Frankreich behält Neukaledonien - vorerst
Auch bei der zweiten von insgesamt drei möglichen Volksabstimmungen votierte eine Mehrheit für einen Verbleib - aber sie fiel deutlich knapper aus als bei der ersten
Das Pariser Ministerium für die französischen Überseegebiete hat heute Nacht das Ergebnis der Volksabstimmung über eine Unabhängigkeit Neukaledoniens bekannt gegeben. Danach stimmte bei 85,64 Prozent Beteiligung eine Mehrheit von 53,26 Prozent der Teilnehmer auf den Pazifikinseln für den Status Quo als "Collectivité" gemäß der Artikel 76 und 77 der französischen Verfassung. Die Wähler, die einen neuen unabhängigen Staat namens "Kanaky" wollten, waren mit 46,74 Prozent in der Minderheit.
Macron und Le Pen einer Meinung
Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron lobte das sich abzeichnende Ergebnis bereits vor der offiziellen Bekanntgabe als "Zeichen des Vertrauens in die französische Republik" und meinte, man solle "das Neukaledonien der Zukunft gemeinsam schaffen". Ganz ähnlich äußerte sich Oppositionsführerin Marine Le Pen.
Vor zwei Jahren hatten die Bürger Neukaledoniens noch mit einer größeren Mehrheit von 56,67 für einen Verbleib bei Frankreich gestimmt. Die Wahlbeteiligung war damals mit 81,01 deutlich geringer. Nun ist dem Nouméa-Abkommen von 1989 nach in zwei Jahren noch ein drittes und letztes Referendum erlaubt, wenn das Parlament der Inseln dafür stimmt: In diesem Parlament, dem Congrès de la Nouvelle-Calédonie, haben aktuell die Befürworter der Unabhängigkeit mit 26 Abgeordneten eine knappe relative Mehrheit vor den Verfechtern des Status Quo mit 25. Den Ausschlag geben die in dieser Frage nicht festgelegten Vertreter der von anderen Pazifikinseln zugewanderten Walliser und Futuner mit ihren drei Abgeordneten.
Ethnische Wahlen
Wahlen in Neukaledonien sind sehr stark ethnische Wahlen: Die stärkste Basis der Parteien, die für einen Verbleib bei Frankreich eintreten, sind Nachkommen der Franzosen, die seit der Inbesitznahme am 24. September 1853 einwanderten und sich als Europäer fühlen. Bei der letzten Volkszählung lag ihr Anteil bei 27,2 Prozent der Bevölkerung. Sie konzentrieren sich vor allem auf den Südosten der Hauptinsel.
Die Unabhängikeitsbefürworter haben dagegen ihre stärkste Basis unter den 28 Volksgruppen, die bereits vor 1853 auf den Inseln lebten. Sie nennen sich nach einem polynesischen Wort für Menschen "Kanaken" und machen zusammengerechnet 39,1 Prozent der Bevölkerung aus. Die größten Einzelgruppen darunter sind die Drehu-Sprecher in Lifou, die Nengone-Sprecher in Maré und Paicî und die Iaai-Sprecher in Ouvéa. Praktisch alle davon sprechen heute Französisch zumindest als Zweitsprache.
Abseits dieser Gruppen gibt es einen 8,7 Prozent starken Bevölkerungsanteil, der sich als "Kaledonier" sieht (und vor allem aus Nachkommen von Franzosen besteht)), 8,6 Prozent, die gemischter Herkunft und Identität sind, zweieinhalb Prozent, die bei der letzten Volkszählung keine Angaben machten, etwa vier Prozent Vietnamesen und andere Asiaten und etwa zehn Prozent Walliser, Futuner und Nachkommen von Zuwanderern aus weiteren Pazifikinseln, die ab 1873 vor allem zum Abbau von Nickel nach Neukaledonien kamen. Dieses Metall ist auch heute noch eine der wichtigsten Einnahmequellen der Inseln - neben der französischen Regierung, die mit jährlich 1,5 Milliarden Euro etwa ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts als Zuschuss aus Paris transferiert.
Ein Drittel des Bruttosozialprodukts kommt aus Europa
Dieser Zuschuss dürfte eine Rolle dabei spielen, dass manche Kanaken heute nicht mehr ganz so unzufrieden mit der Zugehörigkeit zu Frankreich sind wie in der Vergangenheit, in der es mehrfach zu blutigen Auseinandersetzungen kam. In den 1980er Jahren gab es dabei Dutzende Tote und eine Geiselnahme von 27 Polizisten und einem Richter.
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