Ölboykott für Menschheit – statt nur ein Ölembargo gegen Russland

Seite 2: Zeit für den Boykott der großen Ölkonzerne

Diese Sachlage schiebt nicht nur die Frage der Haftung, sondern der Schadensbegrenzung in den Vordergrund. Zwar bauen die (weltweiten) Prozesse, ergänzt durch Anhörungen u.a. im US-Kongress und auch die öffentliche Meinung zunehmend Druck in den Öl-Konzernen auf, den Klimawandel ernster zu nehmen und sich der Umstellung auf eine emissionsfreie Energieversorgung zu stellen.

Bisher aber hat keine der großen Ölfirmen ihre Geschäftspolitik konsequent geändert, auch wenn dies in deren Werbung und Öffentlichkeitsarbeit immer wieder behauptet wird.

Bei dieser Sachlage ist es angebracht, einen Boykott der großen Ölkonzerne einzufordern, bei Schonung der Firmen, die erkennbar am meisten für die grüne Transformation tun. Beispielsweise sind die Unterschiede zwischen Exxon, die fast nichts für erneuerbare Energien tun, und BP oder Shell durchaus beachtlich. Aber auch diese beiden tun bei Weitem noch nicht das Mögliche, das, was eingefordert werden muss.

Firmen reagieren empfindlich, wenn der Markt, also die Kundschaft das aktuelle Geschäftsmodell ablehnt und Umsätze und gute Preise wegbrechen. So betrachtet, wäre ein Ölembargo der öffentlichen Hand und ein Ölboykott der privaten Kundschaft und der Großverbraucher der Wirtschaft nicht nur nötig gegen russisches Öl und Gas, sondern generell gegen alle Konzerne, die fossile Energie noch immer zum Schwerpunkt ihres Geschäftes machen.

Am Schluss ist in einer Marktwirtschaft der Kunde der stärkste. Und Boykott wird zum wirklich scharfen Instrument, wenn er alle Kundengruppen umfasst, also nicht nur den klassischen Konsumenten, sondern auch die Beschaffer der öffentlichen Hand, der Immobilienwirtschaft und der übrigen Wirtschaft.

Das wäre der Zwang, der die Geschäftsleitungen der Konzerne einknicken lässt. Das kann nicht heißen, dass wir sofort auf Öl und Gas verzichten müssten. Aber es kann heißen, dass wir unter diesem Aspekt auswählen und so mithelfen, dass sich der Schwerpunkt der Investitionen und der Öffentlichkeitsarbeit dieser Firmen verschiebt.

Die Zivilgesellschaft ist gefordert

Dieser Boykott kommt nicht von selbst. Die entsprechende Bewusstseinsbildung muss von den Klimaaktivisten kommen und alle diese Kundenkreise der Ölindustrie ansprechen.

Gerade der öffentliche Auftraggeber hat mit seinen Ausschreibungen für den enormen Energiebedarf der staatlichen Einrichtungen und unserer Infrastruktur einen riesigen Hebel und auch die großen Investoren und Vermögensverwaltungen können fordern – und viele tun das ja bereits. Einfache und von vielen Bürgern unterstützte politische Entscheidungen, wie ein deutsches Tempolimit, müssten unverzüglich umgesetzt werden.

Zuallererst geht es natürlich um den Stopp von Investitionen in die Exploration neuer Öl- und Gasvorkommen und die Umlenkung der Mittel in die Innovationsprogramme zur Erzeugung nachhaltiger Energien und den Einsatz (fast) aller Forschungsmittel der Firmen für die Erschließung und Optimierung dieser neuen Technologien.

Dazu angepasste Werbemaßnahmen und die Kompensation der von den verkauften Produkten freigesetzten Emissionsmengen, also ein Geschäftsmodell, das alle verfügbaren Ressourcen auf die Umstellung hin zu erneuerbaren Energien und Vermeidung fossiler Emissionen ausrichtet.

Ein Boykott allerdings braucht Transparenz. Das ist eine Aufgabe von Staat und Zivilgesellschaft. Dazu beitragen kann die Beurteilung der Nachhaltigkeit von Unternehmen durch Banken, Vermögensverwaltungen und Nachhaltigkeitsgremien als Grundlage für die Ziele der NGOs und der Aktivisten.

Gemeinsam müssen wir die Schuldigen haftbar machen, nun zur aktiven Verbesserung der Situation beizutragen. Ohne einen konsequenten Schwenk nicht nur der Politik, sondern auch der Geschäftsmodelle der Energieversorger werden wir den Klimawandel nicht stoppen.