Freispruch für Kevin Spacey: Welche Medien müssen sich jetzt entschuldigen?

Kevin Spacey auf dem Set von House of Cards. Archivfoto (2013): Maryland GovPics / CC BY 2.0

#MeToo-Kampagne gegen Schauspieler muss zurückrudern. Was passiert mit dem ruinierten Ruf des Oscar-Preisträgers? Was den Fall von Rammstein unterscheidet.

Die Jury war nicht von der Schuld Kevin Spaceys überzeugt. Der US-Schauspieler Kevin Spacey wurde gestern in einem der "markantesten, Aufsehen erregenden #MeToo-Gerichtsprozessen" in Großbritannien (The Guardian) von allen Vorwürfen der sexuellen Übergriffe freigesprochen.

Ihm wurden sexuelle Übergriffe gegen vier Männer vorgeworfen. So zum Beispiel nicht einvernehmliche Berührungen und Nötigung zum Geschlechtsverkehr. Spacey hatte dies stets bestritten. Laut Anklageschrift sollen sich die Vorfälle zwischen 2001 und 2013 in London und der britischen Grafschaft Gloucestershire zugetragen haben. Daher fand der Prozess in Großbritannien statt.

Von 2004 bis 2015 war Kevin Spacey künstlerischer Direktor am Londoner Theater Old Vic und lebte zeitweise in der britischen Hauptstadt. Die mutmaßlichen Opfer warfen ihm unter anderem vor, er sei ein "sexueller Bully". Einer der Zeugen schilderte, Spacey habe ihm "wie eine Kobra" in den Schritt gepackt.

SZ, dpa

Nicht der erste Freispruch

Es war nicht der erste Freispruch für den Schauspieler, der auch hierzulande durch die Netflix-Politik-Serie "House of Cards" seinen Bekanntheitsgrad immens erhöht hatte, vor Gericht erzielt. Es gab auch Freisprüche vor US-Gerichten.

Dem Urteil des britischen Gerichts wird aber eine weitaus größere öffentliche Aufmerksamkeit zugesprochen. Ob dieser Freispruch ihm wieder Auftritte ermöglicht?

Spaceys Ruf ist ruiniert.

Sturz im #MeToo-Jahr

Der Karrieresturz, der im Herbst des MeToo-Jahres 2017 begann - da halfen auch die zwei Oscars, die Spacey gewonnen hatte, nicht – war unaufhaltsam. Er flog aus der Serie und wurde aus einem Ridley Scott-Film herausgeschnitten. Niemand wollte ihn mehr beschäftigen.

Zudem wurde er von den House-of Cards-Produzenten MCR auf 31 Millionen US-Dollar Schadensersatz verklagt.

Rammstein und Spacey

Das ist der große Unterschied zum Fall Rammstein: Die Band ist weiterhin kommerziell erfolgreich. Für Spacey war es das Aus. Beide Fälle werden in Diskussionen, ersichtlich etwa auf Twitter, verglichen.

Als Gemeinsamkeit wird ein kampagnenartiges Anprangern herausgestellt, das die Unschuldsvermutung auf eklatante Weise aushöhlt. Rechtsstaatliche Prinzipien fehlen im Selbstverständnis derer, die solche Anklagen, die auf Verdacht beruhen, untermauern, lautet der Kernvorwurf.

Das Signal der Kampagne

Der Zeitgeist spielt jedenfalls im Ton mit. Das kann man etwa einem Spiegel-Artikel vom November 2017 entnehmen.

Dort werden zwar an keiner Stelle die Vorwürfe gegen Spacey als Tatsachenbehauptung wiedergegeben, was juristisch relevant ist. Aber sein Fall wird in eine Reihe gestellt:

"Weinstein, Spacey und die zahlreichen anderen Entertainment-Männer, die das US-Magazin Consequence of Sound auf einer ständig aktualisierten Liste verzeichnet, sollen 'Abuser' sein, Missbraucher."

Dem wird, ohne die Seite der Beschuldigten zu Wort kommen zu lassen, angefügt, dass täglich neue Anschuldigungen an die Öffentlichkeit dringen.

"Die Betroffenen berichten, wie sie sexuell bedrängt, genötigt, herabgewürdigt, in einigen Fällen wohl sogar vergewaltigt wurden."

Das sind keine geringfügigen Vorwürfe, auch wenn relativiert wird:

"Zum Teil, wie bei Spacey oder dem Bericht einer Praktikantin über Dustin Hoffmans sexuelle Anzüglichkeiten, sind die Vorfälle mehrere Jahrzehnte alt."

Es hätte schon einen kleinen, aber wichtigen Unterschied gemacht, wenn betont worden wäre, dass die Vorfälle erhoben wurden und nicht nachgewiesen. So stehen sie ganz unbedrängt da, als ob es daran keinen Zweifel gäbe.

Gute 14 Tage, nachdem Spaceys Sturz begonnen hatte (siehe dazu: das seltene Interview mit ihm in der Zeit), sendet der Spiegel mit diesem Artikel unter der Überschrift "Traumfabrik, aufgewacht" ein starkes Signal:

Die Konsequenz, mit der die Unterhaltungsindustrie ihre Weinsteins und Spaceys abräumt, ist gut.

Spiegel, 12.11.2017

Auch das Publikum müsse sich auf unbequeme Wege einstellen.

Wer möchte nicht am liebsten weiter Francis Underwood bei seinen Niederträchtigkeiten in "House of Cards" zusehen und sich an seiner fiktiven, grandios gespielten Schlechtigkeit ergötzen? Die Erkenntnis, dass sein Darsteller Kevin Spacey auch in der Realität ein Ekel sein könnte, ist ernüchternd: Was für ein Spielverderber!

Spiegel, 12.11.2017

Spielverderber?

Sollte Kevin Spacey tatsächlich ein Spielverderber sein und Abmahnanwälten Jobs verschaffen, dann müssten Medien jetzt ein paar Leute in die Archiv-Recherche schicken, ob nicht doch der eine oder andere Beitrag über das "Ekel" den Kriterien der Verdachtsberichterstattung eben nicht vollumfänglich gerecht wird.

Die Anklagen gegen Spacey waren nicht harmlos. Ihm drohten Freiheitsstrafen. Man kann davon ausgehen, dass das Gericht die Vorwürfe mit dem nötigen Ernst und Sorgfalt behandelt hat.