Freundestausch unter Feinden
Während sich die türkische Diplomatie zum Ärger der USA einen Iran-freundlichen und Israel-feindlichen Kurs einschlägt, verbündet sich das bisher traditionell Palästinenser-freundliche Griechenland mit Israel
Seit vergangenem Montag ist das finanziell angeschlagene Griechenland mit Israel verbündet. Die Israelis, einst enger Partner des griechischen Lieblingsfeinds, der Türkei, wollen zusammen mit den Hellenen Rüstungsprojekte, Farmen und alternative Energiequellennutzung betreiben. Dies ist das Ergebnis eines günstig terminierten Staatsbesuchs Benjamin Netanjahus in Athen. Im aufgrund der Haupturlaubszeit menschenleeren Athen blieben Israel-feindliche Demonstrationen von Menschenrechtsgruppen überschaubar. Die Rekordhitze, teilweise herrschten mehr als 41°C, tat ein Übriges.
Der griechische Ministerpräsident Georgios Papandreou II. – in Personalunion gleichzeitig als Außenminister fungierend – betonte:
Wir werden gemeinsam Innovationen in den Bereichen alternativer Energiequellen, der Landwirtschaft und auch im Bereich der Sicherheit vorantreiben, Dafür werden wir eine gemeinsame Kommission gründen, die unsere Zusammenarbeit strategisch vorantreiben wird.
Georgios Papandreou
Die Nutzung erneuerbarer Energiequellen ist eines der Wahlversprechen Papandreous, das bisher noch nicht umgesetzt werden konnte. Die Suche nach Rüstungsgütern gehört trotz finanzieller Schieflage zu den Lieblingsbeschäftigungen griechischer Politiker (Griechische Milliarden für deutsche U-Boote), und hinsichtlich der Agrarwirtschaft hofft das Land auf ein Wunder oder aber auf geniale israelische Ideen. Jahrelange EU-Regulierungen und fehlgeleitete Subventionspolitik haben die Landwirtschaft im einstigen Agrarland auf das Niveau einer Hobbytätigkeit absinken lassen.
Benjamin Netanjahu, der als erster Ministerpräsident Israels Griechenland besuchte, bemerkte darüber hinaus, dass er die neue Freundschaft diplomatisch nutzen möchte. Er sagte im Bezug auf das Palästinenserproblem: "Wir sind bereit, nach Kairo, Washington oder sonst wo zu fahren, um den Friedensprozess in Gang zu bekommen." Papandreou soll dabei helfen.
Diese Entwicklung hatte sich bereits am 22. Juli angekündigt. Papandreou hatte Israel als zweiter griechischer Ministerpräsident nach Konstantinos Mitsotakis besucht und gemeinsam mit Netanjahu das neue Kapitel der griechisch-israelischen Nachbarschaft geöffnet.
Der Name "Papandreou" stand besonders in der arabischen Welt bisher für eine pro-arabische Politik. Andreas Papandreou, Amtsvorgänger seines Sohns und erklärter Palästinenserfreund, hatte einst lautstark gegen die vollständige diplomatische Anerkennung Griechenlands durch den konservativen Ministerpräsidenten Konstantinos Mitsotakis protestiert. Damals, 1993, befand sich Griechenland wie heute in einer finanziellen Zwangslage. Unter strengen Auflagen gewährte Notkredite der EU retteten das Land vor dem Konkurs. Eine der Auflagen war offenbar die völkerrechtliche Anerkennung Israels. Andreas Papandreou wetterte zeitlebens gegen Israel und versuchte mehr oder minder offen, die Palästinenser zu unterstützen.
Andererseits waren die Israelis bisher immer auf eine intensive Partnerschaft mit der Türkei bedacht. Mit gemeinsamen Militärmanövern, Investitionen und einem tiefen Misstrauen gegenüber den Hellenen hatten die einstigen Freunde jahrelang die Diplomatie im Nahen Osten und auf dem Balkan beherrscht. Die Türken gewährten den israelischen Freunden großzügig Flugrechte für Ausbildungsflüge, die im engen israelischen Luftraum nicht möglich waren. Die Israelis vergolten die Freundschaft mit Technologie- und Waffenlieferungen. Gleichzeitig konnten sich die von Arabern und Iranern bedrängten Israelis über ein Bündnis mit einem laizistischen moslemisch geprägten Staat freuen.
Die Partnerschaft endete am 31. Mai spektakulär mit der Erstürmung der türkischen Gaza-Hilfskonvoi-Schiffe. Auf dem unter türkischer Flagge fahrenden Schiff "Mavi Marmara" wurden – nach türkischer Ansicht - unbewaffnete und in internationalen Gewässern fahrende Seeleute von israelischen Kommandotruppen getötet. Griechische Blockadebrecher kamen ebenso wie die Vertreter anderer Staaten mit einer einfachen Verhaftung und Ausweisung davon.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wertete dies als "Staatsterror" und brach aufgrund des "Verbrechens gegen die Menschlichkeit" die diplomatischen Beziehungen ab, auch wenn seitdem wieder Gespräche stattgefunden haben. Auf der Suche nach neuen Freunden in der Region wurde der Erdogan schnell fündig. Die radikale islamische Partei Hamas und der Iran wurden als Glaubensbrüder identifiziert.
Die Israelis verteidigten zunächst ihr Vorgehen gegen den Hilfskonvoi als staatlichen Hoheitsakt. Erdogans Angriffe führten aber später zu einer "tu quoque"-Argumentation, die ebenfalls medial ausgetragen wurde. Auch die Türkei besetze fremdes Gebiet, so die Anschuldigung. Pikanterweise handelt es sich bei dem türkisch besetzten Gebiet um den Nordteil der Insel Zypern. Hier hatten 1974 die Türken nach einem vom griechischen Obristenregime versuchten Putsch gegen den regierenden Erzbischof Makarios in einem Handstreich den nördlichen Teil der Insel besetzt und "ethnisch gesäubert".
Griechenland auf arabische Investoren angewiesen
Komplettiert wird die Verwirrung im Freund-Feind-Spiel der zankenden Diplomaten durch die Tatsache, dass Griechenland mit Papandreou an der Spitze derzeit vor allem auf arabische Investitionen hofft. Papandreou hatte für Werbeaktionen in arabischen Staaten, seinen Bruder Nikos als Berater eingestellt. Arabische Gelder haben bisher Banken, Fluglinien und weitere Investitionen gerettet. Auch in der Rüstungssparte konnten Unternehmen nur Dank einer beherzten Öldollarspritze überleben.
Den finanziell klammen Hellenen laufen angesichts der vom IWF und der EU verordneten Strukturmaßnahmen reihenweise die Investoren weg (Zuckerbrot und Peitsche für Griechen). Die Realwirtschaft ist nicht in der Lage, die rigorose Steuer- und Abgabenpolitik zu tragen.
Innerhalb eines Jahres sank das Volumen ausländische Investitionen im Sonnenland von 427 Milliarden Euro auf nunmehr 359 Milliarden Euro. Die heimische Wirtschaft liegt vollkommen brach. Neun von zehn Unternehmen im Land beklagen ernsthafte Liquiditätsprobleme.
Was, wenn nun auch die Araber aus Verärgerung ihre Gelder abziehen, fragen sich Kritiker der Annäherung an Israel. Papandreou selbst wiegelt ab, "der diplomatische Freundschaftskurs ist mit den Arabern abgestimmt und sollte nicht als Politik gegen die Türkei verstanden werde".
Unterstützung erhält der amerikanische Staatsbürger Papandreou bei seinem Unterfangen von Barack Obama und seitens der einheimischen konservativen Opposition. Sowohl die Nea Dimokratia als auch die rechtsnationalistische LAOS-Partei begrüßen die neue Freundschaft. Unter Papandreous Wählern indes herrscht Verwirrung, während linke Parteien den jüngsten Schritt des Premiers als Teil eines groß angelegten Verschwörungsszenarios sehen. Die Reaktionen aus dem Ausland sind bisher verhalten. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die jüngste Entwicklung auf die gesamte Balkan und Nah-Ost-Region hat.