Ölboykott für Menschheit – statt nur ein Ölembargo gegen Russland
- Ölboykott für Menschheit – statt nur ein Ölembargo gegen Russland
- Zeit für den Boykott der großen Ölkonzerne
- Auf einer Seite lesen
Beim Umgang mit fossilen Energieträgern muss es um mehr als nur die Unterstützung der Ukraine gehen. Ein Blick auf die Klimadebatte in den USA hilft
Kennen Sie #Exxonknew? Es ist der Newsletter von Exxon, dessen Wortspiel im Namen schon auf das Ziel hindeutet: das frühe Wissen um die Gefahren des Klimawandels bei Exxon, der Muttergesellschaft von Esso, bewusst zu machen – und auch dessen breit organisierte Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit zur Verunsicherung über die Aussagen der Wissenschaft und deren Warnungen.
Unterstützt und finanziert wird Exxonknew von circa 20 Organisationen, die sich dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben haben, darunter 350.org. Deren Ziel ist es, nicht nur die CO₂-Emissionen zu stoppen, sondern auch Programme anzuschieben, die den CO₂-Gehalt von heute 410 ppm wieder auf 350 ppm absenken, also 350 CO₂-Moleküle je Million Luftmoleküle.
Die Schlagzeile auf Ihrer Webseite ist ein harter Vorwurf:
Exxon wusste schon vor einem halben Jahrhundert über den Klimawandel. Sie betrogen die Öffentlichkeit, belogen ihre Aktionäre und stahlen der Menschheit die Zeit einer ganzen Generation, um den Klimawandel zu stoppen.
Das ist alles mit Literaturstellen zu wissenschaftlichen Aussagen belegt, im Grunde alles auch bei uns bekannt. Aber es gibt einen wesentlichen Unterschied: Die Berichte von Exxonknew zeigen einen im Vergleich zu Europa anderen Schwerpunkt der Anti-Klimabewegung.
Bei uns ist das (oft fehlende) Handeln der Politik das zentrale Thema, teils in Demonstrationen, teils auch in Gerichten eingefordert. In den USA dagegen liegt der Schwerpunkt der Gerichtsverfahren bei der Verantwortung der für den Klimawandel verantwortlichen Firmen, allen voran den großen Öl-Konzernen.
Denn die erhielten die ersten deutlichen Warnhinweise in den 1980er-Jahren. Es gibt mehrere Bücher und viele Veröffentlichungen dazu. Unter anderem Greenpeace hat diese Ursprünge und auch die weitere Lobbyarbeit der Konzerne detailliert dokumentiert. Damals konsequent aufgegriffen, hätte man den Klimawandel noch stoppen können.
Der politische Wille war zunächst da. Es ist in der Fachwelt unbestritten, dass es die aufwändig finanzierte Lobbyarbeit dieses Öl-Kartells war, die diesen politischen Willen gestoppt hat – und auch Initiativen der Konzerne zum Wandel zu neuen Energiesystemen bisher unterblieben.1
Wer haftet für die Schäden?
Bei solch schwerem Verschulden stellt sich nun – da es für ein wirkliches Stoppen des Klimawandels zu spät ist – die Frage einer Haftung und damit einer Schadenersatzpflicht. Diesen Weg gehen nun viele Gruppen von Klimaaktivisten und auch viele Kommunen und Regionen der USA.
Der US-Radio- und Fernsehsender CBS listete kürzlich 14 Millionenstädte und fünf Bundesstaaten auf, die durch den Anstieg des Meeresspiegels und die Zunahme von Extremereignissen betroffen sind, bereits heute enorme Kosten haben und noch höhere Kosten erwarten. Sie gehen nun gerichtlich gegen Exxon und auch Shell und BP vor und klagen auf Schadensersatz und Kostenbeteiligung.
Darunter die Millionenstädte New York, Baltimore, Washington und San Francisco und die Bundesstaaten Massachusetts, Rhode Island, Connecticut, Delaware und Vermont. Minnesota und Boulder klagen wiederum wegen der enormen Zunahme der Trockenheit und der Zahl der Waldbrände
Es gibt erste Erfolge der Kläger, aber für diese Prozesse sind von den Konzernen die besten Anwälte der Welt und auch willige Gutachter zur Verteidigung verpflichtet worden. Urteile werden dauern – und die Berufungen auch. Aber es ist keine Zeit mehr zu verlieren.
Die Warnungen des Weltklimarates werden immer deutlicher. Schon das 1,5-Grad-Ziel ist kaum mehr haltbar – und schon das wird viele Regionen der Welt durch Hitze und durch häufiger werdende Extremereignisse unbewohnbar machen. Schon in diesem Jahrhundert wird für Mitteleuropa eine mittlere Erwärmung von 12° vorhergesagt – und weltweit starke Veränderungen der Küstenlinien durch den steigenden Meeresspiegel. Die Zeit drängt.