Futteraufkommens an verdaulichem Eiweiß stammen aus importierten Futtermitteln. Allein gut 44 Prozent der Nettoeinfuhren von verdaulichem Eiweiß entfallen auf Sojabohnen und Sojaschrot. Der Anteil von Soja an den Nettoeinfuhren von verdaulichem Eiweiß beträgt (...) 2020/21 48,8 Prozent (…)", schreibt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft [5].

Da die Selbstversorgungsquote bei Fleisch und Milch jeweils über 100 Prozent liegt, könnte ein Verzicht auf Futterimporte zu bewerkstelligen sein, wenn gleichzeitig der Konsum von Fleisch und Milchprodukten stärker eingeschränkt würde.

Der Düngemittelverbrauch in Deutschland ist rückläufig, was auch an Umweltauflagen und schon in den letzten Jahren gestiegenen Preisen liegt. Laut agrar heute exportiert Deutschland mehr Stickstoffdünger als es importiert: "Die deutsche Handelsstatistik zeigt für das Jahr 2021 den Export von 3,2 Millionen Tonnen Stickstoffdüngemitteln aus Deutschland. Dem stehen Importe von 2,7 Millionen Tonnen gegenüber – ein Exportüberschuss von immerhin 500.000 Tonnen Stickstoffdünger in Produktgewicht [6]."

Bei Kalidünger lag der Exportüberschuss Deutschlands sogar bei über vier Millionen Tonnen im Jahr 2020/21. Die Krux bleibt aber: In den Düngemitteln steckt jede Menge fossile Energie, und die wird zum großen Teil importiert. Ähnliches lässt sich wahrscheinlich über die Produktion von Pflanzenschutzmitteln sagen, denn auch hier sitzt eine Vielzahl von Herstellern in Deutschland, die für den globalen Markt produzieren.

Was will Exxonknew

Unter dem Artikel "Ölboykott für Menschheit – statt nur Ölembargo gegen Russland [7]" wird gefragt [8]:

Wer sind diese Leute von EXXON knew? Was wollen die uns denn verkaufen? Gibt es da Geschäfts- oder politische Interessen der Aktivisten? Wer bezahlt die? Es steht doch jedem frei, Erdöl-Konzerne zu boykottieren. Diese Leute brauchen sich nicht aufhalten zu lassen, aber wozu brauchen die uns?

Exxonknew ist eine politische Kampagne gegen den Ölkonzern, und keine eigene Organisation. Das Wesen von Kampagnen ist es immer, breite Öffentlichkeit zu schaffen und Menschen für das eigene Anliegen zu begeistern. Insofern beantwortet sich die letzte Frage wohl von selbst. Und ein Boykott ist eben umso wirksamer, umso mehr Leute sich an ihm beteiligen. Vorausgegangen sind der Kampagne intensive Recherchen, etwa der Columbia Journalism School [9].

Die Kampagne erfüllt aber nicht nur den Zweck, Druck aufzubauen und Menschen vom Boykott eines extrem klimaschädlichen Unternehmens zu überzeugen. Es geht auch um das Herausstellen der Verantwortung eines Unternehmens, von seiner Rolle bei der Klimaerwärmung gewusst zu haben und trotzdem nicht entsprechend umgesteuert zu haben.

Die bewusste Verantwortung spielt eine Rolle, wenn individuelle Unternehmen für ihren Anteil an Klimafolgeschäden auch vor Gerichten verklagt werden, wie es im Fall Huaraz gegen den Konzern RWE erfolgen soll [10].

ExxonMobil wurde von der New Yorker Staatsanwaltschaft vor Gericht gebracht, mit dem Vorwurf, Aktionäre getäuscht zu haben, hier ging es aber vor allem um einen möglichen späteren Verlust ihrer Aktienwerte. Das Urteil des zuständigen Gerichts fiel jedoch zugunsten ExxonMobils aus [11].

Wie häufig ist Long Covid und was sind die Symptome?

Der Artikel "Long Covid und die Schläfer-Viren [12] von Arno Kleinebeckel hat zahlreiche Fragen im Forum aufgeworfen. Manche davon, etwa zum Nachweis einer Infektion durch PCR-Tests haben wir in der Vergangenheit bereits beantwortet [13].

Einige User stellten Fragen nach wissenschaftlichen Quellen, wie etwa in diesem Beitrag [14]. Darin heißt es u.a.:

Der Deutschlandfunk berichtet von Studien, aber gibt keinerlei Quellen an. Zudem wäre es interessant (wichtig!) zu erfahren, wieviele von den 150.000 Veteranen nach oder vor deren "Erkrankung" (steht das nur für einen positiven Test?) "geimpft" wurden.

Die Studie, die auf den Daten von 150.000 US-Veteranen beruht, wurde im Februar im Fachjournal Nature Medicine veröffentlicht [15]. Darin wird ausdrücklich auf die Frage der geimpften Erkrankten eingegangen:

Da einige COVID-19-Impfstoffe mit einem sehr seltenen Myokarditis- oder Perikarditis-Risiko assoziiert sein könnten, haben wir zwei Analysen durchgeführt, um einen möglichen Beitrag einer potenziellen Impfstoffexposition zu den Myokarditis- und Perikarditis-Ergebnissen in dieser Studie auszuschließen. Erstens zensierten wir die Teilnehmer der Kohorte zum Zeitpunkt des Erhalts der ersten Dosis eines COVID-19-Impfstoffs. Zweitens wurde die Impfung als zeitlich variierende Kovariante berücksichtigt. Beide Analysen wurden sowohl mit der aktuellen als auch mit der historischen Kontrollgruppe durchgeführt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass COVID-19 in beiden Analysen mit einem erhöhten Risiko für Myokarditis und Perikarditis assoziiert war.

Der User bittet außerdem um Quellen dafür, dass sich mehr als zehn Prozent der mit Sars-CoV-2 Infizierten nicht vollständig erholen oder neue Symptome entwickeln würden.

Hierzu, genauso zu der Frage, wie viele Personen in Deutschland von Long Covid betroffen sind, variieren die Zahlen stark je nach Studie, das Robert-Koch-Institut nennt hier eine Spanne von 7,5 bis 41 Prozent von erkrankten, aber nicht hospitalisierten Erwachsenen, die unter Langzeitfolgen litten, bei den Hospitalisierten wird die Zahl mit 37,6 Prozent angegeben [16].

Die Helmholtz-Gemeinschaft nennt bei den Krankenhauspatient:innen einen noch höheren Anteil mit Langzeitfolgen:

"Laut einer Studie der Fachzeitschrift Journal of Medical Virology [17] haben über 50 Prozent der Personen, die im Krankenhaus behandelt wurden, auch noch mehr als zwei Monate nach der akuten Erkrankung Symptome. Bei den leichteren Verläufen, die nicht im Krankenhaus landen, sind etwa zehn Prozent der vormals Infizierten betroffen, wie eine Studie der Fachzeitschrift Nature im März 2021 zeigte [18]", lässt sich auf der Seite der Helmholtz-Gemeinschaft nachlesen [19].

Hier wird auch die Studie aufgeführt, die zu dem Schluss kommt, dass zehn Prozent der leicht Erkrankten unter Long Covid oder Post Covid leiden.

Auch wurde gefragt, wovon diese Menschen genau betroffen seien. Hierauf weiß die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Antwort [20]:

Zu den häufigsten Symptomen der Post-Covid-19-Krankheit gehören:

Menschen mit einer Post-Covid-19-Erkrankung, die auch als Long-Covid bezeichnet wird, haben möglicherweise Schwierigkeiten, im Alltag zurechtzukommen. Ihr Zustand kann sich auf die Fähigkeit auswirken, alltägliche Tätigkeiten wie Arbeit oder Hausarbeit zu verrichten.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7077397

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/features/Regenerative-Landwirtschaft-Pilze-und-Wuermer-statt-Pflug-7070401.html
[2] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Regenerative-Landwirtschaft-Pilze-und-Wuermer-statt-Pflug/Mal-angenommen/posting-40930555/show/
[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1188874/umfrage/wert-von-agrarimporten-und-agrarexporten/
[4] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/659012/umfrage/selbstversorgungsgrad-mit-nahrungsmitteln-in-deutschland/#:~:text=Im%20Berichtsjahr%202017%2F18%20lag,100%20Prozent)%20sind%20Importe%20notwendig
[5] https://www.bmel-statistik.de/landwirtschaft/tierhaltung/futtermittel/
[6] https://www.agrarheute.com/markt/duengemittel/viel-duenger-brauchen-deutschen-bauern-verbrauch-importe-591330
[7] https://www.heise.de/tp/features/Oelboykott-fuer-Menschheit-statt-nur-ein-Oelembargo-gegen-Russland-7072664.html
[8] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Oelboykott-fuer-Menschheit-statt-nur-ein-Oelembargo-gegen-Russland/Verstehe-das-nicht/posting-40942077/show/
[9] https://journalism.columbia.edu/two-year-long-investigation-what-exxon-knew-about-climate-change
[10] https://www.germanwatch.org/de/huaraz
[11] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/exxonmobil-gewinnt-prozess-um-falschangaben-zum-klimawandel-in-new-york-a-1300684.html
[12] https://www.heise.de/tp/features/Long-Covid-und-die-Schlaefer-Viren-7073960.html
[13] https://www.heise.de/tp/features/PCR-Tests-der-Sinn-des-Impfens-und-die-Lage-der-Uiguren-in-China-6140183.html
[14] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Long-Covid-und-die-Schlaefer-Viren/Fragwuerdige-Quellen-die-keine-Rueckschluesse-zulassen/posting-40945999/show/
[15] https://www.nature.com/articles/s41591-022-01689-3
[16] https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Gesundheitliche_Langzeitfolgen.html
[17] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/jmv.26368
[18] https://www.nature.com/articles/s41591-021-01292-y
[19] https://www.helmholtz.de/newsroom/artikel/schuetzt-eine-corona-impfung-vor-long-covid/
[20] https://www.who.int/news-room/questions-and-answers/item/coronavirus-disease-(covid-19)-post-covid-19-condition