Frachter-Angriff: Entsteht am Handels-Hotspot Rotes Meer ein neuer Kriegsschauplatz?
Huthi-Miliz im Jemen spielt mit dem Feuer. Was machen USA und Israel? Eine Eskalation wäre fatal und riskant. Über einen neuen Brennpunkt und möglichen Krieg.
Erneut wurde ein Handelsschiff im südlichen Roten Meer vor der Küste Jemens von Huthi-Rebellen angegriffen. Im Golf von Aden, einem wichtigen maritimen Engpass, durch den zehn Prozent des per Schiff gehandelten Öls transportiert werden, schlug ein Marschflugkörper in einen unter norwegischer Flagge fahrenden Tanker ein, wie die Rebellen und die US-Armee heute mitteilten.
Der Öl- und Chemikalientanker Strinda wurde beschädigt und teilweise in Brand gesetzt. Tote und Verletzte soll es laut US-Zentralkommando nicht gegeben haben.
Es ist nicht der erste derartige Vorfall. Die Huthi-Miliz hat seit Ausbruch des Israel-Gaza-Kriegs eine Reihe von Angriffen auf Schiffe im Roten Meer ausgeführt und auch Drohnen und Raketen gegen Israel eingesetzt.
Seit der Entführung des Frachters Galaxy Leader im Roten Meer Ende November haben die Huthis Berichten zufolge auch ballistische Raketen abgefeuert, die innerhalb von zehn Seemeilen vor dem Kriegsschiff USS Mason einschlugen.
In den letzten Tagen haben die schiitischen Rebellen, die vom Iran unterstützt werden, damit gedroht, jedes Schiff anzugreifen, von dem sie glauben, dass es nach Israel fährt oder von dort kommt, obwohl es keine unmittelbare Verbindung zwischen der Strinda und Israel gibt. Der Tanker hatte Palmöl geladen und war auf dem Weg Richtung Italien.
Nun wird befürchtet, dass die unablässigen Huthi-Attacken die Fracht- und Energielieferungen durch den Suezkanal gefährden könnten und damit die internationalen Spannungen im Zuge von Israels Krieg gegen den Gazastreifen verstärken.
Der nationale Sicherheitsberater Israels, Tzachi Hanegbi, sagte am Wochenende, Israel habe seine westlichen Verbündeten aufgefordert, sich mit den Bedrohungen aus dem Jemen zu befassen, und werde ihnen "etwas Zeit" geben, eine Antwort zu organisieren. Sollten die Drohungen jedoch anhalten, so Hanegbi, "werden wir handeln, um diese Blockade aufzuheben".
Bisher halten sich die USA und Frankreich, die mit Kriegsschiffen vor Ort sind und Huthi-Drohnen abschießen, zurück. Aus gutem Grund. Denn eine Eskalation wäre nicht nur fatal, sondern auch risikoreich.
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Wie Michael Horton von der Jamestown Foundation in den USA und Mitbegründer der Red Sea Analytics International schreibt, gibt es nur wenige gute Optionen, wenn es um den Umgang mit den Huthis geht. Sie seien eine außerordentlich starke staatsnahe Organisation, die sich in den fast zwei Jahrzehnten des Jemen-Krieges entwickelt habe und immer wieder in Prüfungen bestehen konnte.
Seit 2014, als sie die Kontrolle über die jemenitische Hauptstadt Sana'a übernahmen, hätten die Rebellen systematisch viele der besten Ingenieure, Techniker und Offiziere des jemenitischen Militärs und Geheimdienstes in ihre eigene Organisation integriert.
Diese Eingliederung in Verbindung mit der Unterstützung des Iran habe die Huthis von einer hart gesottenen Guerillatruppe in eine militärisch hochentwickelte Organisation verwandelt, die nun, zumindest auf niedriger Ebene, ein wichtiger regionaler Akteur ist.
Mehr Drohnen und wiedererwachte Popularität
Seit dem israelischen Gaza-Krieg erfährt die Rebellengruppe, nachdem sie durch hohe Arbeitslosigkeit und Preissteigerungen sowie harsche Repressionsmaßnahmen unpopulär geworden war, zudem wieder mehr Zustimmung im Land, während man, unterstützt vom Iran, Drohnen und Raketen erhält, mit denen der nicht staatliche Akteur seine militärische Reichweite deutlich erhöhen konnte.
Militärische Reaktionen, die zweifellos, siehe oben, geplant sind, seien aber, so Horton, eine schlecht durchdachte Strategie, um gegen die Miliz vorzugehen. Denn diese hätte über fast zehn Jahre Jemen-Krieg den Angriffen der Kriegsallianz unter Führung von Saudi-Arabien standgehalten, während die Huthis politisch und militärisch gestärkt daraus hervorgingen.
Sollten die USA oder Israel die Rebellengruppe im Jemen angreifen, auch wenn es nur begrenzte Schläge wären, könnte das eine Eskalation in Gang setzen, mit regionalen und globalen Implikationen.
Es wird zum Beispiel befürchtet, dass der Waffenstillstand mit Saudi-Arabien, bei dem China im Hintergrund eine wichtige Rolle spielte und der seit Monaten hält, durch westliche Vergeltungsschläge oder eine Ausweitung des Konflikts gefährdet würde und den Krieg im Jemen wieder anheizen könnte.
Außerdem haben die Huthis weiter die Kontrolle über den Ersatztanker "Nautica", in den das Öl des manövrierunfähigen und verrosteten Supertankers "FSO Safer" vor der jemenitischen Küste umgepumpt werden soll. Damit könnten sie, im Sinne asymmetrischer Kriegsführung, ein Desaster im Roten Meer anstellen.
All das zeigt, dass die Angriffe der Huthi-Milizen auf Frachtschiffe ein gefährliches Spiel mit dem Feuer sind und die USA und Israel gut daran täten, nicht militärisch darauf zu reagieren. Denn das könnte zu einem neuen Kriegsschauplatz führen und die Region weiter destabilisieren.
Was wäre also die Alternative? Ein Waffenstillstand in Gaza würde den Grund für die Attacken beseitigen. Denn die Huthi-Angriffe beziehen sich direkt auf die Bombardierung der Enklave. Auf ein Schweigen der Waffen sollte also, nicht nur aus humanitären Aspekten, gedrängt werden.
Aber wie die kürzliche Abstimmung im UN-Sicherheitsrat und das US-Veto zeigen, sind die Vereinigten Staaten bislang nicht gewillt, Israel dazu zu drängen.
Solange das so ist, sollte sich Saudi-Arabien als Mediator einschalten, um mit moderaten Kräften innerhalb der Huthis zu verhandeln. Man könnte ihnen Hilfen für den Wiederaufbau anbieten, im Gegenzug für ein Aussetzen der Angriffe. Denn die Miliz, so Horton, verstehe, dass die Kontrolle über den Nordwesten Jemens bei ständigem ökonomischem Niedergang nicht aufrechterhalten werden kann.