Frankreich: Die Rückkehr der Gaullisten?
Nach dem Sieg bei den Departementswahlen baut Sarkozy auf einen Machtwechsel
Von Nicolas Sarkozy, dem vormaligen Präsidenten Frankreichs, geht eine ungeheure Bündelung an Energie aus. Eine Energie, die ihm ja auch erst den sensationellen Aufstieg bis ins höchste Staatsamt ermöglichte. Der Geburt in Frankreich und dem "jus soli" verdankt Sarkozy seine französische Staatsangehörigkeit. Sein Vater ist ein ungarischer Adliger, aber wer ist in Ungarn nicht alles adlig? Seine Mutter stammt aus der uralten sephardischen Gemeinde von Saloniki.
Dass die französische Rechte, die erkonservative Bourgeoisie, die ja in Frankreich noch immer über mehr Einfluß verfügt, als man glaubt, diesen Zuwanderer vom Balkan - der beginnt für viele Franzosen ja schon irgendwo hinter dem Rhein- nicht nur akzeptierte, sondern auch aktiv unterstützte, stellt die eigentliche Sensation dar. Dass Sarkozy auch noch eine jüdische Mutter hat, ergänzt dieses "politische Wunder".
Zur Zeit der Dritten Republik, soviel ist sicher, unter dem Einfluß von Charles Maurras und seiner reaktionären Action française wäre Sarkozy öffentlich als "Zigeunerbaron"geschmäht wurden. Das Buch von Yasmina Reza, die Nicolas Sarkozy 2007 mehrere Minate im Wahlkampf begleitete - "Frühmorgens, abends oder nachts" - gilt in Frankreich als Grundlagenlektüre, zum Verständnis der Person und der Politik von Sarkozy. Allerdings endete Sarkozys Amtszeit 2011/12 ähnlich glanzlos, wie die seines Nachfolgers anfing, der heute als der unbeliebteste Präsident Frankreichs gilt.
Der Sieg der rechtsbürgerlichen UMP bei den Departementswahlen und die damit verbundene Niederlage der Sozialisten sind noch kein Anzeichen für eine Renaissance Sarkozys. Sie sind eher Ausdruck der politischen, ökonomischen und kulturellen Krise, von welcher Frankreich seit Jahren erschüttert wird und deren Ende nicht in Sicht ist.
DIe Krise, der FN und alte Trennungslinien
Die Tatsache, dass nahezu jeder vierte Wähler sich weder für UMP oder die Sozialisten entschied, sondern für Marine Le Pens modernisierten Front National, läßt das Ausmaß dieser Krise erfassen. Zwar färbte sich die politische Landkarte Frankreichs nach den jüngsten Wahlen oberflächlich blau, die Sozialisten regieren nur noch in zwei Großstädten, neben Paris in Lyon, darunter schimmert es aber schon "braun".
Auch der radikalen Linke, die in Frankreich traditionell stärker war als in den meisten anderen Staaten Westeuropas, gelingt es kaum, politisch von der Krise zu profitieren. Die meisten ehemaligen Wähler der KPF, der Kommunistischen Partei, die über Jahrzehnte bis zu einem Fünftel der Wähler ansprach, votieren heute für den Front National, während die undogmatische und trotzkistische Linke in unzählige Fraktionen zersplittert ist.
In diesem Zusammenhang sei ein Blick auf die politische Landkarte Frankreichs erlaubt. Die wirkliche Trennungslinie Frankreichs verlief traditionell zwischen Nord und Süd, etwa entlang der Loire, zwischen zwei Sprachsystemen, der langues d’oïl und der langues d'oc. Da gärten unterschwellig aus dem Mittelalter herrührende Ressentiments. Die fränkischen Barone des Nordens hatten sich im Zuge der Kreuzzüge gegen die Irrlehre der Albigenser den Süden mitsamt seiner blühenden Kultur unterworfen. Diese historische Kluft wurde nie ganz überwunden, trotz aller massiven Zentralisierungsmaßnahmen Paris, und der Zwist lebte in den 1970er Jahren wieder auf, mit der mehr folkloristischen als sezessionistischen Bestrebung zur Wiedergeburt Okzitanniens.
Noch heute sind entlang dieser Trennungslinie Unterschiede im Wahlverhalten erkennbar. Sechzig von 101 Departements waren bislang fest in sozialistischer Hand - fortan werden es nur noch 34 sein, die meisten davon allerdings im Süden oder Südwesten Frankreichs, zwischen Toulouse und Béziers. Trotz dieser Rahmenbedingungen, spekuliert Nicolas Sarkozy über eine Rückkehr seiner UMP an die Macht. Er selbst sieht sich schon wieder auf dem Weg in den Élysée-Palast. Bedeutet das auch eine Renaissance des Gaullismus in der französischen Politik?
Immerhin bekennt sich die UMP ja zum Gaullismus, wenn auch in einer höchst oberflächlichen Form. Der traditionelle Gaullismus engagierte sich ideologisch für eine größtmögliche außenpolitische Unabhängigkeit Frankreichs, verstand sich als Erbe der Aufklärung und der Französischen Revolution, flankiert von einer forcierten Zentralisierung Frankreichs und kulturellem Sendungsbewußtsein.
Davon war unter der Präsidentschaft Sarkozys nie viel zu spüren. In diesem Zusammenhang sollte es den Strategen dieser Partei nicht entgangen sein, dass gerade in den ehemals gaullistischen Hochburgen, wie zum Beispiel dem Elsass, die extreme Rechte starke Ergebnisse einfährt. Während seiner Amtszeit waren bei Sarkozy weder innen- noch außenpolitisch gaullistische Tendenzen zu erkennen. Möglicherweise ist dieser Begriff überholt. "Le Gaullisme sans de Gaulle, c' est idiot" - zu deutsch: Gaullismus ohne de Gaulle hat keinen Sinn!", so sagte einmal der Schriftsteller Andre Malraux.
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